Der Knast ist ein soziales Kampfterrain

Interview mit Carsten und Marco, die derzeit in der JVA Halle in Beugehaft sitzen.

Im Revisionsverfahren gegen Daniel zeichnet sich eine massive Verschleppungstaktik ab. Nachdem Carsten und Marco wegen Aussageverweigerung im April bzw. Juni in Beugehaft genommen wurden, scheint der zuständige Richter Braun nun gewillt zu sein, die max. mögliche Zeitdauer für Beugehaft von 6 Monaten voll auszuschöpfen. Der ursprünglich bis Anfang bis Juni datierte Prozess soll mittlerweile bis in den November hinein gehen. Verhandlungstage von wenigen Minuten sind keine Seltenheit, monatlich wird jeweils nur ein Prozesstag angesetzt.

Wir haben mit Carsten und Marco ein Interview über ihre derzeitige Situation geführt.

Warum habt ihr euch – zusammen mit anderen- entschieden, keine Aussagen im aktuellen Revisionsverfahren gegen Daniel zu machen?

Die Entscheidungen in diesem Verfahren keine Aussagen machen zu wollen, setzten sich aus persönlichen und politischen Überlegungen zusammen. Wir hatten vorher viel darüber gesprochen und versucht mit unserer Aussageverweigerungserklärung alldem Rechnung zu tragen. Die Erklärung war von uns auch ein Versuch, dem Verfahren offensiv und kollektiv entgegenzutreten. Das hat auch teilweise recht gut funktioniert, so dass jetzt an Stelle von 11 ZeugInnen, die ihre Aussage verweigerten, „nur“ zwei in Beugehaft befinden. Die Aussageverweigerungserklärung kann mensch unter www.soligruppe.de nachlesen.

Habt ihr damit gerechnet, dass Richter Braun scheinbar wirklich vorhat, die maximal mögliche Haftdauer von einem halben Jahr auszuschöpfen?

Gerechnet hatten wir auf keinen Fall damit, aber wir hatten die Möglichkeit mit einkalkuliert. Die Gesetzeslage ermöglicht nun einmal sechs Monate.
Anfangs war der Prozeß ja auch nur bis Ende Juni terminiert. Dann hieß es Anfang August und nun hat es das Gericht geschafft, durch Schiebetermine, d.h. immer zwei bis drei Wochen Pause zwischen den einzelnen Prozeßterminen, den Prozeß bis zum 1. November rauszuzögern. Dabei finden innerhalb von 3 Monaten gerade mal 4 Termine statt. Was uns das Gericht signalisieren will, ist klar und mittlerweile gehen wir beide davon aus, die 6 Monate komplett abzusitzen.

Gibt es rechtliche Möglichkeiten sich dagegen zu wehren?

Wir schreiben momentan ein Stückweit Rechtsgeschichte, z.B. dient der § 129a immer noch als Klammer für die 4 Brandanschläge, ohne das nach § 129 a verurteilt und die angebliche terroristische Vereinigung näher charakterisiert wird. Dann gibt es seitens des Gerichts eine massive Prozessverschleppung und auch die Beugehaft dürfte juristisch mehr als fragwürdig sein. Die ganzen Folgen, die sich daraus ergeben, dürften sich auch negativ auf kommende Prozesse auswirken. Wir haben gegen die Beugehaft Beschwerde beim BGH eingelegt, welche aber mit einer fadenscheinigen Begründung abgelehnt wurde. Mensch hatte den Eindruck, dass sich der Senat am BGH nicht im Geringsten mit den Argumentationen unserer Anwälte auseinandergesetzt hat. Nun läuft noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht, aber dort steht eine Entscheidung noch aus.

Denkt ihr, dass es einen Trend zur Verschärfung der Repression gibt?

Dass es eine Verschärfung der Repression gibt, kann mensch gerade im Knast feststellen. Die Knäste sind fast ausnahmslos gefüllt mit Angehörigen der untersten sozialen Schichten. Viele von ihnen können sich keinen anständigen Anwalt leisten, haben keinen festen Wohnsitz usw. zumal ja die Repressionsschraube auch im Klassenkampf von oben ständig angezogen wird. Du triffst Gefangene, die wegen Schwarzfahren oder dem Diebstahl von ´nem Glas Würstchen und einem Toastbrot einsitzen.
Objektiv sitzen sie wegen ihrer sozialen Herkunft. Dies gilt umso mehr für Migranten, ihr Gefangenenanteil resultiert direkt aus einer rassistischen Sozialpolitik gegenüber Flüchtlingen. Sie sind das unterste soziale Klassensegment und haben oft keine andere Wahl, als Geld im informellen Sektor zu erarbeiten. Dazu kommt, dass viele von ihnen „illegal“ hier sind und zusätzlich von der rassistischen bundesdeutschen Abschiebemaschinerie bedroht sind.
Aber auch gegen die Linke nimmt die Repression zu. So wird gerade in Potsdam ein Prozeß unter der abenteuerlichen Konstruktion eines „versuchten Mordes“ gegen dortige AntifaschistInnen vorbereitet.
Auch die hohen Urteile rund um die 1.Mai-Prozesse und das § 129-Verfahren gegen den Widerstand in Hamburg zeigen, dass ein rauerer Wind weht.
Vergessen darf mensch aber auch nicht, dass das Repressionsniveau gegen die migrantische Linke schon länger sehr hoch ist. Zum Beispiel türkische und kurdische Linke sind hier einer permanenten Verfolgung ausgesetzt und bilden die Mehrheit der politischen Gefangenen in Deutschland. Aktuelles Beispiel für ihren Widerstand ist der Hungerstreik von Cemal Karalaslan in der JVA Nürnberg. Er wehrt sich mit diesem Hungerstreik gegen seine geplante Abschiebung in die Türkei (siehe „GefangenenInfo“ Nr. 301).

Könnt ihr kurz den Tagesablauf und eure Situation schildern?

Gegen 7.00 Uhr startet hier der Tag mit dem Wecken. Um 7.15 Uhr wird dann das Frühstück ausgeteilt und ca. 11.30 Uhr gibt es dann das Mittagessen.
Ab 13.30 Uhr kann mensch auf Umschluß (zusammenschließen von max. 3 Gefangenen auf eine Zelle) hoffen. Das hängt davon ab, ob die Zelle pünktlich geöffnet wird. Meist passiert es aber 30 – 45 Minuten später. Zwischen 16.00 – 17.00 Uhr ist dann die Freistunde. Anschließend wird die Post verteilt und um 18.00 Uhr ist Rückschluß. Kurz danach wird das Abendbrot ausgeteilt und damit ist hier Feierabend.
Wir haben dann noch die Möglichkeit 2mal die Woche zu duschen, zu telefonieren und an der Sportgruppe teilzunehmen. Alle 14 Tage hat mensch hier Einkauf und einmal im Monat darf mensch für eine Stunde Besuch von draußen erhalten.

Wie ist euer Verhältnis zu den anderen Häftlingen?

Wir liegen ja auf der Transportstation, daher ist hier ein ständiges kommen und gehen. Dadurch fällt es oft schwer, Kontakte zu knüpfen. Da wo es aber geht, läuft es auch und meistens sind es die Migranten, mit denen wir dann mehr zu tun haben.

Seit eurer Inhaftierung hat es einige Soliaktionen gegeben. Wie schätzt ihr die bisherige Unterstützung ein?

Über das Verfahren wurde ja, auch dank der Soliarbeit, zumindest in den linken Medien berichtet und auch die Aussageverweigerungserklärung wurde mehrfach veröffentlicht. Wir hoffen, dass dadurch Diskussionen um das Thema Repression und Widerstand gegen Repression angeschoben wurden. Auch die bundesweite Demonstration am 18.06. in Magdeburg ist ein Erfolg der Soliarbeit. Es wurde gezeigt, dass wir mit unserer Aussageverweigerung und den Konsequenzen nicht alleine gelassen werden. Wir haben uns auch über die zahlreichen Kundgebungen vor dem Knast gefreut.

Welche Erfahrungen haltet ihr für wichtig – welche gebt ihr weiter?

Knast ist nicht das Ende, das Leben geht auch innerhalb der Mauern weiter und der Kampf sollte es auch. Dazu ist es nötig, dass die Gefangenen Teil der Bewegung draußen bleiben. Unsere Strukturen müssen Wege finden, um dies zu gewährleisten.
Zum anderen finden wir es wichtig, dass die Linke ihr Verhältnis zur Justiz klärt. Es sind seit Jahren meist die selben Soligruppen, die sich mit der Thematik Knast auseinandersetzen (wir möchten an dieser Stelle die Soligruppe MD, die Anti-Knast-Gruppe Dresden, die Soligruppe Aachen, die „Kreuzberger“, die „Friedrichshainer“, die B5 und Tayad ganz herzlich grüßen). Es ist aber auch wichtig, diese Thematik wieder intensiver aufzugreifen. Knast ist ein soziales Kampfterrain, genauso wie die Betriebe und der Stadtteil.
Es gibt kaum einen Ort, an dem die Menschen der untersten sozialen Schicht so konzentriert sind, wie hier drin. Auch die Probleme und damit unsere Ansatzpunkte sind enorm: Zwangsarbeit zu absoluten Niedriglöhnen, überteuerte Preise beim Einkauf, katastrophale Unterbringungen, drastische Einsparungen in der gesundheitsversorgung usw.
Aber genau wie draußen muß auch hier drinnen die Vereinzelung durchbrochen werden. Das sind Probleme, denen wir uns als sozial-revolutionäre Linke stellen müssen.

Wollt ihr abschließend noch etwas loswerden?

Ja, wir wollen ganz herzlich unsere Familien, FreundInnen und GenossInnen grüßen. Viel Kraft und Liebe wünschen wir auch Bart, Jose und Gabriel, welche gerade ihren Prozeß in Aachen haben, Thomas Meyer-Falk, der in Bruchsal einsitzt, Christian, der auf seine Verhandlung in Berlin wartet und allen, die wir vergessen haben.


Und natürlich fordern wir noch mal:
„Freispruch für Daniel!“