Obituary for Mahmood Sadaat | Nachruf für Mahmood Sadaat

Mahmood Sadaat was a Comrade, Union and Human Rights activist in Dhaka, Bangla Desh. He died aged 26. An Obituary by Helene, FAU Hamburg

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Sadaat’s arrest in front of an anti-rape Graffiti in Dhaka, 29th September 2020

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„Tell the story, Helene“ – that was the beginning of his last message to me. A few days later, Sadaat Mahmood was dead. Because the society, the government, the capitalist system, the family – because they all made his life simply unbearable.

When I read this message, I didn’t know what „story“ I would end up telling. I was proofreading his letter of motivation for a university application and suggested a change.

Now I’m actually telling his story, but no longer for people who are supposed to evaluate him and decide about him, but for his comrades.

Because even if you did not know him personally, Sadaat Mahmood was one of the most important contacts for us in Bangladesh – for all of us, the FAU and also the ICL (International Confederation of Labour).

Two years ago, when Mo and I collected 20,000€ on behalf of the ICL for our friends of the Garment Workers Trade Union Center – because hundreds of them lost their jobs at the beginning of the Corona pandemic and we wanted to support their protests – he was the one who communicated with us (Mo and Helene of FAU Hamburg) almost daily. As the general secretary of the Bangladesh Students‘ Union – and thus also closely linked to the GWTUC – he translated and organized, made contacts and advised on our behalf in this collaboration.

Sadaat was an important figure in the left scene in Dhaka, the capital of Bangladesh. Always critical in content, always clear on the issue. An activist from the heart who could not rest. He fought in the truest sense of the word. Not only discussing, reading or writing. He organized big protests because he stood up for the class struggle and feminism, showing his teeth to brutal cops on several occasions. He was arrested twice, but always kept going. Although he was under increasing pressure, his university expelled him, with the result that he was no longer accepted at any other university in the country. His father wanted to emigrate with the family, Sadaat wanted to stay and keep on fighting.

Now his strength was exhausted.

Sadaat was a thinker and an activist: In a country where large parts of the political left are dominated by rather authoritarian communism, he stood for anti-authoritarian ideas.

In a country where most stand by Russia’s side, he has asked critical questions and questioned the one-sidedness (as long as it’s against NATO) and recognized the ambivalence. In a society where gang rape is used as a weapon against ethnic minorities, he organized large feminist demonstrations.

His death is not a private tragedy. He literally died of capitalism and patriarchy. He did not take his own life because he did not want to live. On the contrary, he was always committed to life with full dedication. For a life worth living. But that is exactly what he was denied again and again.

All this is not an exclusive problem in Bangladesh: Only globally, only together we can fight for better living conditions. We cannot look at social realities in a country without context. Sadaat has also seen it that way, which is why he has been involved in international networking.

Also here in Europe we have to sell our labor and submit to the market. We all have that in common. At the same time, our prosperity – which is without question much higher than in countries like Bangladesh – is only built on the exploitation of people in such low-wage countries. Many are now dependent on being able to buy clothes or technical devices cheaply in order to somehow survive in this world. For this, workers in Bangladesh have to slave away six days a week, without vacation or other basic rights, for a starvation wage. On top of that, many rivers in the cities of Bangladesh are dead by now because textile companies discharge their waste water into them en masse. The environment is being destroyed on an indescribable scale and people are suffering and dying as a result. Changing consumer behavior and relying on fair trade will not fundamentally change these conditions from Europe.

Only if we recognize that we all have to fight together against this worldwide exploitation of humans and nature, we have a chance.

Sadaat had recognized this. Losing him was a shock. In October he would have had his 27th birthday. We stand side by side with his comrades.

Black banner above: A line from an old Bangla-song by the Mohineer Ghoraguli Band „Beneath the shaded forest he left; the forest knows behind his indifference what sadness and pain he felt.“
Bottom banner: „On our apathetic faces, Sadaat throws cruel questions.“

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Sadaat’s Verhaftung vor einem Anti-Vergewaltigungs-Graffiti in Dhaka, 29. September 2020

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„Tell the story, Helene“ – das war der Anfang seiner letzten Nachricht an mich. Wenige Tage später war Sadaat Mahmood tot. Weil die Gesellschaft, die Regierung, das kapitalistische System, die Familie – weil sie alle ihm das Leben einfach unerträglich gemacht haben.

Als ich diese Nachricht gelesen habe, wusste ich noch nicht, welche „Story“ ich am Ende tatsächlich erzählen würde, auch wenn es da schon um ihn ging. Ich war dabei, sein Motivationsschreiben für eine Uni-Bewerbung zu korrigieren und hatte einen Änderungsvorschlag gemacht.

Jetzt erzähle ich tatsächlich seine Geschichte, aber nicht mehr für Menschen, die ihn bewerten und über ihn entscheiden sollen, sondern für seine Genoss*innen.

Denn auch wenn ihr ihn nicht persönlich gekannt habt: Sadaat Mahmood war einer der wichtigsten Kontakte für uns in Bangladesch – für uns alle, die FAU und auch die IKA.

Als Mo und ich im Namen der IKA vor zwei Jahren 20 000 Euro für die Arbeiterinnen unserer befreundeten Näherinnen Gewerkschaft GWTUC gesammelt haben – weil Hunderte von ihnen am Anfang der Corona Pandemie ihre Jobs verloren haben und wir ihre Proteste unterstützen wollten – war er derjenige, der mit uns (Mo und Helene der FAU Hamburg) fast täglich kommunizierte. Als Sekretär der Bangladesh Students‘ Union – und damit auch eng verbunden mit der GWTUC – hat er in dieser Zusammenarbeit für uns übersetzt und organisiert, Kontakte hergestellt und beraten.

Sadaat war eine wichtige Figur in der linken Szene in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Inhaltlich immer kritisch, in der Sache immer klar. Ein Aktivist von Herzen, der keine Ruhe geben konnte. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes gekämpft. Nicht nur diskutiert, gelesen oder geschrieben. Er hat große Protestaktionen organisiert, weil er sich für den Klassenkampf und den Feminismus eingesetzt hat und hat dabei auch den brutalen Cops immer wieder die Zähne gezeigt. Zweimal ist er deshalb verhaftet worden, immer hat er weitergemacht. Obwohl er zunehmend unter Druck stand: Seine Uni hat ihn exmatrikuliert, mit dem Ergebnis, dass er auch an keiner anderen Uni im Land mehr angenommen wurde. Sein Vater wollte mit der Familie auswandern, er wollte bleiben und weiterkämpfen.

Nun war seine Kraft aufgebraucht.

Sadaat war Denker und Aktivist: In einem Land, in dem große Teile der linken Bewegung vom eher autoritären Kommunismus geprägt sind, hat er immer wieder starke antiautoritäre Impulse gesetzt.

In einem Land, in dem die meisten an Russlands Seite stehen, hat er kritische Fragen gestellt und hat die Einseitigkeit (Hauptsache gegen die NATO) hinterfragt und die Ambivalenz erkannt. In einer Gesellschaft, in der Gruppenvergewaltigungen als Waffe gegen ethnische Minderheiten eingesetzt werden, hat er feministische Großdemonstrationen organisiert.

Sein Tod ist keine private Tragödie. Er ist buchstäblich an Kapitalismus und Patriarchat gestorben. Er hat sich nicht das Leben genommen, weil er nicht leben wollte. Im Gegenteil: Er hat sich immer wieder mit voller Hingabe für das Leben eingesetzt. Für ein lebenswertes Leben. Aber genau das ist ihm immer wieder verwehrt worden.

Das alles ist nicht nur ein Problem in Bangladesch: Nur global, nur gemeinsam können wir für bessere Lebensbedingungen kämpfen. Wir können gesellschaftliche Realitäten in einem Land nicht kontextlos betrachten. Das hat auch Sadaat so gesehen und sich deshalb immer wieder in der internationalen Vernetzung engagiert.

Auch wir hier in Europa müssen unsere Arbeitskraft verkaufen und uns dem Markt unterwerfen. Das haben wir alle gemeinsam. Gleichzeitig baut unser Wohlstand – der ohne Frage deutlich höher ist als in Ländern wie Bangladesch – nur auf der Ausbeutung von Menschen in solchen Niedriglohnländern auf. Viele sind mittlerweile davon abhängig, Kleidung oder technische Geräte günstig kaufen zu können, um selbst irgendwie in dieser Welt bestehen zu können. Dafür müssen Arbeiter*innen in Bangladesch sechs Tage die Woche, ohne Urlaub oder andere grundlegende Rechte für einen Hungerlohn schuften. Obendrein sind viele Flüsse in den Städten Bangladeschs inzwischen tot, weil Textilfirmen massenhaft ihre Abwässer dort hineinleiten. Die Umwelt wird in unbeschreiblichem Ausmaß zerstört und die Menschen leiden und sterben daran. Das Konsumverhalten zu ändern und auf Fair Trade zusetzen, wird diese Verhältnisse von Europa aus nicht grundlegend verändern.

Nur wenn wir erkennen, dass wir alle gemeinsam gegen diese weltweite Ausbeutung von Mensch und Natur kämpfen müssen, haben wir eine Chance.

Sadaat hatte es erkannt. Ihn verloren zu haben, war ein Schock. Im Oktober hätte er seinen 27. Geburtstag gehabt. Wir stehen an der Seite seiner Genoss*innen.

Schwarzes Banner oben: Eine Liedzeile eines alten Bangla-Liedes der Mohineer Ghoraguli Band
„Er verschwand in den dunklen Wald; denn nur der schien seine Trauer und seinen Schmerz zu begreifen; auch seine Liebsten haben nicht verstanden, wie es ihm ging.“
Banner unten: „Sadaat’s Tod konfrontiert uns mit unserer eigenen Untätigkeit und zwingt uns, dass wir uns unangenehmen Fragen stellen müssen.“

Helene, FAU Hamburg