Stimme erheben, statt abgeben!

In Magdeburg feierten am Wahlsonntag die NichtwählerInnen
Da die ewigen VerliererInnen mit ihren vermeintlichen Wahlsieg-Parties nicht alleine gelassen werden sollten, hatten am Wahlsonntag, dem 13.6., die Konterbande, Antifa-Jugend und FAU Magdeburg zu einer eigenen Party eingeladen.

Im Magdeburger Zentrum feierten insgesamt knapp hundert wirkliche Wahlsieger – diejenigen nämlich, die sich die Mühe erspart haben, sich zum Wahllokal zu begeben oder aber dort ein ganz großes Kreuz gemacht haben.
Neben diversen Transpis, einem Büchertisch und Musik vom Band gab’s noch einen Auftritt von Paul, dem Geigerzähler aus Berlin. Als bekannt wurde, dass in Magdeburg gerade mal gut ein Drittel der Wahlberechtigten von ihrem „Recht“ Gebrauch gemacht haben, ihre Henker selbst zu wählen, wurde dann standesgemäß mit Sekt auf den Sieg angestoßen.

In Magdeburg beteiligten sich nur rund 35% - weit weniger als im Landes- (42%) bzw. Bundesdurchschnitt (43%) – an den Europa- bzw. Kommunalwahlen. Damit aber nicht genug: von den abgegebenen Stimmen waren noch einmal jeweils rund 6% ungültig (bundesweit: 2,8%). Nun könnte man meinen, die Sachsen-Anhalter sind überdurchschnittlich doof und haben einfach noch nicht gecheckt, wie eine echte Wahl praktisch funktioniert. In einem durchaus bemerkenswerten Artikel („Tausende Magdeburger strichen alles durch“) in der „Magdeburger Volksstimme“ vom 19.6. wird dazu Vizewahlleiter Ley zitiert: „Es ist zu unterscheiden, ob jemand aus Versehen oder mit Absicht seine Stimme ungültig gemacht hat. Bei den weitaus meisten ungültigen Zetteln war Absicht erkennbar.

Zum Teil wurde sogar ein erheblicher Aufwand betrieben. So haben einige sich sogar die Mühe gemacht und jeden Kandidaten bzw. alle Parteien einzeln durchgestrichen. Ley hob auch hervor, dass zwar ein anhaltender Trend zu niedrigeren Wahlbeteiligungen schon seit längerer Zeit zu verzeichnen sei, ein derartig hoher Anteil an absichtlich ungültig gemachten Stimmzetteln jedoch ein neues Phänomen sei.

Gemeinsamer Aufruf von Konterbande, Antifa-Jugend und FAU

Wir wählen Selbstbestimmung, und was wählst du?

Am Wahlsonntag gibt es viele Alternativen ...

... z.B. können wir endlich wieder mal ausschlafen, ausgiebig frühstücken und anschliessend mit unseren FreundInnen zur Party gehen: zur NichtwählerInnen-Wahlsieg-Party am „Alex“. Und wer Lust hat, kann natürlich auch zwischendurch schnell mal im Wahlbüro vorbeischauen, und über den Wahlzettel ein grosses Kreuz machen.

Letztlich ist es egal, ob wir zur Wahl gehen oder nicht oder welche Partei wir wählen. Die Parteien allesamt versuchen, möglichst viele WählerInnen zu werben und versprechen alles besser machen zu wollen, als die amtierende Regierung und die anderen Parteien. Mittlerweile dürfte offensichtlich sein, dass es völlig egal ist, welche Partei bei der Wahl gewinnt. Es geht den Regierenden – gleich welcher Coleur – einzig und allein darum, die Interessen von Kapitalverbänden durchzusetzen und die eigenen Pfründe zu sichern. Auch PolitikerInnen, die ehrlich an der Erfüllung ihrer Wahlversprechen interessiert sind, werden durch sogenannte „Sachzwänge“, d.h. durch die Erpressung seitens der Unternehmer, woanders zu investieren, dazu gebracht, sich den herrschenden Spielregeln zu unterwerfen.

Wahlen haben die Aufgabe uns vorzugaukeln, wir würden selbst mitentscheiden können. Letztlich dienen sie aber nur dazu, dem herrschenden System die nötige Legitimation zu geben. Es soll verschleiert werden, dass wir wirklich wichtige Dinge nicht mitentscheiden können. Zwar werden Entscheidungen öffentlich in den Parlamenten getroffen, aber selten so, wie zuvor versprochen. Und was zur Entscheidung steht, wird meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den wirklich Mächtigen, d.h. vor allem den Unternehmerverbänden, vorgegeben.

Durch das Prinzip, die Wahrnehmung der eigenen Interessen an eine Schicht von Stellvertretern, den sogenannten Volksvertretern, zu übertragen, werden die WählerInnen faktisch entmündigt. Eine an der Macht befindliche Minderheit kontrolliert die Mehrheit der Menschen und sähe es am liebsten, wenn wir uns aus der politischen Gestaltung unserer Gesellschaft raushalten und uns mit nichts mehr befassen würden, ausser Steuern zu zahlen und Entscheidungen anderen überlassen.

Wahlen bieten uns keine Alternativen. Wir wurden nie gefragt, ob wir ein solches, angeblich demokratisches System überhaupt wollen. Regierungen fällen Entscheidungen über unseren Köpfen hinweg, an deren Folgen wir wir alle zu knabbern haben. Aktuell wird uns das besonders drastisch vorexerziert – wir sollen künftig unter immer schlechteren Bedingungen länger und für immer weniger Geld arbeiten und müssen für das, was wir zum Leben benötigen immer mehr bezahlen.

Damit wir unseren Frust und unsere Wut nicht an den Verantwortlichen auslassen, wird der weitverbreitete Frust gegen andere kanalisiert: kriminelle Ausländer, Sozialschmarotzer, Schwarzarbeiter, Chaoten (und mitunter auch ein paar schwarze Schafe unter den sonst so fähigen und fürsorglichen PolitikerInnen und Managern). An denen oder einfach an der Ehefrau zuhause kann man viel gefahrloser – für sich selbst und die Mächtigen – Dampf ablassen.

Selbstorganisation statt Stellvertretung!
Solange wir uns auf die Spielregeln der Herrschenden einlassen, wird sich nichts ändern – zumindest nicht zum Besseren. Nur wenn wir uns selber – unabhängig von den Parteien, Gewerkschaften oder sonstigen etablierten Verbänden – organisieren, können wirkliche Alternativen entstehen. Sich in Basisgruppen oder Netzwerken zusammenzuschliessen bietet die Möglichkeit einer freiheitlichen Entscheidungsfindung, die die Kreativität, Verantwortung und das Selbstbewusstsein der Menschen zu fördert. Sicher ist es ein weiter Weg bis zu einer neuen Gesellschaft – an uns ist es, hier und heute einen Anfang zu wagen, der möglicherweise mal in eine Alternative mündet, die nicht nur die Herrschenden auswechselt, sondern Herrschaft, strukturelle Hierarchien und Diskriminierungen – gleich welcher Art – nicht mehr kennt.

Als kleinen Anfang möchten wir am Wahlsonntag gemeinsam mit Euch – als Alternative zu den zu erwartenden Feiern der vermeintlichen Wahlsieger – auf den Sieg der tatsächlichen Gewinner bei der Kommunalwahl am 13.6. anstossen: die NichtwählerInnen. In diesem Sinne: Prost Wahlzeit!

Wir haben keine andere Wahl: Die Stimme erheben statt abgeben!