Interessante Veranstaltungen in Erfurt und Jena

Die FAU Thüringen empfiehlt

In den kommenden Wochen finden in Erfurt und Jena einige Veranstaltungen zum Thema Anarchismus (im weitesten Sinne) statt, welche wir euch ans Herz legen wollen. Zum einen startet am kommenden Donnerstag eine Veranstaltungs-Reihe mit dem Titel Dissidenten der Arbeiterbewegung organisierte von den Falken Erfurt und den Biko mit einem Vortrag über Johann Most.
Zum anderen hat der anarchistische Lesekreis Jena einige Referent*innen eingeladen, wobei auf den Vortrag Anarchismus in der Postmoderne oder die Utopie des Anarchismus in Zeiten der Postmoderne am 25.5. um 20 Uhr im Erfurter veto hingewiesen sein, welche von der FAU Thüringen mitorganisiert wird.
Eine Übersicht der Veranstaltungen mit Ankündigungstext findet ihr unter mehr.

23.5., [L50] (Lasallestraße 50, Erfurt), 20:00 Uhr - Vortrag von Bernd Löffler (BiKo) und Lukas Holfeld (BiKo): »Ergriffen vom Strudel der Arbeiterbewegung«. Johann Most und sein Verhältnis zu Sozialdemokratie, Marxismus und Anarchismus

Johann Most (1846 - 1906) stieß früh zur revolutionären Arbeiterbewegung, saß für die Sozialdemokratie im Reichstag und für seine Überzeugung in den Knästen Österreichs, Deutschlands, Großbritanniens und der USA. Während der Zeit des Sozialistengesetzes kam es zum offenen Konflikt mit der sozialdemokratischen Parteiführung und Most entwickelte sich zum anarchistischen Agitator. Zeit seines Lebens hat Most eine unermüdliche Energie für den Kampf um politische und soziale Emanzipation der Arbeiter an den Tag gelegt, was ihm gleichermaßen Freunde und Feinde schuf, für ihn oft aber auch bedeutete, auf einem einsamen Posten zu stehen. Im Vortrag soll seine Biografie skizziert und dabei insbesondere ein Fokus auf sein Verhältnis zur Sozialdemokratie und Marxismus sowie seine Stellung innerhalb der anarchistischen Bewegung gelegt werden.

24.5. Uni Jena (Carl-Zeiss-Str. 3, HS9), 20 Uhr - Vortrag von Jürgen Mümken: Keine Macht für Niemand - Versuch einer anarchistischen Aneignung des philosophischen Projektes von Michel Foucault

Der französische Philosoph Michel Foucault (1926-84) gehört zu den wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhundert. In seinen Schriften hat uns Foucault eine vielseitige Werkzeugkiste hinterlassen, die auch für eine Aktualisierung des Anarchismus und der Analyse gegenwärtiger gesellschaftlicher, sozialer und ökonomischer Verhältnisse geeignet sind.
In diesem Vortrag wird es um einige dieser Werkzeuge gehen: Die Analyse der Macht und Herrschaftszustände, Gouvernementalität und das Denken des Staates und seine Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus. Bei all diesen Punkten geht es auch immer um Subjektivität und Kritik der autonomen Subjekts. Dabei kann das Denken von Foucault teilweise auch direkt am Anarchismus angeschlossen werden. So kommt der Anarcho-Sozialist Gustav Landauer mit seinem relationistischen Staatsverständnis dem Denken von Foucault schon sehr nahe. Auch gibt es Überschneidung zwischen Max Stirner und Foucault bei der Kritik des bürgerlichen Subjekts.
Der Vortrag möchte Denkanstösse für eine Auseinandersetzung geben für eine anarchistische Auseinandersetzung mit bestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisses. Es geht nicht um eine Gesamtdarstellung des philosophischen Werkes von Foucault, sondern um den Versuch einer anarchistischen Aneignung.

25.5. veto (Papiermühlenweg 33, Erfurt) 20 Uhr - Vortrag von Jürgen Mümken: Anarchismus in der Postmoderne oder die Utopie der Anarchie in Zeiten des Neoliberalismus

Postmoderne, Globalisierung und Neoliberalismus haben die gesellschaftlichen Realitäten und deren Wahrnehmung verändert. Die subversive Ordnung in der Moderne hat anscheinend in der Postmoderne die Seite gewechselt: „Begriffe wie Autonomie, Selbstorganisation, Dissidenz oder auch Befreiung haben die Fronten gewechselt, und es ist unklar, wo überhaupt die Fronten verlaufen. Fanden der liberale wie der anarchistische Einspruch gegen ‚Regierbarmachung der Gesellschaft und der Individuen’ ihren gemeinsamen Nenner darin, das passive Regiertwerden durch ein aktives Sich-selbst-Regieren ersetzen zu wollen, so verliert dieses Programm in dem Maße seinen Stachel, in dem Freiheit nicht die Antithese von Herrschaft darstellt, sondern den avancierten Modus ihrer Ausübung“ (Ulrich Bröckling). Selbstverwaltung, Selbstbestimmung, und Sich-selbst-Regieren stehen anscheinend nicht mehr im Widerspruch zur neoliberalen Herrschaft, vielmehr scheinen sie zu Technologien des Neoliberalismus geworden zu sein. Was bedeutet diese Umwertung für die Utopie der Anarchie in Zeiten des Neoliberalismus? Die Frage soll beantwortet werden u.a. mit bezug auf dem französischen Philosophen Foucault und seine Analyse des Neoliberalismus. Was nützt die Macht-Analyse von Foucault und die postmoderne Kritik des bürgerlichen Subjekts für die Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft? Diesen Fragen geht Jürgen Mümken nach.

11.6. Frei(t)raum (Carl-Zeiss-Straße 3, Jena, gegenüber des Sturas) 20 Uhr - Vortrag von Annette Schlemm: Die Selbstentfaltungsgesellschaft als konkrete Utopie

"Eine andere Welt ist möglich" wurde zur Losung weltweiter Bewegungen im Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung. Wir stellen die Umrisse einer solchen Welt vor, die den Raum öffnet für die autonome Lebensgestaltung aller Menschen. Dabei steht die menschliche Individualität und ihre Selbstentfaltung auch konzeptionell im Mittelpunkt der Überlegungen. Denn eine mögliche andere Welt erfordert und ermöglicht auch ein anderes Menschsein. Dieses kann aber nicht in einer Erziehungsdiktatur erzwungen werden. Welche Vorstellung vom Mensch-Sein kann uns dabei helfen, die notwendigen Veränderungen zu starten? Der Vortrag stellt hierzu das Konzept der Kritischen Psychologie nach Klaus Holzkamp vor und skizziert seine Bedeutung für das Er-/finden von neuen Lebens- und Wirtschaftsformen.

14.-16.6., Marienstraße 18, Weimar: Wochenendseminar zur Staatskritik

Im Seminar wollen wir uns einen Begriff des modernen Nationalstaats und Aspekte einer gegenwärtigen Staatskritik erarbeiten. Was zeichnet moderne Staatlichkeit aus? Wie hat sie sich historisch herausgebildet? Wo beginnt der Staat, wo hört er auf? In welchem Verhältnis steht der Staat zum Privateigentum und zur Ökonomie überhaupt? Ist der moderne Staat ein Klassenstaat oder steht er über den einzelnen Klassen? In welchem Verhältnis steht der Staat zur Gewalt? Diese Fragen wollen wir diskutieren und in gemeinsamer Lektüre versuchen, sie zu beantworten. Es sind keine Vorkenntnisse nötig, eine Anmeldung zum Seminar ist erwünscht (biko[at]arranca.de).

20.6. Frei(t)raum (Carl-Zeiss-Straße 3, Jena, gegenüber des Sturas) 20 Uhr - Lesung von Jörg Bergstedt: Freie Menschen in freien Vereinbarungen: Theorie der Herrschaftsfreiheit

Wie kann eine herrschaftsfreie Welt aussehen? Diese Frage beschäftigt PhilosophInnen, manch zukunftsorientierten PolitikerInnen oder AktivistInnen, Roman- und Sachbuchschreiberlinge. Doch ein kritischer Blick zeigt meist: Zukunftsdebatten sind eher ein Abklatsch heutiger Bedingungen mit
netteren Menschen in der Führung. "Freie Menschen in freien Vereinbarungen" ist radikal anders: Mit scharfem, analytischen Blick werden die Bedingungen seziert, unter denen Herrschaft entsteht, wie sie wirkt und was sich wie ändern muss, damit Menschen aus ihrem Streben nach einem besseren Leben (Eigennutz) sich nicht nur selbst entfalten, sondern genau dafür die Selbstentfaltung aller Anderen brauchen und deshalb mit herbeiführen. Aus Konkurrenz wird
Kooperation, das Normale weicht der Autonomie.
Der Autor des im Frühjahr 2012 erschienenen Buches "Freie Menschen in freien Vereinbarungen" stellt nach einer Definition von Herrschaft die Frage nach den Formen, in denen Herrschaft auftritt.
Danach umreisst er in über 20 Thesen die Bausteine einer herrschaftsfreien Welt - nicht in Form konkreter Entwürfe, sondern als Art "Prinzipien", was gelten müsste. Es geht um Aspekte, wie
eine herrschaftsfreie Welt organisiert sein müsste und wie der Weg dorthin aussieht. Der Vortrag ist eine Mischung aus kurzen Lesungen, verbindenden Worten und der Möglichkeit zu Nachfragen und Diskussion.

12.7., Weimar (Ort wird noch bekannt gegeben) - Vortrag von Hendrik Wallat: Die orthodoxesten aller Marxisten. Der Rätekommunismus zwischen Bolschewismuskritik und marxistischer Dogmatik

Die Rätekommunisten stellten diejenige Fraktion der marxistischen Arbeiterbewegung, die am konsequentesten mit den politischen Verkehrsformen bürgerlich-kapitalistischer Vergesellschaftung brach und die Leitidee der Arbeiterselbstbefreiung gegen die Parteiapparate der Sozialdemokratie und des Bolschewismus verteidigte. Dies ist ihr historischer Verdienst, den kleinzumachen kein Anlass besteht. Der Kritik an der bolschewistischen Parteidiktatur zum Trotz waren die Rätekommunisten gleichwohl in einer marxistischen Dogmatik befangen, die bisweilen ihres gleichen sucht: Ihr politisches Denken war beherrscht von einer ökonomistischen Geschichtsphilosophie und einer proletarischen Arbeitsontologie. Der Vortrag will zeigen, dass diese Orthodoxie nicht nur die Grenzen rätekommunistischer Bolschewismuskritik markiert und die Blindheit gegenüber der nationalsozialistischen Konterrevolution bedingt, sondern auch die rätekommunistische Konzeption von Emanzipation verengt.

13.7., Marienstraße 18, Weimar (genaue Zeit wird noch bekannt gegeben): Tagesseminar zur linken Bolschewismuskritik

Im Seminar wollen wir gemeinsam mit Hendrik Wallat die Auseinandersetzung mit der linkskommunistischen und rätekommunistischen Kritik am Bolschewismus vertiefen. Insbesondere wollen wir dabei auch in den Blick nehmen, wie der Bolschewismus weltweit ein Bild seiner selbst erzeugen konnte, die einzig legitime Form revolutionärer Arbeiterbewegung darzustellen. Vorkenntnisse sind nicht nötig, eine Anmeldung zum Seminar ist erwünscht (biko[at]arranca.de).