Kommentar: (Un-)Heil durch vorzeitige Beendigung der Arbeitsschutzverordnung

Ein Kommentar zur Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen von Rudolf Mühland - Mitglied des Allgemeinen Syndikats in Düsseldorf (ASyD)

Hintergrund:

Im Jahr 2000 erließ die EU ein Richtlinie zum „Schutz der Arbeitnemer*innen gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit“. In der BRD wurde diese Richtlinie durch die Biostoffverordnung (BioStoffV) umgesetzt. Diese regelt seit ihrer Aktualisierung 2013 unter anderem nach welchen Kriterien Biostoffe in eine von insgesamt vier Risikogruppen eingeteilt werden und welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Leider gilt die BioStoffV weder für alle Arbeitsplätze noch für Schüler*innen/Studiernden usw. (§6 BioStoffV). Stattdessen beschränkt sie sich auf Laboratorien, Anlagen zur Versuchstierhaltung in der Biotechnologie und Einrichtungen des Gesundheitsdienstes.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 (Covid19) wurde 2020 in die zweithöchste Stufe, die Risikogruppe drei eingeteilt. In dieser Risikogruppe befinden sich unter anderem auch das Denge-Virus, das Gelbfieber-Virus, das Hepatitis-C-Virus, die Viren der „Spanischen“ und „Asiatischen“ Grippe.

Die Einstufung in die Risikogruppen, zieht dann auch Verhaltensregeln und Arbeitsschutzmaßnahmen nach sich. Für die Biostoffe der Risikogruppe drei bedeutet dies unter anderem:

  • Zugang/Umgang mit diesen Biostoffen nur für fachkundige, extra geschulte und zuverlässige Arbeiter*innen und auch nur mit Zugangkontrolle
  • Die Biostoffe müssen unter Verschluss gehalten werden
  • Bei Stoffen die über die Luft übertragen werden können
    • Müssen die Labore baulich abgetrennt sein
    • Sie müssen abdichtbar sein (für eine mögliche Begasung zur Dekontamination)
    • Die Abluft muss gefiltert werden
    • Zugang nur über eine Schleuse
    • Unterdruck im Labor
  • Die Arbeiter*innen müssen persönliche Schutzkleidung tragen, u.a. einen Laborkittel, geschlossene Schuhe, geeignete Schutzhandschuhe, Mund-Nase-Schutz und eine Schutzbrille/Schild
  • Arbeit ggf. nur an den dafür vorgesehnen Sicherheitswerkbänken

Die Bestimmungen der Biostoffverordnung werden in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) konkretisiert. Hier gelten besonders die Bestimmungen der TRBA 100 (Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien) und TRBA 250 (Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege)

 

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV)

Die aktuelle allgemeine ArbSchV ist seit dem 1. Oktober 2022 in kraft und sollte eigentlich bis zum 7. April gelten. Im Vergleich zu den Vorschriften aus der Biostoffverordnung und den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) fallen sie verhältnismäßig harmlos aus. So werden die Bosse in der Hauptsache dazu verpflichtet ein betriebliches Hygienekonzept zu entwerfen, das weit unter den technischen, baulichen und „hygienischen“ Standards der TRBA und BioStoffV zurück fällt.

Trotzdem bot diese Verordnung einige Feigenblätter zum Schutz der Arbeiter*innen. So müssen die Bosse Maßnahmen treffen

  • die uns die Handhygiene ermöglichen. Neben Waschbecken, Seife und (Papier)Handtüchern oder kontaktloser Trocknung meint das vor allem geeignete Desinfektionsmittel.
  • die uns Heimarbeit ermöglichen
  • regelmäßige, kostenlose Tests und
  • Masken, Mund-Nase-Schutz (mindestens medizinische Gesichtsmasken)

Widersprüche

Diese, ohnehin wenigen Maßnahmen zum Schutze unserer Gesundheit, will Hubertus Heil (SPD) nun also schon zum 2. Februar, also gut acht Wochen früher als ohnehin geplant, abschaffen. Jetzt könnte man sagen, das ist doch alles gar nicht so schlimm. „Die Pandemie ist vorbei“ und den Rest, können die „Bürger“ doch „in Freiheit“ selbst entscheiden.

Nun, zum einen bedeutet dies für uns Arbeiter*innen, das wir zukünftig Test, Masken und Desinfektionsmittel aus eigener Tasche bezahlen müssen. Angesichts zahlreicher Jobs im Niedriglohnsektor und einer Inflationsrate die wir seit den 1950er Jahren nicht mehr hatten, dürfte es vielen Kolleg*innen sehr schwer fallen dies zu tun. Viele werden auch wieder gezwungen sein (öfter) im Betrieb oder bei Kund*innen vor Ort zu erscheinen, anstatt von zu Hause aus zu arbeiten. Nicht zu vergessen das damit auch die Regeln zur „Luftqualität“ (also das regelmäßige) und zum Abstand (1,5 Meter) fallen.
Seit März 2020 haben wir viel dazu lernen müssen. Wir wissen nun,

  • das sich das Virus über die Luft verbreitet
  • das es hochansteckend ist
  • das wir uns mehrfach infizieren können
  • das wir auch nach der Infektion noch mit vielen Problemen zu kämpfen haben
    • Post/LongCovid
    • Geschwächtes Immunsystem, also höheres Risiko durch andere Erreger zu erkranken
    • Beeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems

Diesen Risiken werden wir ohne Not wieder verstärkt ausgesetzt. Eigentlich müssten wir nun anfangen für unseren Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu kämpfen. Zumal es neben den in der Verordnung genannten Maßnahmen noch weitere gäbe, wie zum Beispiel:

  • der Einsatz von speziellen UV-Licht-Lampen zum abtöten der Viren
  • der Einsatz von HEPA-Filtern zur Reinigung der Luft

Mit der Kombination von antiviralen UV-Licht-Lampen, HEPA-Filtern, FFP2-Masken und den anderen in der aktuellen Corona-ArbSchV vorgesehenen Maßnahmen könnte der Schutz vor einer Infektion auf der Arbeit deutlich erhöht werden.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF)

Das diese Ideen gar nicht so verkehrt sind, zeigt uns auch das Treffen der Reichen und Mächtigen mit Politiker*innen aus der ganzen Welt das gerade eben erst in Davos stattfand (16-20.01.2023).

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hatte sich im Vorfeld von den den „weltweit führenden Gesundheitsexperten und Virologen“ beraten lassen. Die Ergebniss dieser Beratungen waren:

  • die dringende Empfehlung an die Teilnehmer*innen vollständig und mit den neuesten Impfstoffen geimpft anzureisen
  • Testpflicht für alle Teilnehmer*innen an eigens dafür lizensierten Testzentren und
  • Zutritt zum WEF-Gelände nur mit negativem Test
  • Kostenlose FFP2-Masken für die Teilnehmer*innen sowie Hygienestationen überall auf dem Gelände
  • Reinigung und Desinfizierung der Versammlungsräume mehrmals am Tag
  • Regelmäßiges Belüften der Räume sowie
  • die Bereitstellung hochmoderner Luftfiltersysteme (in den Bereichen in denen lüften nicht effektiv ist)
  • und zu guter letzt waren die Fahrer*innen im vom Forum bereitgestellten offiziellen Transport verpflichtet die ganze Zeit eine FFP2 Maske zu Schutz der Gäste (für diese galt keine Maskenpflicht) zu tragen

Ich meine das sowohl der Kanadische Notfallmediziner Kashif Pirzada recht hat wenn er auf Twitter schreibt: „Die Weltelite des Davoser Forums genießt jeden erdenklichen Schutz vor Covid. Jede Schule, jeder Arbeitsplatz sollte den gleichen Schutz genießen wie die Reichen und Mächtigen.“, als auch die US-Amerikanische Forscherin Virginia Buysse wenn sie anmerkt: „Wir sind die Dritte-Klasse-Passagiere auf der Titanic.“

Quellen:

Bild: Photo Credit: James Gathany Content Providers(s): CDC – Dieses Medium stammt aus der Public Health Image Library (PHIL), mit der Identifikationsnummer #7988 der Centers for Disease Control and Prevention.
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