Den Himmel stürmen

Eine Theoriegeschichte des Operaismus - Buchvorstellung und Diskussion

Mit der Diskussion um Negris „Empire“ ist auch hierzulande wieder die Rede vom („Post-“) Operaismus – obwohl kaum jemand noch weiss, was dieser etwas seltsam anmutende Begriff ursprünglich mal bedeutete. Wörtlich übersetzt müsste es „Arbeiterismus“ heissen und tatsächlich standen die ArbeiterInnen im Zentrum der operaistischen Theorie. In der Auseinandersetzung mit der in den 1960er Jahren bereits etablierten italienischen Kommunistischen Partei und den von ihr dominierten Gewerkschaften fanden die Operaisten neue, radikalere Formen des Kampfes und der Kritik des Kapitalismus. Sie untersuchten die sich verändernde Zusammensetzung der Arbeiterklasse und stellten die Subjektivität der ArbeiterInnen in den Mittelpunkt. Einer ihrer Ansätze zur Befreiung der marxistischen Theorie von den stalinistischen Erstarrungen war das Konzept der „militanten Untersuchung“, des Eingreifens in Kämpfe durch Befragung von beteiligten ArbeiterInnen, wie auch durch Selbstbefragung – und damit anders, als die Industriesoziologie, in der sie eine Herrschaftswissenschaft sahen.

Sie kamen zu dem Schluß, dass nicht das Kapital die Arbeiter zum Widerstand zwingt, sondern das Kapital faktisch durch die Kämpfe der ArbeiterInnen vorangetrieben wird. Den „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ in der Produktion verstanden sie als eine Reaktion der Kapitalseite im Kampf gegen die wachsenden Ansprüche der ArbeiterInnen. Lange vor den Grünen entwickelten sie eine Kritik der Technik, in deren Weiterentwicklung vor allem die Herrschaftsinteressen des Kapitals zum Ausdruck kommen.
In Italien gelang es der operaistischen Bewegung um Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre recht breiten Einfluß zu erlangen, was zu einer allgemeinen Radikalisierung der Kämpfe führte – die zu jener Zeit an einen weitverbreiteten Widerstand gegen die Zumutungen einer hochgradig stupiden Fließbandarbeit besonders unter jungen ArbeiterInnen erfolgreich anknüpfen konnte. Ihnen ging es nicht um die Befreiung der Arbeit, sondern um die von der Arbeit. Sie wollten nicht länger zu ihrem Arbeiterdasein verdammt sein und strebten gemeinsam mit den rebellischen Studenten und gegen die etablierte kommunistische Linke und ihre Gewerkschaften eine Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft an. In den späten 1970er Jahren wurde die Bewegung durch den italienischen Staat gewaltsam niedergeschlagen. Tausende ihrer Militanten landeten im Gefängnis, so übrigens auch der eingangs erwähnte Antonio Negri.

Der Autor, der britsche Politikwissenschaftler Steve Wright, will mit seiner nun auf deutsch vorliegenden Doktorarbeit nicht zuletzt diese Bewegung vor dem Vergessen bewahren – die Geschichtsschreibung, wie er sagt, „nicht den Richtern und der Polizei überlassen“. Dabei setzt er sich auch kritisch mit den Schwächen der Bewegung auseinander, von der schließlich Teile auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung auf die militärische Karte setzten. Die ÜbersetzerInnen werden uns das Buch vorstellen.

Weiter Infos zum Operaismus im Allgemeinen und zum Buch im Speziellen erhaltet ihr beim Verlag bzw. auf den Seiten von Wildcat.

Freitag, 3.3., 19.00 Uhr im Blaue Welt Archiv, Thiemstr.13

Das Buch

Wright, Steve Den Himmel stürmen Eine Theoriegeschichte des Operaismus Aus dem Englischen von Dirk Hauer, Felix Kurz, Marion Liebhold, Lars Stubbe ISBN 3-935936-24-9 | 260 Seiten | erschienen Mai 2005 | 18.00 €