Zu viele Köche verderben den Brei

Anlässlich des 60. Jahrestages der Bombardierungen zahlreicher deutscher Städte und speziell der Zerstörung Magdeburgs planten Neonazis, Kameradschaft "Festungsstadt" und NPD am 15. Januar einen Aufmarsch durch Magdeburg.
Mit diesem und kommenden Aufmärschen versucht die organisierte Naziszene ihre Propaganda an die Leute zu bringen, deutsche Kriegsschuld und den Holocaust zu leugnen. Nach Magdeburg wurde neben der Naziprominenz T.S.Wulff, F.Thegedorf, J. Rieger und P. Naumann etwa 700 - 1000 Neonazis mobilisiert, die ab 11 Uhr den Magdeburger Domplatz füllten. Dieser "Aufmarsch" sollte der Auftakt der organisierten Neonaziszene und des rechten Wahlbündnisses aus NPD und DVU für das Jahr 2005 werden.

Das antifaschistische Aktionsbündnis Magdeburg, bestehend aus Konterbande, Arbeitskreis Antifaschismus, AntifaJugend und FAU und Einzelpersonen, organisierte - neben dem "Bündnis gegen Rechts", das sich aus Vertretern der Stadt, der Kirche, Gewerkschaften und der Auslandsgesellschaft zusammensetzte, die antifaschistische (Gegen-) Demonstration und andere Gegenaktivitäten in der Innenstadt.

Unter dem Motto "Gegen den deutschen Opfermythos - Geschichtsrevisionismus angreifen" startete die antifaschistische Demonstration mit etwa 1000 TeilnehmerInnen vom Hauptbahnhof Richtung Innenstadt. Bis auf kleinere Zwischenfälle und Schikanen der Polizei gegenüber anreisenden Antifaschistinnen und Antifaschisten, die aufgehalten und kontrolliert wurden, verlief die Demonstration bis zu ihrem Abschluss am Denkmal für die ehemalige Synagoge in der Julius-Bremer-Strasse weitestgehend friedlich und kraftvoll.

Die Stärke der antifaschistischen Demonstration, eine Blockade des Naziaufmarsches durch zahlreiche Antifaschistinnen und Antifaschisten und weitere Störaktionen führten dazu, dass der Aufmarsch der Nazis stark eingeschränkt, umgeleitet und frühzeitig beendet werden musste. So verweilten die Nazis gezwungenermaßen erst 2 Stunden auf dem Domplatz, marschierten dann etwa 30 Minuten und wurden auf der nächst gelegen Kreuzung nochmals für etwa 2 Stunden festgesetzt, da auch diese Strecke durch Antifas blockiert wurde. Der Aufmarsch musste schließlich zum HBf geleitet und aufgelöst werden.

Gerade die vielfältigen dezentralen Aktionen, und hierbei ging es offensichtlich nicht "einfach nur um Randale", das direkte Agieren und Blockieren des Aufmarsch an mehreren Punkten der Naziroute sowie die starke Präsenz von AntifaschistInnen in der Innenstadt, brachten die Nazis und vor allem die Einsatzkräfte aus dem Konzept, so daß der Aufmarsch in dieser unüberschaubaren Situation derart eingeschränkt und beendet werden musste.
Bemerkenswerter Weise war die Beteiligung von Organisationen und Teilen der gesellschaftlichen Mitte in diesem Jahr größer als zuvor. An einer Menschenkette um den Kundgebungsplatz der Nazis beteiligten sich mehrere Hundert Menschen und im Vorfeld waren Vertreter der Stadt um Aufklärung und Gegenaktivitäten bemüht. Auch die städtische Gedenkveranstaltung am 16. Januar auf dem Westfriedhof, an der sich die organisierte Neonaziszene traditionell beteiligt, blieb davon nicht unberührt. Gedenkveranstaltungen zur Bombardierung Magdeburgs, wie wir sie bis dato kannten, sind eher Events, bei den Teile der Anwesenden schon mal ganz offen die Geschichte (Nazi-)Deutschland verdrehen, zivile Opfer der Bombardierungen in den Vordergrund stellen und die Rolle Deutschlnads im Krieg relativieren. Dieses Mal jedoch erlebten die Anwesenden 15 bis 20 Neonazis wahrscheinlich eine noch größere Überraschung, als die Antifaschistinnen und Antifaschisten, als die Organisatoren der Veranstaltung - sicher im Bewußtsein um die erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in diesem Jahr - in der Eröffnungsrede den Anlass dieses Tages weitgehend differenziert erläuterten und die Kriegsschuld Deutschlands, den Holocaust und den Wiederstand gegen das NS- Regime hervorhoben. Eindeutig war auch die Distanzierung von den anwesenden Neonazis, wodurch diesen eine Instrumentalisierung des Ereignisses unmöglich gemacht wurde. Natürlich waren auch Bundeswehrangehörige und andere Leute erschienen, die wahrscheinlich wie eh und je ihrer "Kameraden" gedachten, aber die Redebeiträge und Äußerungen einiger Teilnehmener bezüglich des Missbrauch dieser Veranstaltung durch Neonazis boten kaum Anlass, diese Veranstaltung als total geschichtsverfälschend und neofaschistisch abzutun. Sicherlich ist Kritik an solcherlei Veranstaltungen angebracht und absolut notwendig, dieses Mal jedoch erlebten wir an diesem Tag keinen weiteren traurigen Höhepunkt, wie in den Jahren zuvor, als immer wieder Teile der "gesellschaftlichen Mitte" das Ende des Nationalsozialismus beweinten und sich offen zu einem neuen/alten Nationalismus bekannten.

Alles in allem wurde das Wochenende zu einem herben Reinfall für die Nazis, insbesondere durch die vielen gelungenen direkten Aktionen. Zwar gelang es uns als FAU weniger, eigene Akzente zu setzen - obwohl wir zum Nationalsozialismus und zu dessen Verkehrung durch Faschisten und Geschichtsrevisionisten weit mehr zu sagen hätten. Schließlich war es u.a. die FAUD, der Ursprung der heutigen FAU, die durch das Naziregime völlig zerstört wurde und ihre Mitglieder unter extremen Bedingungen, Verfolgung und Repression zu leiden hatten. Allerdings waren auch Mitglieder der FAU aus anderen Städten in Magdeburg auf der antifaschistischen Demonstration vertreten.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen, die den Weg nach Magdeburg gefunden hatten, bedanken. Ein Dankeschön geht auch an all diejenigen, die auf die Bitte des antifaschistischen Aktionsbündnis' Rücksicht nahmen und Nationalfahnen fern hielten - wir haben mehr zu sagen, als ein Fetzen Stoff irgendeines Staates je sagen kann.

Rebellion gegen Nazischergen, Sozialraub und Kapitalismus!


Naziaufmarsch am 15.1.05 in Magdeburg stören, blockieren, verhindern ...

Naziaufmarsch am 15.1.05 in Magdeburg stören, blockieren, verhindern ...
Aufruf der FAU Magdeburg zu den Gegenaktivitäten

Anlässlich des 60. Jahrestages der Zerstörung Magdeburgs durch alliierte Bomber am 16.01.1945 mobilisieren derzeit bundesweit Neonazis, allen voran die Kameradschaft „Festungsstadt Magdeburg“ zu einem Großaufmarsch, um der „unschuldige Opfer der alliierten Kriegsverbrecher“ zu gedenken. Sie wollen damit ein „Zeichen setzen gegen Mord und Terror der Kriegstreiber des internationalen Großkapitals“ – unter völliger Ausblendung der Tatsache, dass 1939 deutsches Großkapital die internationale Kriegstreiberfraktion anführte und sich heute wieder anschickt „deutsche Interessen“ in der Welt immer unverhohlener wahrzunehmen.
Während die demagogischen Parolen der Nazis nicht neu sind, ist doch der Boden, auf den sie fallen, zunehmend aufnahmebereiter. Nicht eben unschuldig daran ist die aktuelle Medienflut zur Geschichte des „Dritten Reiches“ oder des 2. Weltkriegs. Dabei werden zunehmend Deutsche als Opfer in den Mittelpunkt gestellt und damit die Kriegsverbrechen der Nazis relativiert. Auch Moderatoren und Autoren wie Guido Knopp tragen zur Geschichtsklitterung bei, indem sie Hitler und seiner Führungsclique die alleinige Verantwortung für den 2. Weltkrieg und den Holocaust zuschreiben und so die „verführten Deutschen“ von einer Beteiligung bzw. Verantwortung freisprechen. Zudem wird durch die Entdeckung des „guten Deutschen“, vor allem in den Kreisen um die Attentäter des 20. Juli 44 das Bild zusätzlich verzerrt. So werden am Krieg nicht eben Unschuldige und in Kriegsverbrechen Verstrickte zu Helden des Widerstands stilisiert. Ein Beispiel dafür sind die alljährlichen Tresckow-Ehrungen in Magdeburg, wo Bundeswehr und Stadt einem Kriegsverbrecher huldigen.
Für die Anhängerschaft der neuen politischen Elite aus „Alt68ern“ hingegen wird spätestens seit dem Krieg gegen Jugoslawien die „besondere Verantwortung“ Deutschlands bei der Verhinderung eines „neuen Auschwitz“ (J. Fischer) herbei halluziniert. Diesmal haben – so will man suggerieren – „Islamisten“ die Rolle des Bösen übernommen, die sich der weltweiten Durchsetzung der „Menschenrechte“ entgegenstellen. Auch hier wird „vergessen“, dass es hauptsächlich um den Zugang zu Ressourcen und die Stabilisierung einer zunehmenden krisenbehafteten Wirtschaftsordnung geht, von der nicht zuletzt das deutsche Großkapital profitiert.
Auch wenn auf Seiten der Wirtschaft momentan kein gesteigertes Interesse an einer Stärkung neofaschistischer Parteien existiert, ist man ebenso wenig an einer Zerschlagung solcher Strukturen interessiert. Im Bedarfsfalle will man notfalls darauf zurückgreifen können. Die aktuelle Forcierung von Ausbeutung und die Zerschlagung von sozialen Sicherungssystemen könnte schon in nicht allzu ferner Zeit eine Situation hervorrufen, wo Rechtsextremisten zur Kanalisierung sozialer Proteste wieder gefragt sind. Gerade die Instrumentalisierung der sozialen Frage durch die Nazis stellt in der aktuellen Situation ein nicht zu unterschätzendes Einfallstor für die Verbreitung neonazistischen Gedankenguts dar. Die anhaltende und zunächst von vielen DemonstrantInnen tolerierte Beteiligung von Neonazis an den Montagsdemonstrationen – oder vorher auf den Friedensdemos gegen den Irak-Krieg – ist ein Zeichen für die wachsende Toleranz gegenüber dem neofaschistischen Mob.
Gerade in Magdeburg gab es in den vergangen Jahren zahlreiche neonazistische Übergriffe. Trauriger Höhepunkt sind der Tod von Thorsten Lamprecht 1992, die Himmelfahrtskrawalle von 1994 und der Tod von Frank Böttcher im Jahr 1997. Wirksame Gegenstrategien von Seiten der Stadt gab es keine. Auch als die DVU 1998 mit fast 13% der Stimmen in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzog, hat die Politiker nicht ernsthaft beunruhigt. Im Gegenteil: Vor allem in jüngster Zeit ist man auf kommunaler Ebene erneut bemüht, das „braune Image“ los zu werden. So versuchte die „Magdeburger Volkstimme“ im August diesen Jahres die Himmelfahrtskrawalle klein zur reden, indem sie einen halbseitigen Artikel unter dem Motto „Das vergessene Himmelfahrts-Opfer“ veröffentlichte, in dessen Mittelpunkt wieder ein deutsches Opfer dieses Tages stand.
Mit dem Aufmarsch am 15.1.2005 wollen die Nazis an diese Tendenzen anknüpfen und ihren Einfluss ausbauen. Die bundesweite Mobilisierung, die jüngsten Wahlerfolge der NPD sowie der bestehende Schulterschluss zwischen NPD und den freien Kameradschaften, Redner am 15. Januar wie Jürgen Rieger, Thomas "Steiner" Wulff, Ralph Tegethoff und Frank Rennicke, deuten daraufhin, dass der Aufmarsch am 15. Januar der Auftakt der organisierten Naziszene für das Jahr 2005 bildet und größer sein wird, als in den vergangenen Jahren.
Wir rufen daher dazu auf, dem Aufmarsch am 15. Januar in Magdeburg offensiv entgegentreten.
Faschisten nicht in Ruhe lassen!
Deutschen Opfermythos & Geschichtsrevisionismus angreifen!
Aufruhr gegen Nazischergen, Sozialraub und Kapitalismus!
www.nazis-stoppen.de.vu