Wir wollen Lohnsklaverei nicht einmal für Deutsche

Aufruf zur Nachttanzdemo am 30.4. in Erfurt und zum 1. Mai

Am Abend des 1. Mai 1886 fand in Chicago auf den Haymarket eine Arbeiterversammlung statt, welche ein mehrtägiger Streik für die Durchsetzung der 40-Stunden-Woche folgte. Am 3. Mai wurden daraufhin bei einer Auseinandersetzung zwischen Arbeiter_innen und der Polizei zwei Arbeiter getötet. Worauf hin bei einer Protestkundgebung am folgenden Tag eine Bombe geworfen wurde, nachdem die Polizei diese Kundgebung stürmte. In Folge dessen starben sieben Polizisten und mehrere Arbeiter wurden verletzt. Bei den darauf folgenden Auseinandersetzungen wurde über 200 Arbeiter_innen verletzt und über 20 verloren ihr Leben.

Acht Anarchisten, welche die Versammlung des 4. Mai organisiert hatten, wurden von der Polizei festgenommen und wegen Verschwörung angeklagt. Obwohl ihnen keine Beteiligung an der Bombenexplosion nachgewiesen werden konnte, wurden vier von ihnen – August Spies, Adolph Fischer, George Engel und Albert Parsons – per Strang hingerichtet, Louis Lingg beging Selbstmord in seiner Zelle und drei weitere – Oscar Neebe, Michael Schwab und Samuel Fielden – wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Auf den Gründungskongress der Zweiten Internationalen 1889 wurde der 1. Mai als Gedenken der Opfer der Haymarket Riots als “Kampftag der Arbeiterbewegung” ausgerufen und im Jahr 1890 das erste Mal weltweit mit Streiks und Demonstrationen begangen. Immer wieder stand dabei die Forderungen nach der 40-Stunden-Woche im Mittelpunkt, also die Forderung nach einer Arbeitszeitreduzierung und nicht der Ruf nach mehr Arbeit wie im lächerlichen Aufruf der Nazis zum diesjährigen ersten Mai.

An diesem Tag wollen die Nazis in Erfurt auf den Straße gehen und ihre Dumpfheit der Öffentlichkeit präsentieren. Ein Vorgeschmack liefert ihr Aufruf, welcher aus zusammen geklauten Phrasen auf Bild Niveau bis hin zum FDP Slogan reicht. Also ob es nicht genug wäre mangelhaftes Wissen über die Geschichte des 1. Mai und ihre vollkommene Unkenntnis über kapitalistische Strukturen und Mechanismen zur Schau zu stellen, unterlaufen sie ebenso ihr eigenes von je her pseudo-revolutionäre Getue. Die Nazis beweisen mal wieder, dass sie angekommen sind im System und nur der konsequenteste Ausdruck der ganzen Menschenverachtung der bürgerliche-kapitalistischen Gesellschaft sind. Aber wenden wir uns dem zu, was die Nazis zur Arbeit zu sagen haben. Folgende Zitate sind ihrem Aufruf entnommen (Stand Januar 2013).

1. “Arbeit für alle Deutschen!”
Schon im ersten Satz wird die Verfangenheit der Nazis im bürgerlichen Denken deutlich. Statt Arbeit als ein notwendiges Übel zu begreifen, welche es möglichst zu reduzieren gilt, ertönt hier der Ruf nach mehr Arbeit. Der Zwang der kapitalistischen Wirtschaftsweise auf den_die doppelt freie_n Lohnarbeiter_in – frei sich zu verkaufen und frei von Produktionsmitteln – wird hier zur Forderung erhoben.

2. “Die menschenverachtende Zeitarbeit muss aufhören und die Lohnsklaverei einschlägiger Firmen muss beendet werden.”
Der richtigen Forderung der Abschaffung der Zeitarbeit, wie beispielsweise in Namibia längst diskutiert, folgt sofort die offensichtliche Unkenntnis der kapitalistischen Zusammenhänge. Während gerade gefordert wurde “Lohnsklaverei für alle Deutschen”, wird jetzt eine besondere Form der Lohnsklaverei / -arbeit, die Zeitarbeit, verworfen. Ohne Frage sind die Bedingungen in der Zeitarbeit noch beschissener als bei “normaler” Lohnarbeit. Aber eine schlechtere Bezahlung, weniger Urlaubstage oder Umgehung der Kündigungsschutz macht noch lange keinen qualitativen Unterschied zu “normaler” Lohnarbeit. Jener Selbstverkauf der eigenen Arbeitskraft, also die Aufgabe der Selbstbestimmung über die eigene Tätigkeit und damit verbunden über seine eigenen Lebenszeit ist polemisch als Lohnsklaverei zu bezeichnen. Die richtige Forderung wäre entsprechend das Ende der Lohnsklaverei und damit des Kapitalismus. Also die Forderung nach einer anderen Gesellschaftsorganisation. Soweit wird hier natürlich nicht gedacht. Sie wollen nur die gleiche Scheiße in braun.

3. “Arbeit muss sich wieder lohnen!”
Scheinbar kommt hier wieder zusammen, was zusammen gehört. Die kameradschaftlichen Nazis bedienen sich beim FDP Wahlkampfslogan von 2009 und mensch fühlt sich fast an die Anfangszeiten der Bundesrepublik erinnert, wo schon einmal ganze Landesverbände der FDP aus Nazis bestanden, damals allerdings noch aus waschechten. Wir begrüßen aber ausdrücklich das hier schon verbal vollzogene Zusammengehen mit der FDP und hoffen auf ein baldiges strukturelles. Dann sind sie endlich auch personell im bürgerlichen System angekommen und können mit den ganzen anderen Sozial-Chauvinist_innen und bürgerlichen Rassist_innen ihren Unsinn verbreiten. Dabei verbleiben sie dann zumindest im Rahmen der bürgerlichen Rechtsstaat.

4. “Genauso müssen Massenentlassungen um den Aktionären zu gefallen, und die Bilanzen zu retten sanktioniert werden.”
Und wieder nichts verstanden. Aktionär_innen gefällt im wesentlichen eine hohe Rendite, wie allen Kapitalist_innen: sprich die positive Differenz zwischen investiertem Kapital und Gewinn am Ende soll möglichst groß sein. Dafür ist dem Kapital in der Regel jedes Mittel recht und nicht nur recht, sondern die kapitalistisch-immanenten Mechanismen zwingen es dazu. Das Kapital, welches nicht möglichst rentabel ist wird im allumfassenden bürgerlichen Konkurrenzkampf den kürzeren ziehen. Es wird von profitableren Kapitalen vom Markt verdrängt und seine Besitzer_innen ins Proletariat absteigen, sprich Lohnsklaven, frei von Produktionsmittel werden. Aber wir wissen bereits, dass dies ja quasi die Forderung der Nazis ist. Daher wohl auch die Ignoranz gegenüber positiven Bilanzen. Es scheint nur konsequent die Unternehmen in den Ruin zu treiben, wie dadurch allerdings Massenentlassungen verhindert werden soll bleibt das Geheimnis der Kamerad_innen.

5. “Es kann nicht angehen, dass man tausende Beschäftigte entlässt, nur um die eigenen Taschen zu füllen, und diese Arbeiten durch Zeitarbeiter machen lassen!”
Mit ein wenig Verstand offenbart sich hier der fundamentale kapitalistische Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit: Ersteres will möglichst wenig Kapital in Lohn investieren, während letztere, also die Lohnsklaven, ihre Haut möglichst teuer auf den Markt verkaufen wollen. Hier wird die wesentliche Spaltung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft deutlich, zwischen jenen die Kontrolle über die Produktionsmittel haben und jenen, denen diese Produktionsmittel fehlen und dadurch gezwungen sind sich auf den Arbeitsmarkt zu verkaufen.
Das ist natürlich zu komplex für die Kamerad_innen, was schon an der unsinnigen Unterscheidung zwischen “Beschäftigten” und “Zeitarbeiter” deutlich wird. Sind letztere etwa keine Beschäftigten? Hier werden nur Kategorie A der Lohnsklaven (Beschäftigte) gegen die Kategorie B (Zeitarbeiter_innen) ausgetauscht. Kapitalistischer Normalvollzug! Ob die Kategorie B dabei aus Zeitarbeiter_innen, migrantischen Arbeitnehmer_innen oder Arbeitnehmer_innen rund um den Globus besteht ist egal. Entsprechend gilt es alle Unterscheidungen innerhalb der Klasse von Lohnarbeiter_innen zu überwinden und sich gemeinsam gegen das kapitalistische System zu Wehr zu setzen. Eine Forderung, welche natürlich zu viel für den deutschen Durchschnittsnazi ist, welcher lieber in seiner bürgerlichen Ideologie verharrt und auf den Unterschied zwischen schwarz, braun, gelb etc. und schweinchenrosa pocht, anstatt zu versuchen die kapitalistischen Mechanismen zu durchschauen und eine wirkliche Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse zu bilden.

Trotz des selten dummen Aufrufs sind Nazis nach wir vor eine Gefahr für alle diejenigen, welche nicht in ihr beschränktes Weltbild passen. Sie sind und bleiben der konsequenteste Ausdruck der bürgerlichen Ideologie und damit die nützliche Idioten für Staat und Kapital. Entsprechend gilt es sich Ihnen den Weg zu stellen fernab bürgerlicher Nestwärme in Menschen- und Lichterketten.
Allerdings für wichtiger erachten wir es, den Nazis den Nährboden, also die bürgerliche Gesellschaft, zu entziehen. Dafür gilt es die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben, zu analysieren, zu verstehen und mit andere Menschen zu diskutieren. Das geht allerdings nicht über irgendwelche breiten “zivilgesellschaftlichen Bündnisse” oder DGB-Einheitsbrei. Vielmehr sollten wir versuchen, abseits davon, für eine andere Gesellschaft zu kämpfen, in der nicht für einen anonymen Markt, sondern in syndikalistischer Selbstverwaltung für die Bedürfnisse der Menschen produziert wird. Deswegen rufen wir zur Beteiligung an der Nachttanzdemo “Lasst’s krachen! Soziale Revolution statt autoritärer Krisenbewältigung!” am 30.04.13 in Erfurt und Aktivitäten am 1. Mai auf!