Recht und Willkür ...

... liegen enger beieinander, als mancheR hierzulande glauben mag.

Ein besonders augenfälliger Beleg für diese These ist das derzeit laufende
Revisionsverfahren gegen Daniel W. Gelang es im Hauptverfahren nicht, die
drei Magdeburger Daniel, Marco und Carsten wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung“ zu verurteilen – letzterer musste gar mangels Beweisen freigesprochen werden -, versucht der zuständige Richter Braun nun offensichtlich, durch „schöpferische Auslegung“ der Vorschriften, die Strafen zu verschärfen.

Die im ersten Verfahren Mitangeklagten, Marco und Carsten, wurden wegen Aussageverweigerung in Beugehaft genommen (DA berichtete). Diese sogenannte „Erzwingungshaft“ kann für die Dauer des Verfahrens bzw. max. 6 Monate verhängt werden. Braun hat in den letzten Monaten immer wieder das ursprünglich nur bis Juni angesetzte Verfahren künstlich verlängert, in dem er die Verhandlungen oft schon nach Minuten aussetzte und in den Folgemonat vertagte. So kam es, dass bei einer Verfahrensdauer von inzwischen 6 Monaten insgesamt nur ca. 11 Stunden verhandelt wurde. Die bisherigen Verhandlungen wären rein rechnerisch vermutlich in 2 – 3 Prozesstagen zu erledigen gewesen. Carsten wurde nun nach fast 5. Monaten am 2. November aus der Beugehaft entlassen , Marco hat, die in solchen Fällen maximal mögliche Haftdauer von 6 Monate abgesessen und wurde am 25. Oktober aus der JVA Halle entlassen und "erwartet" die Haftstrafe des über ihn gefällten Urteil“. Durch die Stattgabe eines Antrags der Anwälte wird seine bevorstehende Haftstrafe bis in den Februar ausgesetzt, da er laut Gesetz das Recht in Anspruch nehmen kann, seine Ausbildung vor Haftantritt abzuschliessen. Beim jüngsten Verhandlungstag am 4. Oktober kündigte Braun an, die Beweisaufnahme am 1. November schließen und die Zwangsmaßnahmen gegen Carsten und Marco beenden zu wollen - was auch eintraf, wohl bemerkt: Marcos Beugehaft endete ohnehin bereits am 26. Oktober. Jedoch waren an diesem Tag deutlich mehr ProzessbeobachterInnen im Gerichtssaal, unter ihnen der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele. Dadurch liess sich Braun offensichtlich jedoch nicht von seiner auch gegen geltendes Recht verstossenden Vorgehensweise abbringen. Der Prozesstag selbst verstrich wieder einmal in weniger als 10 Minuten, nachdem festgestellt wurde, dass der vorgeladene Zeuge – der sich bereits etliche Tage zuvor krank gemeldet hatte – nicht erschienen war. Auch hätte am selben Tage die Beweisaufnahme abgeschlossen werden können, was auch die Freilassung der Beugehäftlinge bedeutet hätte – und von Braun offensichtlich nicht gewollt war. Auf der Pressekonferenz im Anschluß an die Verhandlung erklärte Ströbele, daß ihm „sämtliches Verständnis für das Vorgehen des Richters“ fehle, das Vorgehen des Gerichtes verstoße gegen die Menschenrechtskonvention. Fraglich ist aber, ob die durch seine Anwesenheit erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien noch positive Folgen für die Gefangenen haben wird.

Proteste und Solidarität
Am 28. August und am 9. Oktober mobilisierten verschiedene Gruppen und
Organisationen vor die Mauern der JVA Halle, um sich mit den Gefangenen zu solidarisieren und das Vorgehen der Justiz anzuprangern. In verschiedenen Redebeiträgen wurde die Solidarität zu Marco und Carsten ausgedrückt und die anderen Häftlinge über Standpunkte und Anliegen der Demonstrierenden informiert. Bei der letzten Knastkundgebung waren auch „Geigerzähler“ aus Berlin und der Rapper Albino mit von der Partie – um den Gefangen mit einem kleinen „Liveact“ ihre Solidarität auszudrücken. Am 15.9. hatte eine „UnterstützerInnengruppe für die politischen
Magdeburger Gefangenen“ das Bürgerbüro von Ströbele besetzt und dieses
einen Tag später nach dessen Zusage, sich selbst ein Bild von den kritisierten Vorgängen beim Verfahren zu machen, nach einer Pressekonferenz wieder verlassen. Ein Solidaritätsschreiben des Gegeninformationsbüro wurde inzwischen von weit über 300 Personen und Organisationen unterzeichnet, darunter 17 Ortsgruppen der FAU. Viele leisteten moralische und finanzielle Unterstützung, ohne die die laufenden Kosten der Gefangenen, wie z.B. Miete für die Wohnung, finanzielle Unterstützung im Knast, Strafbefehle, Anwaltskosten etc. kaum finanzierbar wäre. Dafür ein Dank an alle!

(FAU Magdeburg)

Die Gefangenen brauchen weiter unsere Unterstützung – nach der Beugehaft
sind die Kosten für dieselbe in Höhe von 20,- Euro pro Tag von diesen zu
bezahlen (!). Spenden können auf das Konto der FAU, Kto-Nr. 961 522 01,
BLZ 200 100 20, Postbank Hamburg, Kennwort: „Beugehaft“ überwiesen werden.

Artikel der FAU Magdeburg aus der aktuellen DA Nr. 172