Selbstverwaltete Betriebe als ‚konstruktiver Sozialismus’

Kollektiv-Genossenschaften als Modell für einen konstruktiven Sozialismus?

Die FAU ist eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaft. Sie organisiert sich nach
basisdemokratischen Prinzipien und strebt die Überwindung des Kapitalismus wie jeder
Form von Herrschaft an. Dies versucht sie zu erreichen durch basisgewerkschaftliche Arbeit
in den Betrieben und Unterstützung spontaner Widerstandsaktionen der Arbeitenden
(Streiks, Besetzungen, Solidaritätsaktionen, etc.). Aber auch im politischen und kulturellen
Feld ist die FAU aktiv. Generell geht es um den Aufbau herrschaftsfreier, selbstbestimmter
Strukturen 'jenseits von Staat und Kapital', wobei der ökonomischen Sphäre eine
besondere Bedeutung zukommt.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Kollektivbetriebe als etwas Besonderes. Sie sind
Versuche, selbstbestimmtere Strukturen innerhalb der kapitalistischen Marktwirtschaft zu
schaffen, Betriebe 'ohne Chef und Hierarchien'. Die FAU als Gewerkschaft nimmt zu ihnen
eine andere Position ein, als zu 'normalen' kapitalistischen Unternehmen. Viele FAU-
Mitglieder würden gerne in einem Kollektivbetrieb arbeiten.
aus: Positionspapier Kollektivbetriebe der FAU Hamburg
Themenabend der FAU Lokalföderation Bielefeld
Genossenschaften – eine vergessene Seite der Arbeiter/-innenbewegung?
am 31. Januar, 19.30 Uhr in der Bürger_innen_wache, R102,Siegfriedplatz, Bielefeld

und

Vortrag von und mit F. Mohrhof (Café Libertad, Hamburg)
am Freitag, 3.Februar, 19.30 Uhr
in der Bürger_innen_wache, R 07, Siegfriedplatz, Bielefeld

Genossenschaften sind historisch gesehen Notwehr- und Selbsthilfe-Organisationen gegen die kapitalistische Ausbeutung der Arbeiterklasse.[1] Sie waren und sind gleichzeitig eine Perspektive für eine bessere, eine sozialistische Gesellschaft. Da die traditionellen Partei-‚Schulen des Sozialismus’ als Kampforganisationen gegen den Kapitalismus längst auf dem Misthaufen der sozialistischen Geschichte gelandet sind, geht es hier um die Frage, ob Kollektiv-Genossenschaften diese Aufgabe heute übernehmen können.
Als Anarchosyndikalist bin ich davon überzeugt, daß eine grundlegende soziale Veränderung nur durch die vollständige Überwindung der kapitalistischen wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgen kann. Für den rein politischen Kampf haben wir keine Zeit, er kostet zu viel Energien, da er die Akteure der Arbeiterklasse vornehmlich auf den parlamentarischen Kampf festlegt und außerparlamentarische direkte Aktionen allein als Hilfsmittel für eine demokratisch-legitimierte Gesellschaftsveränderung ansieht. Da wir eine Überwindung des Kapitalismus wollen, muß dieser an seiner Wurzel zerstört werden und kann nicht durch eine andere Politik im Kapitalismus niedergerungen werden.
Hier ein schönes Karl Marx-Zitat, das auf dieses Thema aufmerksam macht:
„Wir anerkennen die Kooperativbewegung als eine der Triebkräfte zur Umwandlung der gegenwärtigen Gesellschaft, die auf Klassengegensätzen beruht. Ihr großes Verdienst besteht darin, praktisch zu zeigen, daß das bestehende despotische und Armut hervorbringende System der Unterjochung der Arbeit unter das Kapital verdrängt werden kann durch das republikanische und segensreiche System der Assoziation von freien und gleichen Produzenten.“ [2]
Für Marx war die Produktiv-Genossenschaftsbewegung also eine ‚Schule des Sozialismus’, gleichberechtigt neben den Gewerkschaften, die er als „unumgänglich für den täglichen Guerillakrieg zwischen Kapital und Arbeit“ [3] ansah.
Doch in der sozialdemokratisch organisierten Arbeiter~innenbewegung war es üblich, nach kollektiven Beschlüssen über die Ausgabe von Anteilsscheinen z.B. die Gründung einer Tageszeitung, einer Wohnungsbau-, Konsum- oder auch einer genossenschaftlichen Brauerei zu zeichnen. So wurde das Kapital dieser Gründung für die Arbeiterbewegung aufgebracht. Sie planten dabei keine Arbeiterselbstverwaltung, vielmehr übergaben die Arbeiter~innen das gesammelte Geld ihren Partei- oder Gewerkschaftsfunktionären, die damit ihre eigene Stellung in der Hierarchie der Bewegung festigten und ausbauten. Insgesamt funktionierte das in allen Bewegungen der alten Sozialdemokratie: Partei – Genossenschaften – Gewerkschaften – Arbeitersportbewegung.
[1] Robert Owen gilt als Begründer der modernen Genossenschaftsbewegung. 1799 begann er in seiner Baumwollspinnerei in Schottland ein Experiment für menschenwürdigere Arbeits- und Lebensbedingungen. Dadurch entstand die erste eigenständige Arbeiter-Genossenschaft 1844, die von 28 Arbeitern der dortigen Baumwollspinnereien gegründet wurde. Die Rochdale Equitable Pioneers Society war eine Einkaufsgenossenschaft und sollte niedrigere Lebensmittelpreise ermöglichen.
[2] Karl Marx, „Forderungen der IAA“, MEW 16, 195
F.Mohrhof

aus: barrikade #6; weiterlesen: www.anarchosyndikalismus.de.vu/