Vorsicht, Kamera!

Auf der letzten Magdeburger Montagsdemo im November, bei der laut Polizeiangaben eine Menschenmasse von 170 Leute aufmarschierte, hatte eine Teilnehmerin ein Erlebnis, das wir euch nicht vorenthalten wollen.

Scheinbar sind unsere OrdnungshüterInnnen nicht sonderlich ausgelastet oder aber sie verfügen über ein für BeamtInnen nicht eben alltägliches Maß an Phantasie, das sie unter den überwiegend braven Protest-BuergerInnen ein staatszersetzendes Gespenst erkennen lässt. Es kann aber auch sein, daß die Staatsmacht uns wieder einmal voraus ist und wir vor einem revolutionären Aufschwung stehen, von dem wir noch gar nichts ahnen und auf den wir so noch nicht vorbereitet sind (Daher an diese Stelle sicherheitshalber die Bitte an unsere lieben Mitbürgerinnen und -bürger: informiert uns rechtzeitig, wann es losgeht!). Möglicherweise aber sympathisieren unsere Freunde & Helferinnen mit dem Anliegen der Montagsdemos und wollen nur nicht erkannt werden, wenn sie sozusagen Hobby und Beruf unzulässig verquicken, wenn sie während der Dienstzeit ihren Privatinteressen nachgehen. Fragen über Fragen, die uns noch einige Zeit beschäftigen werden. Aber lest selbst:

Auf der Demo vom 29.11., die insgesamt eine recht lahme und von Parteiengeklüngel geprägte Veranstaltung war, hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art. Wie immer habe ich fotografierend die Demo begleitet und versucht, Eindrücke einzufangen. Plötzlich fing man mich. Ein paar Beamte baten mich, zur Identitätsfeststellung mitzukommen. Ich sah dafür keinen Anlass und wollte wissen, warum das nötig sei. Man erklärte mir, ich hätte Fotos von zivilen Einsatzkräften gemacht und deswegen müsse ich mitkommen. Kurzerhand packten mich zwei Polizisten unter den Armen und zerrten mich in Richtung Polizeitransporter. Dort musste ich dann meinen Personalausweis vorlegen ("sonst durchsuchen wir sie!") und man erklärte mir, dass "Herr Gerlach bereits genug Passfotos habe und keine weiteren bräuchte." Man stellte mir zur Wahl, entweder die Fotos zu löschen oder die Kamera würde "sicher gestellt". Auch hier könne man mich wieder durchsuchen, eine Beamtin sei ja auch da. Fotos zu löschen ist nicht mein Ding, außer sie sind verdammt schlecht, und so entschieden wir uns für die Sicherstellung des gefährlichen Bildträgers. Gern wollte ich auch was Schriftliches haben und der damit verbundene Aufwand an Schreiberei war so ziemlich das einzige Highlight an der ganzen Aktion. Irgendwann hielt ich also eine Niederschrift zur Sicherstellung in der Hand und las darauf folgenden Grund: 'Verhinderung der Enttarnung ziviler Einsatzkräfte/Veröffentlichung. Es besteht der Verdacht, dass Portraitaufnahmen von Beamten in Zivil gemacht worden, Aufnahmen gespeichert sind.' Nötig sei die Sicherstellung aus Gründen der 'Gefahrenabwehr' und weg ist die Kamera. Die bekomme ich natürlich zurück, irgendwann. Und wenn man noch Fragen hat, wird man diese auch stellen, im Gespräch, schlimmstenfalls. Übergeben wird meine Kamera samt Inhalt dem FK 4, Staatsschutz. Was sie da soll, weiß ich nicht. Enttarnt haben sich die zivilen Beamten ja selbst, wenn sie solch einen Wind um ihre Tarnung machen. Wenn der Verdacht auf Veröffentlichung allerdings ausreicht, mutmaßlich gemachte Fotos sicher zustellen, dann habe ich da ein gewaltiges Kompetenzproblem. Und wenn dann noch dem Fotografierenden zum Vorwurf gemacht wird, zivile Beamte als solche nicht erkennen zu können, um an Ihnen wohlwollend vorbei zu knipsen, dann glaube ich, dass die Staatssicherheit über einen größeren Handlungsspielraum verfügt, als ich ihr zugestehen wollte.

Ein netter unscheinbarer Herr fragte mich nebenbei, ob ich über die Körperverletzung am 01.11. in der Nähe des Karstadt etwas wüsste ("das ist ein großes Ding!"). Ich antworte wahrheitsgemäß: "Ich war es nicht!" und wollte endlich gehen. Jetzt habe ich eine Menge zum Nachdenken und ich ärgere mich. Vor allem darüber, dass jetzt dem Staatsschutz meine Kinder in der Badewanne, beim Spielen und beim Zähneputzen vorliegen. Die Fotos der "zivilen Einsatzkräfte" sind nämlich alle nüscht geworden.