Tag der PSA - Berlin: Für den Standort verzichten wir gerne?

Mit dem heutigen Tag werden die sogenannten Personal Service Agenturen (PSA) bundesweit eingeführt. Teils wird das Arbeitsamt selbst diese Funktion übernehmen, teils werden (so im Arbeitsamtsbezirk vertreten) schon bestehende Zeitarbeitsfirmen ihr Arbeitskräftereservoir mit Tariflich untertariflich bezahlten Erwerbslosen auffüllen können. Bringen soll das eine Senkung der Arbeitslosenzahlen, jedenfalls wenn man Bundesregierung, Arbeitgeberverbänden und einigen Gewerkschaftsfunktionären Glauben schenken will.

Mehr Inhaltliches dazu im inhaltlichen Flugi des Anti-Hartz-Bündnisses Berlin:
http://www.webrelation.de/ah/ags/doc/1_april_03.htm
Nicht alle Erwerbslosen und "ArbeitnehmerInnen" (Wer gibt denn eigentlich seine Arbeitskraft, seine Zeit und Gesundheit gegen ein beschissenes Gehalt ab?) sind damit glücklich. Deshalb riefen linke und (anarcho)-syndikalistische GewerkschafterInnen, Erwerbslosengruppen und einige mehr, zu einem Aktionstag anlässlich der Einführung der "PSA" auf.

Neben Berlin gab es auch Aktionen in
Hamburg: http://www.de.indymedia.org/2003/04/47744.shtml
Bericht von der FAU-HH: http://www.fau.org/artikel/art_030412-110611
Frankfurt: http://www.fau.org/artikel/art_030412-111201
und anderen Städten.

Die Presse im Vorfeld:
http://www.taz.de/pt/2003/04/01/a0122.nf/text
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=33226&IDC;=3
http://www.jungewelt.de/2003/03-31/016.php

Gegen 15 Uhr trafen sich die ersten Leute vor dem Arbeitsamt in der Weddinger Müllerstraße, unweit des S-Bahnhofes Wedding. Für Demonstrationen des Linken Spektrums ein ungewöhnlicher Ort (keine Ahnung wann hier die letzte linke Demonstration stattgefunden hat). Für die meisten "Szene"Linken wohl auch viel zu gewöhnlich:
Viele deutsche türkischer Herkunft, viele "Prolls" und linke Subkultur nur ganz am Rande. Dabei alles Westberlin, als wäre die Mauer nie zusammengebrochen, obwohl ihre Trümmer nur wenige hundert Meter entfernt in der Gegend herumliegen.
Im übrigen auch einer der Bezirke mit riesiger Arbeitslosigkeit (ähnlich wie Neukölln) und großem Arbeitsamt, weshalb auch der Ort der Manifestation gewählt wurde.

Die "Freudenmanifestation" sollte einen sehr ironischen Charakter haben, was aber nur teilweise durchgehalten wurde. Das äußerte sich in Schildern mit dem Bild von Christian Stöbele und der Aufschrift "Mein Opa arbeitet auch" oder mit einem durchgestrichenen knutschenden Pärchen, unterschrieben mit "Schuften statt Knutschen" und einer Reihe weiterer Schilder dieser Art. Dazu gab es Redebeiträge der "Initiative Standort Deutschland", der "Freiwillig Arschkriechenden Untertanen" und einen vom Kabarettisten Gerald Wolf glänzend karrikierten DGB-Funktionär.

Dazwischen leider irgendwelche Revolutionmsmusik aus dem Lauti - Techno, Ragga oder die FDP-Hymne oder... wären besser gewesen. Dazwischen auch wieder ein ernst gemeinter Beitrag (siehe Flugi).

Gleich am Anfang fand auch eine Sklavenversteigerung statt, auf der unter anderem ein zur Begleitung abgestellter Polizeibeamter ersteigert werden konnte. Er kostete 3 Euro, ob er aber von der betreffenden Person als billiger Wachschützer mitgenommen werden konnte, ist nicht bekannt. Zwischendurch gab es immer mal Parolen wie "wer sich jetzt noch sonnt - gehört an die Front!" oder "Mieten rauf! Löhne runter! - dann wird der Standort wieder munter!", "Sieben Tage nicht genug - Urlaub ist nur Selbstbetrug".

Leider war ein Großteil der Anwesenden ziemlich passiv in dieser Hinsicht, was aber auch an der zu lauten Lasutsprechermusik gelegen haben mag. Mit der "Militärparade" einige Wochen zuvor, konnte sich das jedenfalls nicht messen. Aber bei Themen wie "Arbeitsmarktreform" ist es sowieso nicht leicht, überhaupt Leute auf die Straße zu bringen, weshalb das Ganze mit 200-300 TeilnehmerInnen durchaus als (kleiner) Erfolg zu werten ist. Nachdem der Zug an der Leopoldstraße einen kurzen Zwischenstopp in Nähe der Firma Randstad eingelegt hatte, ging es noch hundert Meter weiter zum Sozialamt, wo es noch einen Redebeitrag und ein weiteres Ständchen von Gerald Wolf gab. Dann war es dann auch schon zu Ende und nur die Bullen nervten noch und wollten unbedingt die Straße freikriegen.
Einen Journalisten, der von einem Stromkasten aus fotografiert hatte, zeigten sie sogar wegen Sachbeschädigung an.

Fazit:
Netter Frühlingsspaziergang bei wunderbarem Wetter (nur etwas windig), Teilnehmerzahl wie immer zu wenig, angesichts der realpolitischen Normalität aber OK. Einiges hätte besser organisiert sein können und vor allem hätte der ironische Charakter konsequenter durchgezogen werden müssen. Die Presseresonanz schien ganz gut zu sein - mal schauen was morgen in den berliner Gazetten steht.

Ausblick:
Das Anti-Hartz-Bündnis, wie auch die FAU, werden sich mit eigenen Inhalten in die verschiedenen Demonstrationen am ersten Mai einbringen, wie und wo auch immer demonstriert wird (auch beim DGB). Desgleichen wird es bei den Mitte Mai zu erwartenden Demonstrationen des DGB geben, wo endlich einige höhere Funktionäre dem Druck aus der Gewerkschaftsbasis ein gaaaaanz kleines bischen nachzugeben scheinen (mal schauen).
Vielleicht ist die Abschaffung der Arbeitslosenbhilfe ja doch zuviel des guten!

Am 1. Juni folgt dann ein weiterer Aktionstag, dessen Programm aber noch nicht feststeht. Zu guter letzt noch ein Appell an die Lohnabhängigen und Erwerbslosen: Organisiert Euch endlich! Werdet aktiv! Auf Eure Stellvertreter könnt ihr euch nicht verlassen!

Homepage: http://www.fau.org/og/berlin
Adresse: Straßburger Str. 38