Agenda 2010 macht mobil ...

... doch nicht wie von den Verantwortlichen erwartet.


Bundesweit gingen am 9.8. mehr als 40.000 Menschen auf die Straße, um gegen die Umstrukturierungsmaßnahmen, Agenda 2010 und Hartz IV zu demonstrieren. An der dritten Montagsdemonstration in Magdeburg beteiligten sich ca. 12.000 Mensche, um ihren Unmut auf die Straße zu tragen. Gegenüber letzter Woche verdoppelte sich damit die TeilnehmerInnenzahl. Viele Demonstranten brachten selbst gemalte Schilder und Transparente mit. Die Demonstration war bunt durchmischt, ein Querschnitt durch die Bevölkerung.

Wieder einmal versuchten Neonazis, durch ihre Präsenz und das Verteilen ihrer Propagandaschriften die Demonstration für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und Einfluß auf die Proteste zu auszuüben. Diesmal jedoch nicht so erfolgreich wie am vergangenen Montag. Zu Beginn wurde der Block der Neonazis, durch das Auftreten der AntifaschistInnen blockiert, von der Polizei abgeschirmt und dadurch von der Demonstration isoliert. Dennoch gelang es den Neonazis, die augenscheinlich guten Kontakt zur Polizei unterhielten, sich am Ende der Demonstration einzureihen. Zu verdanken war das nicht zuletzt dem Veranstalter, Andreas Erholdt, der sich zwar verbal von den "Faschisten" distanzierte, aber trotzdem nicht von seiner Möglichkeit als Veranstalter, die Nazis der Veranstaltung zu verweisen, Gebrauch machte und den Neonazis somit Platz auf der Demonstration einräumte. AntifaschistInnen gelang es, den Neonazis das Transparent zu entreißen und sie von der Abschlußkundgebung fern zu halten. Woraufhin die Neonazis mit Provokationen und tätlichen Angriffen reagierten. Nach einer kurzen Auseinandersetzung verließen die Neonazis den Ort des Geschehens.


Insgesamt wuchs seit vergangener Woche eine ablehnende Haltung unter den DemonstrantInnen gegenüber den Faschisten, was teilweise auf zahlreiche Presseberichte und Meinungsspiegel zurück zu führen ist. Verschiedene Transparente, wie "Grenzenlose Solidarität statt beschränkter Nationalismus" oder "Solidarität mit Flüchtlingen, MigrantInnen und sozial Schwachen" machten dies deutlich. Auch internationalistische Sprechchöre waren zu hören.


Während der Demonstration wurden über 5000 Flugblätter verteilt (siehe Kasten), die in Zusammenarbeit von FAU und Konterbande entstanden sind und unseren Standpunkt zum Sozialabbau und den Protesten vermittelten. Außerdem waren wir noch mit einem Transparent der FAU-MD vor Ort (Das auf dem Foto ist zwar nicht von uns - aber beinahe noch schöner ;-). Wir werden auch in Zukunft diese Proteste weiterhin begleiten.


Das Ende der Gemütlichkeit

Gegen Sozialabbau - gegen nationalistische Hetzer

Viele, auch von denen, die auf der Montagsdemo letzte Woche dabei waren, werden es gar nicht mitbekommen haben: Sie sind - ob sie es wollten, oder nicht - hinter über fünfzig Neonazis hinterhermarschiert, die sich dreist zu Demobeginn an die Spitze des Demonstrationszuges gesetzt hatten. Unauffällig gekleidet und mit auf den ersten Blick unverdächtigen Parolen versuchen sie, ihre menschenverachtenden Ideologien zu verbreiten.
Dabei ist es die selbe Logik, der neoliberale Politiker, Wirtschaftsbosse und Neonazis folgen. Der einzige Unterschied liegt darin, daß es den einen egal ist, welche Nationalität ihre Opfer haben, während die anderen "Armut nur für Ausländer" fordern. Der Stärkere im immer härter werdenden Wettlauf um die "knappen Ressourcen" soll überleben - auch auf die Gefahr hin, dass wie vor 60 Jahren wieder "alles in Scherben fällt".
Gemeinsam ist ihnen, daß beide für ein System stehen, das auf der Ausbeutung der Mehrheit der Menschen durch eine Minderheit beruht.
Der massive Sozialabbau, der derzeit vorangetrieben wird, ist jedoch kein auf Deutschland oder Europa beschränktes Phänomen. Er ist Bestandteil einer weltweiten Offensive der Großkonzerne und ihrer Regierungen, die Löhne zu drücken und damit die andauernde Krise in den Griff zu bekommen. Die Lohnabhängigen der einzelnen Länder werden gegeneinander ausgespielt, damit kein effektiver Widerstand gegen die globale Umverteilung von unten nach oben aufkommt. Uns werden die Bilder vom Elend auf dieser Welt in den Medien nicht zuletzt aus der Absicht immer wieder vorgeführt, um die versteckte Drohung zu transportieren, uns könnte es genauso ergehen, wenn wir uns nicht den Forderungen der "Wirtschaft" beugen. Letztlich können wir uns dem nur erfolgreich widersetzen, wenn wir länderübergreifend solidarisch gegen ein solches System kämpfen, das immer offensichtlicher nicht mehr in der Lage ist, dem Großteil der Menschheit eine lebenswerte Zukunft zu bieten. Der Kapitalismus ist ein weltumspannendes System - national beschränkte Versuche, der Globalisierung der Konzerne etwas entgegenzusetzen, sind zum Scheitern verurteilt.
Nazis wollen die Kürzungen und Demütigungen durch die Herrschenden nicht in ihrer Ursache bekämpfen, sondern diese nur auf andere - sei es Ausländer, Juden, Andersdenkende - abwälzen, wo es doch darauf ankommt, sich den Mächtigen entgegenzustellen. Auf einer ähnlichen Schiene befinden sich Politikansätze, die durch die Errichtung neuer Mauern das Elend ausserhalb der westlichen Welt zu halten versuchen. Erst die massive Ausplünderung breiter Bevölkerungsschichten gibt nationalistischen Ideologen die Möglichkeit, ihr Süppchen zu kochen. Wohin das führt, wurde in Deutschland in der Vergangenheit schon einmal deutlich vor Augen geführt. Die Nationalsozialisten profitieren vom Unmut der Bevölkerung und mißbrauchen ihn für ihre Zwecke. Aber man braucht zeitlich gar nicht so weit zurück gehen - die zahlreichen ethnischen Säuberungen in Ex-Jugoslawien sind eine deutliche Warnung.
Wenn wir jetzt nicht entschieden den Anfängen solcher Entwicklungstendenzen auch hierzulande entgegentreten, werden wir in absehbarer Zeit ähnliche Entwicklungen auch in Deutschland erleben.
Uns erscheint es nicht nur aus moralischen Gründen geboten, sich konsequent auf die Seite der Schwachen zu stellen - egal, ob innerhalb dieses Landes oder international. Der weltweite Wettbewerb um die besten Standortbedingungen kennt von vornherein nur einen Sieger: die Unternehmer. Wenn wir uns auf einen Kampf zu ihren Bedingungen einlassen, werden sie immer wieder die Möglichkeiten haben, mit Abwanderung in Regionen zu drohen, wo die Löhne und Sozialleistungen schlechter sind als hier. Wirklich wirksamer Widerstand kann nur entwickelt werden, wenn er von den Betroffenen gemeinsam - weltweit - geführt wird.
Und auch in Deutschland wird immer wieder versucht, die von den Kürzungen unterschiedlich Betroffenen gegeneinander auszuspielen. Die Hetze gegen Arbeitslose, die angeblich überhaupt nicht arbeiten wollen, soll diejenigen, die noch das durchaus zweifelhafte Privileg haben, "Arbeitsplatzbesitzer" zu sein, auf die Seite der Herrschenden treiben. Wenn heute die Leistungen für Arbeitslose gekürzt oder gestrichen werden, dann dient das nicht zuletzt dazu, die (noch) Arbeitenden einzuschüchtern, damit diese immer länger und für immer weniger Geld arbeiten sollen. Schließlich ist die Situation in vielen Betrieben heute schon fast unerträglich. Leistungshetze, permanente "Umstrukturierungen" und "Flexibilisierungen" dürfte schon so manchen Zweifel bei den davon Betroffenen aufkommen lassen, wie "privilegiert" sie eigentlich sind.
Dabei sind durch die enorm gestiegene Produktiviät heute alle Voraussetzungen gegeben, daß alle Menschen auf diesem Globus ein Leben ohne Elend und sinnlose Verschwendung von Leben(szeit) und Ressourcen führen könnten. Wir halten es für an der Zeit, unabhängig von etablierten Parteien und Gewerkschaften solidarische Netzwerke der Selbsthilfe und des Widerstandes gegen die Herrschenden weltweit aufzubauen. Das klingt erstmal viel ferner, als es eigentlich ist. Auch Anfang '89 hat kaum jemand geahnt, daß ein Jahr später eine die scheinbar festgefügte Herrschaft der Stalinisten hinweggefegt sein würde.
Die Montagsdemos könnten wieder ein Schritt in ähnliche Richtung werden.

Konterbande & FAU