Artikel aus der "Libertad para todos" (Freiheit für alle)

Wir möchten wieder einen Text aus der Monatszeitschrift Libertad para todos dokumentieren, welche schon in der 4. Ausgabe im April herausgegeben wurde. Diesmal haben wir der derzeitigen Wirtschaftskrise ein paar Zeilen gewidmet und über Zustände im Gastronomiebereich berichtet. Hoffentlich wird dieses alternative Medienprojekt auch in Zukunft Bestand haben. Auf Anfrage über unsere Kontaktadresse können wir euch einige Ausgaben zukommen lassen. Wir werden aber weiterhin unsere Artikel auf dieser Seite zitieren.

Das Grundübel Kapitalismus und seine konkreten Erscheinungsformen

Seit zwei Jahren organisieren sich einige Leute aus Südthüringen in der Freien ArbeiterInnen Union (FAU). Gerade die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt die Notwendigkeit einer Organisation jenseits sozialpartnerschaftlicher und etablierter Gewerkschaften wie dem DGB.

In Zeiten der Krise...

Der strukturell beschränkten Konsumnachfrage und stetig steigenden Überproduktion in den industrialisierten Ländern wurde versucht mit Konsumkrediten entgegen zu wirken. Der Aufschwung auf Pump endet jedoch mit dem Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase und führte zu einer Kettenreaktion, die eines zeigt: Der Kapitalismus unterliegt zyklisch Krisen. Während PolitikerInnen wieder mal einen Sündenbock brauchen (wahlweise "die Spekulanten" oder "die Juden"), sollte festgestellt werden, dass diese Krise nicht durch die "Finanzsphäre" zu verantworten ist; vielmehr ist sie kapitalismusimmanent. Der Kapitalismus basiert nun einmal darauf, dass jede profitorientierte Unternehmung; egal ob Finanzsektor, Baubranche, Automobilindustrie oder wie im unten beschriebenen Beispiel in der Gastronomie; aus Geld mehr Geld erwirtschaften muss. Der Verwertungszwang, dem der Kapitalist unterliegt, steht den Bedürfnissen der Lohnabhängigen entgegen. Ein revolutionärer Klassenkampf zielt deshalb nicht allein auf reale Verbesserungen im Kapitalismus, sondern letztlich auf die Aufhebung des Kapitalverhältnisses und der selbstverwalteten Produktion durch die Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft. Es liegt also an uns, als direkt oder indirekt Lohnabhängigen (ArbeiterInnen, Angestellten, Arbeitslosen, SchülerInnen, Studierenden, RentnerInnen, etc) dem "Klassenkampf von oben" mit der Beschneidung sozialer Rechte eine selbstverwaltete, ökonomische Organisation entgegenzustellen, um eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse zu erreichen.

Mal wieder länger gemacht?

Derzeit ist ein Schwerpunkt unserer Tätigkeiten als Freie ArbeiterInnen Union Südthüringen (FAUST) die Beleuchtung in der Gastronomie, wo sehr lange Arbeitszeiten zu schlechten Konditionen im Speziellen Auszubildende treffen. Im folgenden Text hat ein Mitglied der FAU in Südthüringen folgende Missstände zusammengetragen, die zeigen, wo starker Handlungsbedarf besteht:

Unbezahlte Überstunden sind in der Gastronomie grauer Alltag. Mit Sätzen wie: "Wenn Sie morgen nicht auf Arbeit kommen, können Sie sich Ihre Kündigung abholen!", werden ArbeiterInnen selbst bei Krankheit dazu gezwungen im Unternehmen zu erscheinen, obwohl die Hygiene das oberste Gebot in einem gastronomischen Betrieb sein sollte! Bei so genannten Teilschichten (zum Beispiel von 9.00 Uhr - 14 Uhr und von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr) hat der Lohnsklave so gut wie nichts mehr von seinem Leben, außer natürlich Arbeit. Mit dieser Methode spart der Chef viel Geld, das er normalerweise für mehr Arbeitskräfte ausgeben müsste.
KellnerInnen, die in der Spätschicht ran müssen, schuften meist bis "zum Schluss". Das heißt: arbeiten bis der letzte Gast gegangen ist. Eine besondere Belastung ist es, wenn die KellnerInnen am nächsten morgen eine Frühschicht haben. Auf die "vorgeschriebenen" 12 Stunden Ruhepause kommen sie dann so gut wie nie.
Ein weiteres Problem ist die Verwaltung des Trinkgeldes. In den meisten Fällen wird das Trinkgeld von den Chefs verwaltet und nach Laune an die ArbeiterInnen abgegeben. Lehrlinge kommen dabei oft zu kurz oder bekommen gar kein Trinkgeld. Wie viel sich der Chef vom Trinkgeld einsteckt, weiß dabei wohl keiner der ArbeiterInnen. Es kann nur geschätzt werden! Rein rechtlich handelt es sich dabei um eine Schenkung eines Gastes an den Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber nichts angeht
Außerdem wird den ArbeiterInnen Essensgeld, welches meistens bei ca. 70 € monatlich liegt, vom Lohn abgezogen wird. Das Essensgeld generell ist keine Schikane vom Chef, sondern vom Finanzamt. Aber es ist unzulässig, wenn eine Pauschale (wie eben beschrieben) festgelegt wird. Es muss normalerweise ein Tagessatz (ca. 3 – 4 €) festgelegt werden und die ArbeiterInnen müssten theoretisch auch nur für die Tage bezahlen an denen sie wirklich mitgegessen haben.
Für Lehrlinge ist die Situation in gastronomischen Betrieben besonders schlimm. Sie werden bis zum Umfallen ausgebeutet. Der Lohn gleicht dabei nicht im Geringsten die gearbeiteten Stunden aus. (In allen 3 Lehrjahren liegt er nur zwischen 200€ und 400€ brutto!) Auszubildende müssen meist unentgeltlich Überstunden leisten, da diese nicht bezahlt werden "dürfen". Selbst Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und normalerweise nicht mehr als 8 Stunden arbeiten dürften, müssen sich weitaus länger abrackern. (Dazu kommt nach Belieben des Chefs die Pausenzeit und eventuell noch die Vorbereitungszeit.) Aber zum Glück hat das Gesetz schon für solche Fälle vorgesorgt. Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, dürfen zwar keine Überstunden leisten, aber so genannte "Mehrstunden" arbeiten, was übersetzt unbezahlte Überstunden bedeutet.

Wir - die Freie ArbeiterInnen Union - kämpfen gegen solche Missstände an und zwar nicht nur in der Gastronomie. Branchenübergreifend und in basisdemokratischen Strukturen kämpfen wir für die Befreiung der Klasse der Lohnabhängigen! Wir werden uns nicht länger unterdrücken lassen und gegen den Kapitalismus ankämpfen.