Redebeitrag bei der Kundgebung des Solinetz Rostock am 17.01.2022

Unser heutiger Redebeitrag steht unter dem Motto "Wieder mal nach oben treten".

Seit fast 2 ganzen Jahren hat die Pandemie die Welt fest im Griff. Das sind 2 Jahre in denen die Krise fast ausschließlich auf dem Rücken der lohnabhängigen Menschen ausgetragen wurde. In diesen 2 Jahren haben der Staat und seine Institutionen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen billigend in Kauf genommen zum Schutz von Kapitalinteressen. Aber auch die antikapitalistische Bewegung hat es versäumt klassenkämpferische Alternativen voranzutreiben.

Ein schon vor der Pandemie absurd überlastetes Pflegepersonal wurde im Bundestag für ihre Mehrarbeit in der Pandemie symbolisch beklatscht. Doch positive Veränderung in den Pflegeberufen gibt es bis heute nicht. Im Gegenteil:

Der seit Jahren andauernde Pflegenotstand und die Überbelastung der Pflegekräfte führte 2021 zu einem weiteren Abbau von 3000 Intensivbetten innerhalb von neun Monaten, aufgrund von Kündigungen.

Und die Stimmung unter den Pflegekräften  die noch nicht gekündigt haben, ist erschreckend. Ein Drittel der Pflegekräfte spielt häufig mit dem Gedanken ganz aus dem Pflegeberuf auszusteigen. Das ergab eine Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) im Dezember 2020.

Währenddessen erwirtschaften private Klinikkonzerne, wie etwa Helios 600 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2020.

Nur noch zynisch ist es dann, wenn Kliniken ihren Mitarbeiter_Innen FFP2 Masken oder Schokolade als Dank für ihre Mehrarbeit zu Weihnachten schenken oder es bei leeren Versprechungen seitens der Politik bleibt.

Utensilien die das Risiko einer Infektion minimieren, wie zb.: FFP2 Masken, Desinfektionsmittel, mussten hauptsächlich Lohnabhängige Menschen aus ihrer eigenen Tasche zahlen. Gerade für prekär Beschäftigte bedeutete das noch weniger am Monatsende im Portmonee zu haben. Schnelltests, die nun zur Bedingung der gesellschaftlichen Teilhabe geworden sind, kosten viel zu viel und sind beispielsweise in ländlichen Gebieten nicht allen zugänglich. Die Räume, in denen wir uns auch ohne Konsumzwang treffen konnten, wurden uns durch Ausgangssperren immer wieder genommen. Kontrollen zur Durchsetzung der Coronaschutzverordnungen fanden vor allem in sozialen Brennpunkten statt. Und während Großveranstaltungen wie Karneval, Oktoberfest und hier die Hansesail unberührt blieben, wurde in Göttingen ein Plattenbaukomplex mit 700 Menschen durch Polizeischutz unter Quarantäne gestellt.

Uns als radikale Linke ging in den meisten Teilen Deutschlands nach einigen Monaten Nachbarschaftshilfe, Maskenverteilung und schlauen Texten die Puste aus. Die bereits früh entstandene Querdenken-Bewegung gewann immer mehr an Größe und Reichweite. In verschiedenen Städten machte sie mit unterschiedlichen Qualitäten von Gewalt und rechter Beteiligung auf sich aufmerksam. Was sie überall vereint, ist ein diffuser Begriff von Freiheit und eine Ablehnung von Masken und Impfungen. Ein großer Teil Ihrer Ansichten sind, ohne Diskussion, nicht emanzipatorisch. Doch Querdenker:innnen allein die Verantwortung für das Fortbestehen der Pandemie zuzuschieben, wie es vielerorts passiert, greift zu kurz. Versteht uns nicht falsch: mit Faschist*innen und Verschwörungsgläubigen ist kein gutes Leben zu erobern. In welchem Verhältnis steht aber eine solche Bewegung gegenüber 8 Millionen Schüler*innen, die die letzten anderthalb Jahre beinahe ohne Schutz und Impfung in den Klassen hockten? Zu Großraumbüros und Arbeitsstellen? Wir sagen: lasst es uns nicht zu einfach machen und ganz klar strukturelle Probleme benennen. Denn die Ursachen für die Krise liegen im System von Staat und Kapital.

Ein komplett kaputt gespartes, profitorientiertes Gesundheitssystem, in dem bis an die Belastungsgrenze geschuftet werden muss, kann auf die Belastung einer Pandemie nur mit einer Triage antworten.

Ein potentiell lebensrettender Impfstoff, der wegen des Patentrechts nur von einigen wenigen Firmen hergestellt und teuer verkauft wird, kann keine globale Lösung sein. In der BRD wird diskutiert, wie die letzten 25% zum Impfen gebracht werden können. In wirtschaftlich schwächeren Ländern reicht der Impfstoff hinten und vorne nicht. Auf dem afrikanischen Kontinent sind derzeit nur ca 9% der Menschen geimpft. Und selbst wenn wir uns hier die x-te Boosterimpfung reinjagen, wird durch die Entstehung immer neuer Virusvarianten in Gebieten mit schlechter Versorgung mit Impfstoff das Problem nicht gelöst. Besonders hier zeigt sich, dass wie immer Menschenleben das Kapitalinteresse anscheinend nicht aufwiegen können. Die Spende abgelaufener Impfdosen ist in diesem Kontext keine Wohltat, sondern blanker Hohn.

Deshalb müssen wir als Gewerkschaft, als Linke, als Bewegung - der arbeitenden Klasse auch in ihren Arbeitskämpfen wieder vehement den Rücken stärken.

Genau deshalb muss unbedingt Kritik am Krisenmanagement von Staaten generell, aber auch insbesondere Deutschland geübt werden. Wir müssen wieder in Bewegung kommen. Klar solidarisch und antikapitalistisch. Der anhaltenden Verschlechterung von Arbeitsbedingungen müssen wir entschlossen entgegentreten. In den USA hat Corona eine lange nicht mehr da gewesene Welle an Kündigungen im Niedriglohnsektor gesehen. Die "systemrelevanten" Beschäftigten haben damit auf Applaus verzichtet und einigen Bossen das Herz in die Hose rutschen lassen. Auch in Deutschland zeigen die Arbeitskämpfe u.a. bei Gorillas, Dominos und auf den Spargelhöfen, dass wir diesem System die Zähne zeigen können. Das haben wir als Gewerkschaft vor. Wer dem Kapitalismus den Steigbügel hält, wer sich eine Normalität zurückwünscht, die auch vor der Pandemie schon scheiße war, wer mit Faschist*innen den Aufstand probt, kriegt von uns eine klare Absage erteilt. Deshalb sagen wir: Legt euch mit euren Bossen an, tretet nach oben, organisiert euch und tretet der FAU bei!