Streiks in Südthüringen

Endlich kommt Schwung in die Provinz. Gleich zwei Arbeitskämpfe im öffentlichen Dienst sorgen innerhalb weniger Wochen für lokales Medieninteresse. Einerseits hofft die Belegschaft bei der Schmalkaldener Stadtreinigung (SSR) auf einen Tarifvertrag. Und erst vor einigen Tagen trat das Orchester mit seinen Forderungen nach tariflicher Gleichbehandlung vor dem Meininger Theater in Erscheinung. Wir wollen den Verlauf dieser Geschehnisse im folgenden Text zusammenfassen und wünschen den Betroffenen maximalen Erfolgen.

Große Ankündigungen von ver.di...

Schon mit dem vorherigen Geschäftsführer Kachel hatte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Manteltarifvertrag so gut wie vereinbart. Doch nachdem der neue Geschäftsführer Frank Schönewolf dieses Versprechen nicht einlöste und den Tarifvertrag eigenmächtig an wichtigen Punkten wie Urlaub und Weihnachtsgeld zu seinen Gunsten änderte, platze den 120 Arbeiter und Arbeiterinnen der Kragen. So kam es am 12. Juni zu einer Demonstration zum Landratsamt in Meiningen mit lautem Müllautokorso. Leider wurde diese Aktion erst am selbigen Tag in der lokalen Presse marginal angekündigt. Dennoch folgte eine ausführlichere Berichterstattung in der die Beschäftigten beklagten, dass sie unter anderem seit 8 Jahren keine Lohnerhöhung erhalten hatten. So sind die Forderungen nach einem höherem Entgelt (bei einem Stundenlohn zwischen ca. 7 Euro und 11 Euro) und sonstigen Vereinbarungen wie Urlaubansprüche und Weihnachtsgeld nur umso verständlicher.
Die zuständige Gewerkschaft ver.di gab sich kämpferisch. So schloss der zuständige ver.di-Verhandlungsführer Rainer Kuhrt noch im Juni einen Streik nicht aus. Den Zahn wollte Kuhrt nach eigener Kampfansage im Freien Wort Geschäftsführer Schönewolf ziehen. Mit einem Warnstreik wollte ver.di dann am 17. September Akzente setzen. In Schmalkalden, Meiningen und Melkers verzögerte sich deshalb auch das Abholen der Tonnen. Solch ein Warnstreik hat aber meist lediglich symbolische Wirkung, da er die Geschäftsleitung nicht wirklich wirtschaftlich unter Druck setzt. In diesem Fall wurde die Arbeitsleistung um einige Stunden verspätet nach geholt.
Doch Geschäftsführer Frank Schönewolf blieb stur und wollte neben den oben erwähnten Änderungen im Tarifvertrag, das Gehalt an den Erfolg der Schmalkaldener Stadtreinigung (SSR) koppeln. Seiner Meinung nach könne er auf die Forderungen nicht voll eingehen, da die Einnahmen eventuell nicht ausreichen würden, obwohl Landrat Luther schon im Juni eine Erhöhung der Müllgebühren zum 01. 01. 2009 angekündigt hatte, um den Erlös an die Lohnabhängigen weitergeben zu lassen.
Anstatt den Druck zu erhöhen, gibt sich ver.di in letzter Zeit ziemlich kleinlaut. So äußerte sich Verhandlungsführer Kuhrt in der Ausgabe vom 25. September, dass Streik nur das allerletzte Mittel wäre. Würde ver.di mal über den großen Teich schauen, könnten sie dort viel lernen, denn die Uniformed Sanitationworkers Association (USA) genießt in New York viel Respekt durch ihre kämpferische Einstellung. Mit hartnäckigen Streiks und auch Straßenblockaden konnten die so genanten Sanitation Workers, (also Angestellte der Behörde für Hygiene) immer wieder ein gutes Einkommen erringen.
Ein kleines Licht scheint am Ende dennoch, da gegen Geschäftsführer Schönewolf zweifach (Untreue und Steuerhinterziehung) Anklage erhoben wurde. Auch wird im Kreistag darüber diskutierte, ob die dubiose Konstellation mit Schönewolf als fünffachen Geschäftsführer (unter anderem bei der Holding Kreiswerke Schmalkalden – Meiningen GmbH und dem Kreiskrankenhaus Schmalkalden gGmbH) noch länger tragbar ist. Ob nun ver.di den Erwartungen der Belegschaft gerecht wird, steht in den Sternen. Wir jedenfalls unterstützen die Forderungen nach mehr Gegenleistungen für die Arbeitskraft der Beschäftigten.

Mit Trompeten und Posaunen...

Auch die Hofkapelle hat vor der Generalprobe am Mittwoch, den 8. Oktober mit einem 30-minütigen Warnstreik in der Lokalpresse von sich reden gemacht. In der Woche vom 6. zum 12. 10. hatte die Deutschen Orchestervereinigung e. V. (DOV) bundesweit zu Aktionen aufgerufen. Dem folgten etwa 50 – 60 Musizierende des Meininger Theaters unterstützt von einigen Passanten und Personen anderer Berufsgruppen.
Die DOV ist sowohl ein Berufsverband als auch eine Gewerkschaft für Berufsmusiker. Wie die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die meisten anderen Berufsgewerkschaften hat auch die DOV ein starkes Druckpotential. Anderes als die GDL kooperiert sie aber noch mit ver.di. Der Protest richtet sich gegen die mögliche Abkoppelung der Orchestermitglieder (als größte Berufssparte beispielsweise im Meininger Theater) vom öffentlichen Dienst und somit einer drohenden Benachteiligung gegenüber anderen Berufen wie SängerInnen, TechnikerInnen oder SchauspielerInnen. Auf einem vor Ort verteilen Flugblatt hieß es weiterhin: „Seit Jahrzehnten haben die Orchestermusiker stets die Gehaltserhöhung bekommen, die auch den Angestellten des öffentlichen Dienstes gewährt wurden. Diese ‚Automatik’ war die Garantie für stabile Verhältnisse in den Orchestern und Opernhäusern. Arbeitskämpfe gab es faktisch nicht.“
Die Tendenz, die diese Auskopplung aufzeigt, wird wahrscheinlich für den öffentlichen Kulturbereich weitreichernde Folgen mit sich ziehen, denn es werden bestimmt weitere Berufsgruppen folgen. Deswegen ist die teilweise vorhanden gewesene Solidarität auch noch mal so wichtig.
Eine weitere Problematik in diesem Gebiet stellt der zunehmende Einsatz von unbezahlten Arbeitskräften dar. Das Meininger Theater ist mit Praktikantinnen in den meisten Abteilung, wie einige der Streikenden dort berichteten, keine Ausnahme. Die angestoßene Kampagne „Keine Arbeit ohne Lohn!“ der FAU Berlin ist dafür ein passender Ansatz.
Am 13.10. sind die Tarifverhandlungen mit dem Deutschen Bühnenverein (DBV - sozusagen der Arbeitgeber) gescheitert. „Damit sind jetzt unangekündigte Vollstreiks mit kompletten Proben- und Vorstellungsausfällen jederzeit bundesweit möglich", sagte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens. Wir unterstützen die hoffentlich erfolgreichen Aktionen der Lohnabhängigen.

Mephisto von der Freien ArbeiterInnen Union Süd-Thüringen (FAUST)