„2000 Zł für alle!“

Die Amazon-Arbeiter*innen fordern eine Zulage und kein Paket mit Zuckerguss. Am 5. November 2020 haben die Arbeiter*innen von Amazon in Bielany Wrocławskie in der Tag- und Nachtschicht unter dem Motto „2 000 Zł für alle“ die Arbeit eingestellt. In den folgenden Tagen begannen die Beschäftigten in anderen Lagern, sich dem Protest anzuschließen. Die Inicjatywa Pracownicza unterstützt und dokumentiert deren Aktion. Weitere Arbeiter*innen kündigen an, sich ebenfalls beteiligen zu wollen, vor allem am bevorstehenden „Black Friday“, einer Zeit mit erhöhtem Arbeitsaufkommen.

Die Amazon-Arbeiter*innen fordern eine Zulage und kein Paket mit Zuckerguss

Am 5. November 2020 haben die Arbeiter*innen von Amazon in Bielany Wrocławskie in der Tag- und Nachtschicht unter dem Motto „2 000 Zł für alle“ die Arbeit eingestellt. In den folgenden Tagen begannen die Beschäftigten in anderen Lagern, sich dem Protest anzuschließen. Die Inicjatywa Pracownicza unterstützt und dokumentiert deren Aktion. Weitere Arbeiter*innen kündigen an, sich ebenfalls beteiligen zu wollen, vor allem am bevorstehenden „Black Friday“, einer Zeit mit erhöhtem Arbeitsaufkommen.

Das Amazonlager WRO1 in Bielany Wrocławskie ist das einzige des Unternehmens in Polen, das großformatige Artikel bereithält. Dort arbeiten über tausend Staplerfahrer*innen, welche die Bestellungen der Kund*innen aus Hochregalen zusammenstellen. Amazon, das in Polen 18 000 Leute direkt beschäftigt, rekrutiert alljährlich im Herbst für die Vorweihnachtszeit zusätzlich tausende von Leiharbeiter*innen – in diesem Jahr sind es 14 000 Personen. In den Lagern bei Wrocław müssen Arbeitskräfte gefehlt haben, da die Agenturen begannen, neuen Beschäftigten einen zusätzlichen Anwerbebonus in Höhe von 2 000 Zł anzubieten.

Der Bonus rief unter den Arbeiter*innen mit längerer Dienstzeit und den Leiharbeiter*innen, die bereits seit mehreren Monaten dort beschäftigt sind und ihn nicht bekommen, großen Unmut hervor. In den Lagern und in Internetforen wird darüber diskutiert, dass es Amazon nur um die Rekrutierung von Arbeiter*innen mit kurzfristigen Verträgen in der Zeit vor den Feiertagen und die Abwicklung der Aufträge ginge, und nicht um Wertschätzung für die schon beschäftigten Arbeiter*innen. Die Inicjatywa Pracownicza weist seit Jahren darauf hin, dass das Unternehmen die Kosten seines Geschäftsmodells auf die Arbeiter*innen abwälzt und in der Saison zweiwöchige oder monatliche, instabile Leiharbeitsverträge anbietet, während es zugleich die höchsten Profite akkumuliert.

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Die Unzufriedenheit wuchs besonders deswegen enorm, weil die Mehrheit der Lagerarbeiter*innen von Amazon in diesem Jahr keine Lohnerhöhung erhalten hat. Seit 2015 führt das Unternehmen im dritten Quartal eine sog. „Überprüfung der Gehälter“ durch, indem es die Einkünfte in der Region, wo sich die Lagerhäuser jeweils befinden, und in ähnlichen Branchen miteinander vergleicht. Zum ersten Mal in fünf Jahren – in der Zeit der Pandemie, während sich das Vermögen des Firmeneigentümers Jeff Bezos in unvorstellbarer Weise vermehrt hat und er selbst einer der fünf reichsten Geschäftsleute aller Zeiten geworden ist – wurden die Löhne der eindeutigen Mehrheit der Amazon-Arbeiter*innen in Polen auf einem Niveau von 20 Zł [umgerechnet 4,48 €] brutto pro Stunde eingefroren.

Für den Zeitraum vom 8. November bis 26. Dezember 2020 führte Amazon allerdings einen „Feiertagszuschlag zum Lohn“ in Höhe von vier Zł pro voller Arbeitsstunde ein. Das Reglement für den Zuschlag wurde der Gewerkschaft vorgelegt, die aber eine Erhöhung der Beträge erwartete. Das Unternehmen war nicht zu Zugeständnissen bereit. Es lohnt sich, sich zu erinnern, dass Amazon von Mitte März bis Mitte Mai – nach Protesten von Arbeiter*innen in verschiedenen Ländern – eine ähnliche („Corona“-)Zulage in Höhe von vier Zł pro Stunde zahlte. Die Pandemie ist nicht beendet. Die Arbeiter*innen von Amazon werden neben anderen Beschäftigten von Lagerhäusern und in der Logistik Held*innen genannt, dank derer die Bestellungen während des Herunterfahrens der Wirtschaft erledigt werden können. Wegen der andauernden Massenanwerbung von noch mehr Leuten gibt es täglich Kontakt miteinander in Betriebsbussen, Umkleideräumen, Kantinen und Hallen, was eine Gefährdung der Gesundheit darstellt.

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Vielen Arbeiter*innen zufolge sollte der gegenwärtige Zuschlag von vier Zł – ähnlich wie im Frühjahr – eine Fortsetzung der „Corona“-Zulage sein, der Weihnachtsbonus unabhängig davon gezahlt werden und deutlich höher sein. Mit seiner Hilfe besserten die Arbeiter*innen in den letzten Jahren ihr persönliches Budget auf, weil ihre Einkünfte während des gesamten Jahres unzureichend waren.

Deswegen kam es nach dem 5. November 2020 zu einer Reihe von Protestaktionen von unten, die aus Unterbrechungen der Arbeit bestanden und von einigen Minuten bis zu einer Stunde andauerten. Andere Beschäftigte drückten ihren Widerspruch dadurch aus, dass sie bei der Arbeit orangefarbene Westen trugen, die eigenhändig mit der Aufschrift „2 000 Zł für alle“ versehen worden waren. Sie waren zu sehen bei Amazon in Sosnowiec, Sady bei Poznań, Kołbaskowo und in Bielany Wrocławskie. Die Arbeiter*innen schickten Bilder und riefen andere dazu auf, aktiv zu werden: „Wer uns unterstützt, sollte ebenfalls eine solche Weste tragen!“

Die Inicjatywa Pracownicza erhielt Aufnahmen, auf denen der Protest der Staplerfahrer*innen im Amazonlager bei Wrocław festgehalten ist. In der Abteilung Ent- und Verladung (dock und ship) beteiligten sich in der Tagschicht ungefähr 115-130 Fahrzeuge (d. h. eine deutliche Mehrheit der Fahrer*innen dieser Abteilung). Einer der Teilnehmer*innen berichtet: „Der Protest bestand darin, dass alle Arbeiter*innen an einer Stelle zusammenkamen und für ungefähr drei Minuten die Hupen betätigten. Die Leute, die sich mit uns solidarisierten, gesellten sich als Zeichen des Protestes zu uns. Es hat einen großen Eindruck auf die übrigen Lagerarbeiter*innen gemacht. Natürlich haben sich gleich die Manager und die Angestellten der Personalabteilung versammelt. Zum Abschluss haben wir dreimal geschrien: ‚2 000 für alle!‘“

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"Wir fordern 2 000 Zł für alle Arbeiter*innen in den Amazonlagerhäusern für unsere Schwerstarbeit in Pandemiezeiten!"

Des Weiteren bekamen wir Informationen von Arbeiter*innen desselben Lagers, allerdings aus anderen Abteilungen, dass der Protest auch in der Nachtschicht stattfand, zwischen ein und zwei Uhr morgens. Die Beschäftigten der Abteilungen Pick und Stow blockierten die Gänge im Pickbereich und verhinderten so die Durchfahrt. Ein Teilnehmer schrieb: „Am Protest in WRO1 beteiligte sich auch die Abteilung Kundenretouren auf drei Linien. Ca. 180 Leute schalteten das Andon für ein paar Minuten ein“. Ein rotes Andon ist ein Lichtsignal, das anzeigt, dass die Fortführung der Arbeit aus technischen Gründen nicht möglich ist.

Die Inicjatywa Pracownicza wandte sich mit einem Schreiben an das Unternehmen, in dem es hieß: „Als eine Gewerkschaft, der Arbeiter*innen von Amazon und von Agenturen angehören, geben wir unserer Empörung Ausdruck, dass der Bonus weder den bei Amazon direkt angestellten Arbeitskräften noch den Leiharbeiter*innen gezahlt wird, welche schon seit einer gewissen Zeit im Betrieb tätig sind. Wir sind uns bewusst, dass die Agenturen, die den Bonus anbieten, seit vielen Jahren mit Amazon zusammenarbeiten und indirekt von den Gewinnen profitieren, welche durch die Arbeiter*innen von Amazon erwirtschaftet werden. Wir verlangen eine Erklärung zu dieser Lohnpolitik. Die Nachricht bewegte viele Leute, und die Belegschaft erachtet diese Lohnpolitik als Mangel an Respekt gegenüber den Arbeiter*innen mit längerer Dienstzeit. In der Gewerkschaft stehen wir aufgrund des Obengenannten auf dem Standpunkt, dass der Bonus in Höhe von 2 000 Zł unabhängig von der Dienstzeit und der Art der Beschäftigung (und auch vom Bonus von vier Zł pro Stunde) allen Arbeiter*innen zusteht – und erwarten vom Unternehmen eine Erklärung sowie die Aufnahme von Gesprächen über das Thema dieses Zuschlags“.

Am 13. November bekamen wir eine Antwort von Amazon: „Wir teilen Ihnen mit, dass die Zeitarbeitsagenturen bezüglich ihrer Beschäftigten eine von Amazon unabhängige Lohnpolitik betreiben. Der Bonus, den die Gewerkschaft in ihrem Schreiben erwähnt, ist kein von Amazon vorgeschlagener Bonus, und der Arbeitgeber ist keine Partei in dieser Angelegenheit (…)“ Amazon geht weder darauf ein, dass die Arbeiter*innen erregt sind, diese Lohnpolitik als Respektlosigkeit empfinden und zu Protestaktionen greifen, noch darauf, dass die gewerkschaftliche Seite die Bereitschaft zu Gesprächen erklärt hat. Wir konnten stattdessen lesen, dass die Arbeiter*innen Feiertagsgratifikationen aus dem Betrieblichen Sozialleistungsfonds (ZFŚS) bekämen (obwohl bekannt ist, dass die Bildung des Fonds per Gesetz geregelt und nicht das Ergebnis des guten Willens des Unternehmens ist) und dass es „schon traditionell im November und Dezember zahlreiche Wettbewerbe und Attraktionen geben wird, deren Einzelheiten in Kürze bekannt gegeben werden“. Die Attraktionen bestehen – laut den in den Lagerhäusern ausgehängten Plakaten – aus einem Donut mit Zuckerguss, einem Getränk oder Imbiss.

Die Gewerkschaft unterstützt und dokumentiert die von der Basis ausgehenden Aktionen der Arbeiter*innen. Uns erreichen Informationen, dass sich weitere Leute anschließen wollen, vor allem am kommenden „Black Friday“, wenn sich die Arbeitsbelastung intensiviert. Die Inicjatywa Pracownicza erklärt, dass sie diese Proteste unterstützen wird, und falls es erforderlich ist, Rechtshilfe für die Teilnehmer*innen garantiert.

2 000 für alle! Wer uns unterstützt, sollte eine solche Weste tragen!

OZZ Inicjatywa Pracownicza Amazon

ipamazon@wp.pl – 736 850 536

(17.11.2020)

https://www.ozzip.pl/informacje/ogolnopolskie/item/2712-2-000-dla-kazdego-pracownicy-amazon-domagaja-sie-dodatku-a-nie-paczka-z-lukrem#prettyPhoto