IP vs. Amazon, VW und Provident Polska

Berichte von drei Arbeitskämpfen der IP in Polen.

Nein zur Diskriminierung der Amazon-Arbeiter*innen in Polen!

Am 1. Dezember 2020 legte Amazon Fulfillment Poland den Gewerkschaften das Reglement zum „Dezemberbonus” zur Beratung vor. Der vorgeschlagene Betrag für Arbeiter*innen in Vollzeit beläuft sich auf 600 Zł brutto [135 Euro], ungefähr 470 Zł netto [105 Euro]. Gleichzeitig bekommen die Amazon-Arbeiter*innen in Deutschland, Spanien, Italien oder Frankreich 300 Euro, in den USA 300 Dollar [247,48 Euro], und in Goßbritannien 300 Pfund [332,45 Euro].

Die Gewerkschaft IP ließ zwischen drei Alternativen abstimmen:

  1. 600 Zł sind uns genug. Die Gewerkschaften sollen den Vorschlag der Firma annehmen.
  2. Wir wollen mehr. Die Gewerkschaften sollen weiterverhandeln.
  3. Wir wollen mehr. Wir müssen die gewerkschaftlichen Verhandlungen unterstützen, indem wir kollektiv Druck auf die Firma ausüben. Es wird erklärt, sich gemeinsam an Protesten zu beteiligen (z. B. der Drosselung des Arbeitstempos/dem Tragen von Westen „2 000 für alle“ u. a.

An der Umfrage haben sich bis 13. Dezember 1 788 Arbeiter:innen beteiligt, 715 davon (40,4%) haben die Option gewählt, mehr zu fordern und zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Verhandlungen kollektiven Druck auf die Firma auszuüben, 38,5% fordern ebenfalls mehr und sprechen sich für weitere Verhandlungen mit Amazon aus und nur 16,5% geben sich mit dem Angebot in Höhe von 600 Zł zufrieden. Quelle: https://www.facebook.com/IPAmazon

Die wahre Stärke der ‚billigen Arbeitskräfte‘ (Bericht der IP Amazon über die Aktion am 15.12.)

„Dienstagmorgen, 15. Dezember, lernten die Chefs von Amazon die wahre Stärke der ‚billigen Arbeitskräfte‘ kennen. Wir bedanken uns bei allen Sympathisant:innen der Kampagne ‚Make Amazon Pay‘ für die Beteiligung an der erfolgreichen Lieferblockade im Lager WRO2 bei Wrocław und die Unterstützung der Forderungen gegenüber der Firma. Die Erfahrung dieser so gewaltigen Unterstützung gibt uns Kraft für den Kampf gegen die gesellschaftsschädigende Politik des Giganten. Die Blockade dauerte ganze 2,5 Stunden, es versammelten sich 110 Personen vor den beiden Toren des niederschlesischen Lagerhauses und behinderten dort die Arbeit. Der Protest fand während der Hauptbestellzeit statt, während der die Firma die Arbeitszeit in der Tag- und Nachtschicht auf elf Stunden verlängert. Statt Rekorde beim Verpacken von Waren zu brechen, zitterten die Manager vor der Macht einfacher Leute, die demonstrierten, wie leicht sich der Logistikprozess großer Unternehmen stören lässt. Die Gewerkschafter:innen der IP Amazon unterstützen die Blockade ‚Make Amazon Pay‘ in vollem Umfang und werden weiterhin den Kampf innerhalb des Betriebs führen.

Die Inicjatywa Pracownicza Amazon und die Solidarność Amazon forderten die Unternehmensleitung zu sofortigen Gesprächen […] am Donnerstag, 17. Dezember, auf. Wir werden laufend über die weitere Entwicklung informieren. Ältere Berichte zu Amazon Polen

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IP bei VW Poznań: Abfindung für zwei im Frühjahr 2017 entlassene Leiharbeiter

von Piotr Krzyżaniak (Anwalt der IP)

„Alle erinnern wir uns gut, dass im Frühjahr 2017 drei unserer Kollegen aus disziplinarischen Gründen entlassen wurden, weil sie angeblich den guten Namen von VWP verleumdet hatten. Einer von ihnen, Andrzej S., akzeptierte schon in einer früheren Prozessphase den finanziellen Vorschlag von VWP und kam mit dem Unternehmen zu einem Vergleich. Nie wieder äußerte er sich in dieser Sache. Dagegen zog sich das Verfahren der beiden übrigen Arbeiter, die für die Agentur IPS tätig waren, von August 2017 bis Dezember 2020 hin.

Endlich hat das Gericht das Urteil der Sache der zwei entlassenen Leiharbeiter Sebastian Humski und Łukasz Jasiński gefällt. Diese Arbeiter waren für die Volkswagen Poznań GmbH (als Entleiherin) tätig. Als sich bei Volkswagen eine Organisation der Inicjatywa Pracownicza gründete, kündigte die Leiharbeitsagentur ihre Arbeitsverträge. Während des Entlassungsverfahrens übernahm es die Gewerkschaft, sie vor der Kündigung zu schützen. Trotzdem trat diese in Kraft. Vor Gericht habe ich nachgewiesen, dass der Schutz sogar bei einer Entlassung bzw. bei einer Beschäftigung durch eine Agentur wirksam ist. Die Arbeitgeberin (die Agentur ‚Industry Personnel Services GmbH‘) behauptete wiederum, dass sie an die Forderung von Volkswagen gebunden gewesen wäre, was die Kündigung der Arbeitsverträge anging. Das Gericht erklärte, dass die Agentur im Einvernehmen mit den Arbeitern die ihnen bereits ausgehändigte Entlassung zurücknehmen soll, ohne Rücksicht darauf, was Volkswagen von ihr forderte, und sie durch die Entscheidung der Gewerkschaft gebunden gewesen wäre, den Schutz der Arbeiter zu übernehmen. Das ist der Beweis, dass Leiharbeiter:innen genauso wie Arbeiter:innen, die direkt beim entleihenden Unternehmen angestellt sind, von gewerkschaftlichen Rechten profitieren. Das Gericht erkannte beiden Arbeitern eine Abfindung von jeweils 5 049 Zł [1 137,69 €] zu, wies aber leider eine weitere Forderung (nach einer Abfindung aufgrund des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz) zurück. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht in Poznań lief seit August 2017. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Momentan warte ich auf die schriftliche Urteilsbegründung.“

https://www.facebook.com/IP.Volkswagen.Poznan/

Juristischer Erfolg gegenüber Provident Polska

von Piotr Krzyżaniak (Anwalt der IP)

„Der nächste Erfolg auf gewerkschaftsrechtlichem Gebiet. Das heutige Urteil [17.12.2020] des Warschauer Bezirksgerichts hat in einer von mir vertretenen Sache belegt, dass die Mitgliederzahl einer Gewerkschaft festgestellt werden kann, ohne dass die Rechtmäßigkeit ihrer Gründung überprüft wird. Die Provident Polska AG als Arbeitgeber [Finanzdienstleister/Teil der International Personal Finance Group] steht jetzt höchstwahrscheinlich unter Schock. Ein anderes Gericht hat erst vor kurzem aufgrund dieses Falls deren Klageverfahren zur Feststellung der Existenz (und der Rechtmäßigkeit der Gründung) unserer Gewerkschaftsorganisation eingestellt. Es erweist sich nämlich, dass in keinem Verfahren die Rechtmäßigkeit der Gründung unserer Organisation noch einer Überprüfung unterliegt. Es trifft zu, weil der Arbeitgeber (vor 2018) bis zu zehn Jahre Zeit hatte, zu überprüfen, ob die Betriebsgewerkschaftsorganisation im Einklang mit unserer Satzung entstanden ist. Es kann nicht über viele Jahre die Existenz einer Gewerkschaftsorganisation akzeptiert und dann ihr (rückwirkendes) Verbot gefordert werden. Außerdem machen wirkliche Menschen und Tätigkeiten, die Gesamtheit gesellschaftlicher Verhältnisse eine Gewerkschaft aus, nicht eine Akte mit Dokumenten, die zu beliebiger Zeit hinsichtlich der Übereinstimmung mit der Satzung und dem Gesetz (sowie im Rahmen graphologischer Gutachten) untersucht werden kann. Wenn unsere Gewerkschaft dort nicht real bestanden hätte, falls unser Kampf nicht geführt worden wäre, hätte der Arbeitgeber diese Mühen sicherlich nicht auf sich genommen. Er hätte nicht eine der besten arbeitgebernahen Kanzleien (des Anwalts Bartłomiej Raczkowski, der u. a. Amazon vertritt) engagiert, nur um uns rückwirkend von dort zu entfernen. Das ist der Beweis dafür, dass uns unser Wirken besser schützt als Unterlagen (obwohl diese auch wichtig sind).

Der Fall Provident ist kompliziert. Es begab sich vor zehn Jahren, dass sich die Arbeiter:innen empörten, sich die Inicjatywa Pracownicza gründete, aber noch bevor das passierte, wurde dort der dafür verantwortliche „Rädelsführer“, Sławek Budnik, entlassen. Zum Glück konnte vor dem Arbeitsgericht in Szczecin nachgewiesen werden, dass ihm die Kündigung nie rechtswirksam zugestellt worden war. Er kehrte in den Betrieb zurück und arbeitete dort eine Zeitlang weiter. Er stand auch unter besonderem gewerkschaftlichem Schutz vor einer Entlassung. Trotzdem wiederholte der Arbeitgeber den Versuch und kündigte dem Aktivisten. Sławek wurde erst in jenem Jahr wiedereingestellt. Das Verfahren wegen der Entlohnung für die Zeit der Arbeitslosigkeit ist noch (seit fast zehn Jahren) anhängig. Gerade mit der Absicht, diese Lohnzahlung zu vermeiden, engagierte der Arbeitgeber die besten Rechtsanwält:innen, die eine gewisse Regelwidrigkeit bei der Gewerkschaftsgründung aufdecken sollten, weil vom formellen Bestehen der Gewerkschaft Sławeks Recht auf Bezahlung für die zehn Jahre abhängt. Denn es ist eine Sanktion für einen Verstoß gegen den besonderen gewerkschaftlichen Schutz, und wenn er zum Zeitpunkt der Entlassung nicht geschützt gewesen wäre, könnte nicht mit einer Entlohnung für den so langen Zeitraum (bis zur tatsächlichen Rückkehr an den Arbeitsplatz) gerechnet werden.

Im Dezember 2018 reichte der Arbeitgeber Klage auf Feststellung der Nichtexistenz unserer Gewerkschaftsorganisation bei der Provident AG ein. Das Bezirksgericht in Poznań verlangte von der Gewerkschaft zunächst eine Reihe von Dokumenten, darunter eine Liste der Gründungsversammlung. Die Arbeiter:innen lehnten das ab. Sie fürchteten, dass sie auch entlassen würden. Schließlich aber, nach Darlegung meiner Argumente, stellte das Gericht die Sache ein. Ich hatte nämlich nachgewiesen, dass Verfahren dieser Art kraft Gesetzes eingestellt werden müssten. In der Zwischenzeit traten Bestimmungen zum Schutz der Anonymität der Gewerkschaftsmitglieder in Kraft, aber nur im Falle eines besonderen, nichtprozessualen Verfahrens zur Feststellung der Mitgliederzahl. Hier aber hatten wir einen Prozess, und die besagten Vorschriften hätten normalerweise keine Anwendung gefunden. Die Zwangsläufigkeit der Einstellung des Verfahrens, welches Provident initiiert hatte, ergab sich nicht direkt aus den Übergangsbestimmungen. Notwendig war deren funktionale Auslegung, von der sich das Gericht überzeugen ließ. Auch das Berufungsgericht in Poznań im April lfd. J. wies die Klage von Provident zurück und erklärte, dass die Einstellung auf Basis der Übergangsvorschriften aus den von der Gewerkschaft angeführten Gründen durchaus gerechtfertigt wäre. Es war der nächste Misserfolg der strikt formalistischen Argumentation auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen, wie sie durch Raczkowski angewandt worden war. Der Beschluss ist rechtskräftig, aber der Anwalt der Arbeitgeberseite reichte dagegen Kassationsklage beim Obersten Gericht ein.

Das heute für uns erfolgreiche Verfahren haben wir selbst eingeleitet, um unter Nutzung der Bestimmungen zum Schutz der Anonymität der Gewerkschaftsmitglieder aufzeigen zu können, dass wir im Betrieb mehr als 10 Mitglieder haben und uns das Recht auf eine Betriebsorganisation zusteht. Der Anwalt von Provident wollte das Verfahren für seine Zwecke ausnutzen. Er engagierte in dieser Sache auch Prof. Dr. habil. Ludwik Florek (Autor eines populären Handbuchs für Arbeitsrecht). Letzterer verfasste ein Gutachten zu diesem Verfahren, in dem er zum Ergebnis kam, dass die Rechtmäßigkeit der Gewerkschaftsgründung bezüglich der Festlegung der Mitgliederzahl der Gewerkschaft äußerst wichtig wäre. Der Anwalt von Provident wollte nachweisen, dass unsere Organisation (eventuell) nicht mit der Satzung im Einklang stünde. Er behauptete ebenfalls, dass diese Überprüfung vor den Gerichten in Poznań nicht durchführbar wäre. Dennoch beschränkte sich das Gericht darauf, 14 Gewerkschaftsmitglieder vorzuladen (ohne Beteiligung des Arbeitgebers und ohne bekanntzugeben, wer und wo angehört wird). Die übrigen diffizilen Anträge auf Beweisaufnahme wies es ab. Sie sollten u. a. aufzuzeigen, dass die Gründungsunterlagen viel jüngeren Datums als die Gewerkschaftsorganisation selbst sein könnten. Der Beschluss ist rechtskräftig, obgleich der Arbeitgeber noch vor dem Obersten Gericht Berufung einlegen kann.

Jetzt warten wir schon direkt auf das nächste Urteil in Sławeks Verfahren wegen der Lohnzahlung für die Zeit der Arbeitslosigkeit. Es bestehen aber keine ernsthaften Zweifel, dass sie ihm zugesprochen wird.“

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