Sylvester zur Knastdemo nach Berlin !

Kommt alle zur Demonstration gegen Knäste und Zwangsanstalten am 31.12.2005
Seit mehr als zehn Jahren findet nunmehr die Demo zum Knast Berlin-Moabit statt. Wir wollen auch dieses Jahr den Gefangenen unsere Solidarität zeigen und füt eine befreite Gesellschaft ohne Knäste und Zwangsanstalten demonstrieren.

31.12. 2005 23.15h U-Bhf Turmstrasse Berlin

Tear down the walls!

We are furious at a society which views incarceration as a solution to problems it creates.also , we want to show our solidarity with the people behind bars. that are two of the reasons why we make a rally to the jail in berlin moabit on new years eve. The following articles are published in a booklet with we use to mobilize for the rally.

Come to the demonstration against repression and prisons!
31. 12. 05 ---23h15 or 11.15 pm ---berlin moabit
sub: turmstr. / hertie

Aufruf

Knast und Repression – eine Bestandsaufnahme

Im strafrechtlichen Diskurs der meisten Länder tritt die Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs immer mehr in den Hintergrund. In fast allen öffentlichen Medien und politischen Diskussionen und Debatten kann mensch von einem Wechsel zur Sicherheit vor angeblichen Straftätern lesen und hören. Am deutlichsten hat dies Tony Blair, Ministerpräsident von Großbritannien, ausgedrückt, der ein “ Ende der Kuschelzeit mit dem Täter” verkündete und alle Resozialisierungs-programme als 68er Fehler bezeichnete. Diese Sicherheit, so wird suggeriert, soll nur durch Überwachung und vorbeugende Strafmaßnahmen zu erhalten sein. Anschläge wie in New York, Madrid und London und von den Medien spektakulär vermarktete Sexualdelikte, bzw. Morde oder Ausschreitungen nach einem Fußballspiel, machen es dann leicht, Einschränkungen der persönlichen Freiheit und härtere Gesetze durchzusetzen.

Knast in Deutschland

Nach einer Untersuchung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen glauben die Menschen in Deutschland, dass die Zahl der Morde zwischen 1993 und 2003 um 27% zugenommen hat und die Zahl der Sexualmorde um 260 % gestiegen sei. Mit der Realität haben solche Zahlen wenig zu tun. Laut Kriminalstatistik geht die Zahl der Morde seit Jahren zurück, bei den registrierten Sexualmorden und Sexualmordversuchen sank die Zahl zwischen 1981 und 2004 von 81 auf 26 Fälle. Trotzdem werden seit Ende der 90er Jahre die Gesetze kontinuierlich verschärft. Inzwischen gibt es die nachträgliche Sicherungsverwahrung, ein härteres Sexualstrafrecht, ein neues Maßregelvollzugsgesetz. Konnte mensch früher noch probeweise aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, ist dies heute nur noch möglich wenn “zu erwarten ist, dass der Untergebrachte...keine rechtswidrigen Taten mehr begehen kann” Da diese Vorlage unmöglich zu erfüllen ist, sind zurzeit mehr als doppelt so viele Menschen wie Anfang der neunziger Jahre im Maßregelvollzug. Nach Ansicht eines Professors der forensischen Psychiatrie der Uni Göttingen kommt die neue Praxis einer “ versteckten, unbefristeten Sicherungsverwahrung gleich”. Der Bundesrat hat im September dieses Jahres eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes vorgeschlagen. Danach soll den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, “Strafgefangene in angemessenem Umfang an den Kosten für ihre Gesundheitsfürsorge zu beteiligen”. Die Bundesregierung hat dies als nicht notwendig abgelehnt, Gefangene müssen z.T. schon lange für Zahnersatz und vieles andere bezahlen. Gegen die vom Bundesrat geforderte Kostenbeteiligung von Patienten im so genannten Maßregelvollzug hat die Bundesregierung hingegen keine Bedenken. In Berlin wird der Maßregelvollzug in Berlin-Buch und in Berlin- Reinickendorf (auf dem Gelände der Karl - Bonhöfer - Nervenklinik) durchgeführt. In Brandenburg laufen zurzeit Verhandlungen zur Privatisierung der psychiatrischen Landeskliniken und des Maßregelvollzugs. Vom Verkauf der psychiatrischen Landeskliniken und des Maßregelvollzugs erhofft sich das Land dem Vernehmen nach eine zweistellige Millioneneinnahme.Brandenburg finanziert nach Angaben der “Märkischen Allgemeinen” gegenwärtig 245 Plätze in den drei Maßregelvollzugsanstalten Eberswalde (Barnim), Brandenburg/Havel und Teupitz (Dahme- Spreewald). Von den Richtern werden seit einigen Jahren immer höhere Urteile verhängt. In den vergangenen drei Jahren stieg die Zahl der Häftlinge von 64.533 auf 81.166. Die Knäste sind, laut Justizministerium, zum Teil bis zu 36% überbelegt. Als Antwort darauf werden aber nicht, wie Anfang der 1980er, Strafen erlassen, zurückgestellt oder unterbrochen, sondern es sollen mehr Knäste gebaut werden. Die meisten der neuen Gefängnisse sollen in Private -Public- Partnership gebaut werden. Dazu wurde dieses Jahr ein Gesetz erlassen, das solche “Partnerschaften” regelt und erleichtert. Diese Gesetzesänderung war nötig, weil es in Deutschland rein rechtlich nicht möglich war, die Gefängnisse so einfach zu privatisieren. Als Modelprojekt gilt dabei der Knast in Hünfeld. Nach einer Planungs- und Bauzeit von vier Jahren wurde das Gefängnis im November eingeweiht, im Januar sollen die ersten Gefangenen eingeliefert werden. Die Einsparungen durch die Teilprivatisierung belaufen sich angeblich auf jährlich 15 Prozent bzw. 660.000 Euro. Mit der höheren Zahl an Gefangenen wird auch das Geschäft mit der Knastarbeit immer lukrativer.Mittlerweile sind fast alle Knäste entweder im Internet vertreten und verkaufen ihre Produkte dort, oder haben eigene Läden und Werkstätten die Verkaufstage haben.Die Firma Herr Ledesi, die mit der Vermarktung von Prison Wear bekannt wurde, verkauft die Produkte jetzt europaweit und arbeitet auch mit den britischen Behörden zusammen.Die Firma ist ziemlich berühmt geworden durch die Vermarktung von Zwangsarbeitsprodukten und hat für die Website und die Plakate etliche Designerpreise gewonnen. Die Adresse ist immer noch Mehringdamm 60.

Europa

Im Mai wurde in Prüm der Schengen III Vertrag unterzeichnet. Darin wird innerhalb der EU der Zugang zu Dateien mit Fingerabdrücken, DNA, usw. erleichtert, die Strafverfolgung auch über die Grenzen hinaus wird erlaubt. Ein weiteresThema war die “öffentlichen Ordnung bei Großveranstaltungen und Protesten”. Beschlossen wurde, während der WM 2006 oder bei EU- und G8-Gipfeln enger zusammenzuarbeiten. Im Rahmen dieser “engen Zusammenarbeit” wurde festgelegt, Menschen die entweder in der sog. Hooligan-Datei oder als politisch aktive Menschen bekannt sind, Ausreiseverbote und Meldeauflagen zu erteilen. Hooligans sind für die deutschen Behörden (aber auch in vielen anderen Ländern) mittlerweile zu einer wichtigen “Tätergruppe” geworden. Wichtig im Sinne ihrer Repressionstaktik, da die Hooligans, wie Junkies, Punks oder Obdachlose nicht wirklich über eine Lobby verfügen, und viele Übergriffe und Angriffe auf diese deshalb nicht unbedingt registriert werden. Nur in besonders extremen Fällen, wie z.B. bei dem Prügeleinsatz des SEK in der Disco “Jeton” in Berlin, wird Repression in den Medien thematisiert. Deshalb reagiert auch niemand auf die Ausreiseverbote, die gegen diese verhängt werden. Das ein Gesetz nicht auf einzelne Gruppen angewandt wird, konnten politische Aktivistinnen dann bei den Protesten zu den G8 - Gipfeln selbst zu spüren bekommen. 2001 z.B. konnte mensch bei den Reiseverboten zu dem Gipfel in Genua erfahren, das es, laut dem Berliner Innensenator Körting “kein Grundrecht auf Ausreise” gibt. Die Ausweise der Betroffenen wurden für 10 Länder gesperrt. Als Rechtsgrundlage diente das Passgesetz, das 2000 entsprechend verschärft wurde. Danach können Reisebeschränkungen in die Pässe von bekannten »Gewalttätern« eingetragen werden, sofern eine »erhebliche Gefährdung von Belangen der Bundesrepublik« vorliegt. Wer auferlegte Beschränkungen missachtet, muss mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr rechnen. Sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM 2006 werden zunehmend zu einem Testfeld neuester Sicherheitstechnik. Dies war bei den olympischen Sommerspielen 2004 in Athen der Fall und dies ist faktisch auch mit dem Sicherheitskonzept WM 2006 geplant. Dazu gehören u.a. die Verwendung von RFID -Chips statt Strichcodes auf WM -Tickets, die Preisgabe persönlicher Daten wie Name, Alter, Anschrift, Pass- oder Personalausweisnummer für das Kaufen eines Tickets, sowie Videoscreening an öffentlichen Plätzen, teilweise mit computergesteuerter Gesichtserkennung. Ob diese Kameras nach der WM wieder abgebaut werden, wurde bei mehreren Anfragen durch Fanclubs bei Parteien und dem Bundestag nicht beantwortet. Ausschreitungen während der WM sollen “mit allen Mittel verhindert werden”, unter dem Motto “ null Toleranz “ wurden verschiedene Maßnahmen beschlossen (direkte Ansprachen durch die Polizei, Stadionverbote, Reiseverbote, Meldeauflagen, usw.).”Ausländische Hooligans” sollen bereits an der Ausreise gehindert werden. Allerdings hat nur GB ein entsprechendes Gesetz, dass dort 2000 eingeführt wurde. Deshalb wurden, noch von Schily , Schritte unternommen um in der EU die Reisefreiheit aufzuheben und wieder Grenzkontrollen durchzuführen.

Administrative Inhaftierung

Zugenommen hat nach dem 11. September 2001 die Zahl der Länder die Menschen ohne Urteil und ohne Beweise inhaftieren. Administrative Inhaftierung oder vorbeugende, unbegrenzte Haft gab es schon vor den Anschlägen und dem weltweiten „Krieg gegen Terror“, z.B. wurden IRA Verdächtigte in Großbritannien nach Anschlägen oder Riots ohne Begründung inhaftiert, aber nach dem 11.9. 2001 war es leichter, solche Gesetze durchzusetzen.
In den meisten Ländern wurde und wird über vorbeugende Haft diskutiert, in Deutschland seit den 1970er Jahren. Dabei wurden die jeweils betroffenen Gruppierungen zwar immer wieder geändert, gefordert werden aber nach wie vor Maßnahmen um Menschen über längere Zeit und ohne Begründung und Urteil einzusperren, z B. in den Fällen wo es zwar einen berechtigten Anfangsverdacht gibt, die Beweise aber nicht für eine Verurteilung genügen. Haftgrund ist hier lediglich die Möglichkeit eine Straftat zu begehen. Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung, in der das Einsperren zwar mit zukünftigen Straftaten, aber auf Grundlage begangener Taten begründet wird, fehlt bei der administrativen Haft jegliche “Tat”. Menschen die administrativ gesichert werden, befinden sich lediglich im falschen Umfeld, sind befreundet mit den falschen Menschen, gehen in die falschen Moscheen, haben angeblich zu radikales Gedankengut etc, und stehen dadurch in Verdacht eventuell einen Anschlag vorzubereiten. In Australien geht mensch mit der vorbeugenden Haft besonders weit. Nach dem Ende Oktober vorgeschlagenen neuen Anti - Terrorgesetz ist diese Form der Inhaftierung geheim, also ohne das die Angehörigen oder Anwälte darüber informiert werden. In vielen australischen Zeitungen konnte mensch vergleiche mit den Praktiken der Junta in Argentinien oder Chile lesen. Viele linke Gruppierungen und Bürgerrechtsgruppen befürchten zu Recht, das eine geheime, unbegrenzte Haft zur Folter benutzt werden wird. In Deutschland hat zuletzt Beckstein von der CSU über eine sog. Sicherungshaft für “islamische Terroristen” diskutiert. Dass der “Krieg gegen Terror” nur die offizielle Begründung für den allgemeinen Ausbau des Repressionsapparates ist, sieht mensch z.B. in Großbritannien. Dort war eine der ersten Gruppen, gegen die die neuen Antiterrorgesetze eingesetzt wurden, “Animal Liberation” . Ihnen wurden Demonstrationen vor den Tierversuchslaboren und vor den Häusern und Wohnungen der in diesen Laboren arbeitenden Leute verboten. Als unerlaubte Ansammlung genügen dabei schon drei Menschen. In den USA werden die Antiterrorgesetze zurzeit auch dazu benutzt, innerhalb der Knäste die Gefangenenorganisationen und -gewerkschaften zu zerstören. So wird gegen eine Verbindung verschiedener Knastgangs in Kalifornien wegen angeblichen geplanten Anschlägen ermittelt, wobei als Beweismaterial unter anderem herhalten muss, dass zwei der Männer Moslems sind. Auch gegen die MPLU, eine Gewerkschaft von Insassen der Knäste in Missouri, ermittelt das FBI mit den neuen Gesetzen. Und in Deutschland sind es neben moslemischen Menschen in erster Linie linke Gruppierungen, bei denen die neuen erweiterten Befugnisse fürs Abhören, Überwachen usw. angewandt werden, in Potsdam, Frankfurt/ Oder, ... und vielen anderen Städten.

Aber...

Schlussendlich kann man feststellen, dass die Gefahr in den Knast zukommen stetig steigt. Die Wahrscheinlichkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden oder auch präventiv eingesperrt zu werden, ist in Europa während der letzten 10 Jahren rasant gestiegen. Kriminalität wird nicht mehr in einem gesellschaftlichen Kontext betrachtet, sondern als individuelles Versagen und “fehlendes Unrechtsbewusstsein” gesehen. Es entwickelt sich mehr und mehr ein Disziplinierungswahn, der bis in die Bereiche des Privatlebens eingreift, die Antwort auf so genanntes nichtkonformes Verhalten besteht dabei in Sanktionen und Repression. Als Beispiel sei hier das Gesetz gegen “antisoziales Verhalten” in Großbritannien genannt. In diesem Jahr wurde eine Frau zu 20 Tagen Knast verurteilt, weil sie trotz mehrfacher Aufforderung ihren Rasen nicht mähte. Eine andere Frau musste drei Wochenenden im Knast verbringen, weil ihr Kind nicht regelmäßig die Schule besuchte. Auch das Pinkeln von Brücken steht unter Strafe, Trunkenheit in der Öffentlichkeit und das Herumlungern an öffentlichen Plätzen wie z.B. Gehwege. Tragisch dabei ist vor allem, dass der Staat auf die Mitarbeit seiner Bürgerinnen bauen kann. Es scheint keinen nennenswerten Widerstand gegen diese, unter dem Motto Sicherheit, laufende Normierungskampagne zu geben. Auch die “radikale Linke” ist still. Trotzdem oder gerade deswegen, ist es wichtig die Leute, die von Repression betroffen sind zu unterstützen und es wird wichtiger denn je den Knast und andere Zwangsanstalten zu kritisieren und zu bekämpfen.

Deswegen kommt alle zur Knastdemo am 31.12.05 um den Gefangenen im Knast Moabit unsere Solidarität zu zeigen. Weg mit allen Zwangsanstalten! Für eine Gesellschaft ohne Knäste!

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