|
Gegen Sozialabbau - gegen nationalistische Hetzer
Viele, auch von denen, die auf der Montagsdemo letzte Woche dabei waren, werden
es gar nicht mitbekommen haben: Sie sind - ob sie es wollten, oder nicht - hinter
über fünfzig Neonazis hinterhermarschiert, die sich dreist zu Demobeginn
an die Spitze des Demonstrationszuges gesetzt hatten. Unauffällig gekleidet
und mit auf den ersten Blick unverdächtigen Parolen versuchen sie, ihre
menschenverachtenden Ideologien zu verbreiten.
Dabei ist es die selbe Logik, der neoliberale Politiker, Wirtschaftsbosse und
Neonazis folgen. Der einzige Unterschied liegt darin, daß es den einen
egal ist, welche Nationalität ihre Opfer haben, während die anderen
"Armut nur für Ausländer" fordern. Der Stärkere im
immer härter werdenden Wettlauf um die "knappen Ressourcen" soll
überleben - auch auf die Gefahr hin, dass wie vor 60 Jahren wieder "alles
in Scherben fällt".
Gemeinsam ist ihnen, daß beide für ein System stehen, das auf der
Ausbeutung der Mehrheit der Menschen durch eine Minderheit beruht.
Der massive Sozialabbau, der derzeit vorangetrieben wird, ist jedoch kein auf
Deutschland oder Europa beschränktes Phänomen. Er ist Bestandteil
einer weltweiten Offensive der Großkonzerne und ihrer Regierungen, die
Löhne zu drücken und damit die andauernde Krise in den Griff zu bekommen.
Die Lohnabhängigen der einzelnen Länder werden gegeneinander ausgespielt,
damit kein effektiver Widerstand gegen die globale Umverteilung von unten nach
oben aufkommt. Uns werden die Bilder vom Elend auf dieser Welt in den Medien
nicht zuletzt aus der Absicht immer wieder vorgeführt, um die versteckte
Drohung zu transportieren, uns könnte es genauso ergehen, wenn wir uns
nicht den Forderungen der "Wirtschaft" beugen. Letztlich können
wir uns dem nur erfolgreich widersetzen, wenn wir länderübergreifend
solidarisch gegen ein solches System kämpfen, das immer offensichtlicher
nicht mehr in der Lage ist, dem Großteil der Menschheit eine lebenswerte
Zukunft zu bieten. Der Kapitalismus ist ein weltumspannendes System - national
beschränkte Versuche, der Globalisierung der Konzerne etwas entgegenzusetzen,
sind zum Scheitern verurteilt.
Nazis wollen die Kürzungen und Demütigungen durch die Herrschenden
nicht in ihrer Ursache bekämpfen, sondern diese nur auf andere - sei es
Ausländer, Juden, Andersdenkende - abwälzen, wo es doch darauf ankommt,
sich den Mächtigen entgegenzustellen. Auf einer ähnlichen Schiene
befinden sich Politikansätze, die durch die Errichtung neuer Mauern das
Elend ausserhalb der westlichen Welt zu halten versuchen. Erst die massive Ausplünderung
breiter Bevölkerungsschichten gibt nationalistischen Ideologen die Möglichkeit,
ihr Süppchen zu kochen. Wohin das führt, wurde in Deutschland in der
Vergangenheit schon einmal deutlich vor Augen geführt. Die Nationalsozialisten
profitieren vom Unmut der Bevölkerung und mißbrauchen ihn für
ihre Zwecke. Aber man braucht zeitlich gar nicht so weit zurück gehen -
die zahlreichen ethnischen Säuberungen in Ex-Jugoslawien sind eine deutliche
Warnung.
Wenn wir jetzt nicht entschieden den Anfängen solcher Entwicklungstendenzen
auch hierzulande entgegentreten, werden wir in absehbarer Zeit ähnliche
Entwicklungen auch in Deutschland erleben.
Uns erscheint es nicht nur aus moralischen Gründen geboten, sich konsequent
auf die Seite der Schwachen zu stellen - egal, ob innerhalb dieses Landes oder
international. Der weltweite Wettbewerb um die besten Standortbedingungen kennt
von vornherein nur einen Sieger: die Unternehmer. Wenn wir uns auf einen Kampf
zu ihren Bedingungen einlassen, werden sie immer wieder die Möglichkeiten
haben, mit Abwanderung in Regionen zu drohen, wo die Löhne und Sozialleistungen
schlechter sind als hier. Wirklich wirksamer Widerstand kann nur entwickelt
werden, wenn er von den Betroffenen gemeinsam - weltweit - geführt wird.
Und auch in Deutschland wird immer wieder versucht, die von den Kürzungen
unterschiedlich Betroffenen gegeneinander auszuspielen. Die Hetze gegen Arbeitslose,
die angeblich überhaupt nicht arbeiten wollen, soll diejenigen, die noch
das durchaus zweifelhafte Privileg haben, "Arbeitsplatzbesitzer" zu
sein, auf die Seite der Herrschenden treiben. Wenn heute die Leistungen für
Arbeitslose gekürzt oder gestrichen werden, dann dient das nicht zuletzt
dazu, die (noch) Arbeitenden einzuschüchtern, damit diese immer länger
und für immer weniger Geld arbeiten sollen. Schließlich ist die Situation
in vielen Betrieben heute schon fast unerträglich. Leistungshetze, permanente
"Umstrukturierungen" und "Flexibilisierungen" dürfte
schon so manchen Zweifel bei den davon Betroffenen aufkommen lassen, wie "privilegiert"
sie eigentlich sind.
Dabei sind durch die enorm gestiegene Produktiviät heute alle Voraussetzungen
gegeben, daß alle Menschen auf diesem Globus ein Leben ohne Elend und
sinnlose Verschwendung von Leben(szeit) und Ressourcen führen könnten.
Wir halten es für an der Zeit, unabhängig von etablierten Parteien
und Gewerkschaften solidarische Netzwerke der Selbsthilfe und des Widerstandes
gegen die Herrschenden weltweit aufzubauen. Das klingt erstmal viel ferner,
als es eigentlich ist. Auch Anfang '89 hat kaum jemand geahnt, daß ein
Jahr später eine die scheinbar festgefügte Herrschaft der Stalinisten
hinweggefegt sein würde.
Die Montagsdemos könnten wieder ein Schritt in ähnliche Richtung werden.
Konterbande & FAU
|