Solidarität statt Ausgrenzung

Aufruf der FAU Erfurt/Jena zum 1. Mai nach Plauen

Wir rufen zum 1. Mai dazu auf sich der geplanten Busfahrt von Jena nach Plauen anzuschließen. In Plauen wollen die Neonazis und Protofaschisten der Partei „III. Weg“ ihre Ideen vom „völkischen Sozialismus“ auf die Straße bringen – wir wollen das verhindern und zuvor mit vielen anderen autonomen linken Gruppierungen und Bündnissen aus der ganzen BRD die soziale Frage thematisieren. Wir werden den libertär-gewerkschaftlicher Block der FAU Dresden auf der ab 9 Uhr beginnenden Demo unterstützen! Beachtet die Informationen zur Anreise am Ende des Aufrufes.

Es folgen einige Auszüge aus dem Aufruf unserer Genoss_innen der FAU Dresden, sowie einige Einschätzungen aus Thüringen.

Mit diesem Aufruf wollen wir verschiedenste Aktionen der libertären Basisgewerkschaften rund um den 1. Mai bewerben. Einen libertären Frühling können wir dabei wahrlich gebrauchen. Von verschiedensten Seiten liegen mittlerweile viele gute Analysen über den aktuellen Rechtsruck und die Großangriffe auf die soziale Sicherheit der Lohnabhängigen in Deutschland und Europa vor. Die Linke müsse wieder in die Initiative kommen, heißt es allerorten. Immer mehr Gruppen und Autor_innen stimmen außerdem zu, dass eine radikale Linke die verschiedenen sozialen Kämpfe zusammen denken und wieder an die Bedürfnisse der breiten Masse der Lohnabhängigen anknüpfen muss. Wie dies zu geschehen hat, wird dagegen i. d. R. äußerst vage skizziert.
Diese Konzeptlosigkeit spielt rechtsradikalen Akteur_innen von AfD über Pegida bis hin zum „III. Weg“ in die Hände. Mit mehr oder minder revolutionärer und antiparlamentarischer Rhetorik punkten sie bei jenen, die zurecht davon überzeugt sind, dass sie von CDU bis Linkspartei keine Perspektive auf ein gutes Leben zu erwarten haben.

Dass diese rechte Rhetorik greift, obwohl oft im wesentlichen Grundsatzpapiere der sächsischen CDU wiederholt werden, dass Erwerbslose und Prekarisierte in Massen die AfD wählen, obwohl diese klipp und klar ankündigt, diesen zugunsten der Eliten und Unternehmen in den Hintern zu treten, zeigt, dass in Selbstverständnis und Bildungsanspruch der Lohnabhängigen ebenfalls äußerst viel schief liegt.

Die großen Fragen lauten daher: Wie verorten wir uns eigentlich als radikal linke Lohnabhängige? Hört unsere Einstellung beim Eintritt in den Betrieb, in die Uni, ins Jobcenter auf? Inwieweit helfen wir unseren Kolleg_innen mit unseren Strukturen im Alltag, um ihnen eine Idee von inklusiver Solidarität und praktische Anknüpfungspunkte für ein besseres Leben aufzuzeigen? Wie etablieren wir ein neues, kritisches Klassenbewusstsein, das den Anspruch beinhaltet sich zu bilden und sich nicht verarschen, für nationale Projekte oder die parlamentarische Märchenstunde einspannen zu lassen? Und welchen Organisationsformen bedarf es, um wieder ins Gespräch zu kommen und gleichzeitig die politische Wirkmächtigkeit zu erhöhen, v. a. wenn wir uns nicht wieder dem parlamentarischen Wahnsinn anbiedern wollen?
Die Region Ost der FAU gibt hier ein wenig Hoffnung, in Jena, Chemnitz, Erfurt, Halle, Potsdam, Berlin, Leipzig und Dresden kämpfen wachsende FAU-Syndikate für mehr soziale Gerechtigkeit im Alltag und eine libertäre Gesellschaft.

Wir denken nicht, dass Demos die Welt verändern, wir denken aber, dass Demonstrationen ihre Berechtigung als Platz für Meinungsaustausch, Diskussion und die Darstellung von Positionen haben. In diesem Sinne laden wir euch ein, mit uns auf die Straße zu gehen!

Erster Mai

Gelegenheiten, sich Neonazis in den Weg zu stellen, bieten sich aktuell leider jede Woche. Die Demonstration des „III. Wegs“ schmeckt besonders bitter durch ihre Verweise auf den Nationalsozialismus der 20er Jahre in Deutschland. So wird ein „völkischer Sozialismus“ vertreten. Auch wird Plauen als eine der frühesten Hochburgen der NSDAP in Sachsen und als Hauptwirkungsfeld des späteren NS-Gauleiters Martin Mutschmann von Neonazis als Mythos und Speerspitzenstadt gesehen.

Mit Blick auf das aktuell bedrohliche Anwachsen rechtsradikaler Strömungen können wir festhalten, dass die beiden wirksamsten Versuche, den Faschismus in Europa aufzuhalten, historisch der Generalstreik gegen den Kapp-Putsch 1920 und die libertäre Revolution 1936 in Spanien waren. In beiden Fällen waren anarchosyndikalistische Kräfte maßgeblich beteiligt. In beiden Fällen riskierten hunderttausende Leib und Leben um die Faschist_innen aufzuhalten. In beiden Fällen waren es die ökonomischen Aktionen, d.h. Streik, Kollektivierung von unten, Güterumverteilung nach den Bedürfnissen der Bevölkerung, die ein maßgebliches Rückgrat der Bewegung bildeten. Auch wenn historische Vergleiche immer hinken, ein paar Erkenntnisse können wir meistens doch aus ihnen gewinnen. So z. B., dass die Menschen Kopf und Kragen nicht einfach für die Verteidigung parlamentarischer Demokratien und sozialer Marktwirtschaft riskierten. Es war der Ausblick auf eine Revolution, auf eine Selbstverwaltung und einen sozialen Anarchismus, der die Menschen veranlasste alles zu wagen. Und es waren autoritäre Sozialist_innen, also Sozialdemokrat_innen, die Freunde der „Diktatur des Proletariats“, Stalinist_innen usw. die das revolutionäre Projekt letztlich lieber dem Faschismus opferten, als eine breite Emanzipation der Gesellschaft zuzulassen.

Würde es heute anders kommen? Unwahrscheinlich. Am System einer parlamentarischen Linken hat sich wenig geändert. Die ideologischen Verrenkungen, um durch die Neofaschist_innen keine Wähler_innen zu verlieren, erleben wir heute wieder von CDU über SPD und Grüne bis hin zur Linkspartei. Politischen Institutionen, in denen es um Posten und Pöstchen geht, um Privilegien innerhalb der bestehenden Ordnung und um ein Bevormundungsdenken gegenüber der Bevölkerung, werden letztlich immer wieder zu den selben Ergebnissen kommen. Für sie sind die Freunde der Freiheit immer dann die größte Bedrohung, wenn sie ernsthaft die Frage nach den Verhältnissen stellen. Das Gleiche gilt natürlich für die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften.
Am ersten Mai bricht daher besonders symbolisch die Frage danach auf, wie wir als Bewegung libertäre, klar antiparlamentarische Strukturen als gesellschaftliche Alternative selbstverständlich machen und etablieren können. Genauso sehr müssen wir davon abkommen, nur von einer Kampagne zur nächsten zu denken. Ebenso sollten wir uns davon verabschieden, uns zuallererst als Linksradikale und erst nachrangig bis gar nicht als Lohnabhängige zu begreifen.
Wir treffen auf der Straße, in der Nachbarschaft, auf der Arbeit, in der Familie immer wieder Nachbar_innen, Verwandte und Kolleg_innen mit klar rechten Positionen. Diese Positionen sind oft so weit von unserem Verständnis von Gesellschaft und Politik entfernt, dass wir nicht wissen, wie wir reagieren soll. Wichtig ist, sich vor Augen zu halten, dass viele dieser Mitmenschen Solidarität immer nur exklusiv, z. B. in Kleinfamilie oder Clique erlebt haben. Sozialisierungsmomente kollektiven Zusammenhalts die inklusiv sind, fehlen in der Regel, das Bewusstsein unserer Mitmenschen individualisiert sich. Wichtig ist es deshalb, sich die Gemeinsamkeit der Lohnabhängigkeit, ebenso wie z. B. der geschlechtlichen oder rassistischen Unterdrückung bewusst zu machen und auch andere auf diese gemeinsamen Unterprivilegierungen im Alltag hinzuweisen. Neben dieser Bewusstseinsentwicklung der gemeinsamen Lage müssen wir unseren Mitmenschen, wenn auch mit klaren inhaltlichen Positionen, die Möglichkeit geben, auch selbst Akte der gegenseitigen Solidarität zu erleben.

Syrien, deutsche Rüstungsexporte – das ist für die meisten unserer Kolleg_innen ganz weit weg. Was vor der Nase ist, sind die flexiblen Schichtzeiten, die pflegebedürftige Mutter, der niedrige Lohn, die drohende Altersarmut. Wir müssen beides in die Diskussion holen und für die Selbstverteidigung vor Nazis im Kiez ebenso greifbare Konzepte parat haben wie zur Selbstverteidigung vor Jobcenter-Sanktionen. Wir müssen analysieren, aus welchen Klassenfraktionen sich unsere Bewegung zumeist zusammensetzt und welche Hürden uns davon trennen, mit größeren Teilen der Gesellschaft klar emanzipatorische Analysen und soziale Kämpfe zu entwickeln.

Der erste Mai in Plauen ist für uns daher nicht allein Anlass mit Polizei und Neo-Nazis ein wenig Katz und Maus zu spielen. Vielmehr wollen wir das Zusammenkommen zu diesem unerfreulichen Ereignis auch nutzen, um gemeinsam neue Konzepte zu diskutieren und zu schauen, wie wir es schaffen können wieder stärker als radikale Linke Stichwortgeber_innen für gesellschaftliche Diskussionen zu werden.

Und weiter? Für einen libertären Frühling!

Wie schon gesagt, bei einer Mai-Demonstrationen bleibt es lange nicht stehen. Aktuell planen FAU-Syndikate Vorträge in verschiedenen Städten. In Jena sind vom 20.-21. März Libertäre Tage geplant, in Dresden dann vom 5.-12. Juni.

Als FAU Erfurt/Jena sind wir in verschiedenen Zusammenhängen der autonomen Linken vor Ort vertreten. Wir informieren oft über Arbeitsverhältnisse und Rechte im Minijob, sind doch davon oft Studierende betroffen und treiben Löhne in diesem Bereich ein. Leider geht derzeit unsere Wirkkraft nicht weit über die studentische Linke hinaus und auch in dieser müssen wir ehrlich resümieren fehlt es noch an einigen kämpferischen Genoss_innen. Wir versuchen unser Bestes mehr und mehr Leute anzusprechen und so auch handlungsfähiger zu werden. Wir unterstützten (symbolisch) den Streik der GDL und engagieren uns aktiv rund um die Kämpfe der Knastgewerkschaft der GG/BO. Leider werden deren radikale Kämpfe, die in den letzten Monaten schon zu zwei Hungerstreiks in der JVA Butzbach führten, von der autonomen Linken nicht wahrgenommen oder unterstützt. Es gäbe auch noch andere ganz praktische Kampffelder hier vor Ort in Thüringen, wie zum Beispiel die Kämpfe der Refugees und Migrant_innen um bessere Unterkünfte, Versorgungen und schließlich Arbeitsbedingungen und vor allem gegen Abschiebungen. Letzteres ist ein ernstes Thema nachdem auf parlamentarischer Ebene die Bedingungen zum gnadenlosen Abschieben in so genannten sichere Herkunftsländer wie Afghanistan oder auch verschiedene Staaten Ex-Jugoslawiens geschaffen wurden. Da hilft auch keine rot-rot-grüne Landesregierung, im Gegenteil diese verheimlicht mittlerweile die Termine von Abschiebungen, von denen immer wieder Roma* betroffen sind.

Um eine konkrete Utopie vor Augen zu haben halten wir konkret Kontakt zu Schwestergewerkschaften in Spanien, Griechenland, Schweden oder Italien und machten z.B. mehrfach auf die Situation bei der besetzten und selbst verwalteten Fabrik Vio.Me aus Thessaloniki aufmerksam ebenso wie wir die Produkte direkt aus der Fabrik vor Ort vertreiben.
Für die Zukunft könnten wir uns vorstellen ein Netzwerk zur Unterstützung von Streiks zu gründen, die Alltagsbereiche wie Transport, Kinderbetreuung und ähnliches betreffen.
Der Plan wäre, der allgegenwärtigen gesellschaftlichen Spaltung in Betroffene und Streikende, der sozialen Vereinzelung und der Unterordnung wichtiger Kämpfe unter die Alltagsbedürfnisse entgegenzuwirken. Dadurch soll eine wirkungsvolle Solidarisierung entstehen.
Heute sieht sich die Linke mit dem Erstarken von (neu)rechten und reaktionären Kräften gegenübergestellt, deren Bekämpfung im Moment nicht einmal die Gefahr einer gewalttätigen Bedrohung gegen Körper oder Besitz verhindert. Wir werden nicht mitmachen! Schließlich sind die heutigen Gesellschaften an sich reich genug, doch das Eigentums- und Profitinteresse verhindert ein gutes Leben für Alle. Wenn uns erklärt wird, dass unsere Bedürfnisse nicht mit den gesellschaftlichen Verhältnissen vereinbar sind, dann stellen wir diese Verhältnisse in Frage und treten für deren Abschaffung ein. Das ist nicht utopisch, sondern umsetzbar.

Daher solidarisieren wir uns mit den kapitalismuskritischen- und antikapitalistischen sozialen Kämpfen und gegen rassistische Ausgrenzung hier und überall.

Als Fazit zu diesem 1. Mai können wir ebenso wie andere ziehen, dass die Linke in die Offensive kommen sollte und dabei aber auch einen praktischen und positiven Gesellschaftsentwurf anbieten muss. Hin zu einer gerechteren Gesellschaft ist es vielleicht kein Katzensprung, sondern ein Weg, die Schrittgeschwindigkeit bestimmen allerdings wir!

Den ausführlichen Aufruf der FAU Dresden findet ihr hier: http://plauen0105.blogsport.eu/2016/04/05/solidaritaet-statt-ausgrenzung-aufruf-der-fau-dresden-zum-1-mai-in-plauen

Zur Mobilisierung in Jena für den 1. Mai in Plauen:

Mobiveranstaltung zur Vokü am Montag 25.4. ab 20.30 im Haus

Bus von Jena nach Plauen, Abfahrt 7 Uhr Busbahnhof, Karten für 5-10 € erhaltet ihr an folgenden Orten und Zeiten:
Infoladen Jena zur Sprechstunde der FAU, immer Dienstag 18-19 Uhr; Antifa Cafe, immer Freitag ab 15 Uhr
Freiraum Jena (Saalbahnhof Untergeschoss), zum Pekari Solitresen am 21.4. ab 20 Uhr
Kontakt unter: 1maijenabus@riseup.net (pgp key)
Für weitere Infos und Aufrufe: plauen0105.blogsport.eu