Der 8. März – ein internationaler Kampftag

In ganz Deutschland und in aller Welt sind zum 8. März 2019 Menschen auf die Straße gegangen, um für die Befreiung der Frau und aller anderen Geschlechter zu demonstrieren. In einigen Ländern, vor allem in Spanien, kam es dabei auch zu betrieblichen Streiks. Auch die FAU und ihre internationalen Schwestergewerkschaften nahmen an den Protesten teil.

Die Verbindung feministischer Kämpfe mit prgamatischer Gewerkschaftsarbeit geht insbesondere auf das langjährige Engagement der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Spaniens, der Confederación Nacional del Trabajo (CNT), in der Frauenstreikbewegung zurück. Zudem hatte die neue Internationale Konföderation der Arbeiter*innen (IKA) bei ihrer Gründungskonferenz im Mai 2018 im italienischen Parma beschlossen, neben dem 1. Mai den 8. März als internationalen Kampftag zu begehen. So stellte das Sekretariat der IKA schon im Vorfeld des diesjährigen 8. März ein Dossier mit Beiträgen und Aufrufen der verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften zusammen.

Besonders stark war die Bewegung auch dieses Jahr in Spanien, wie der folgende Bericht zeigt. Dort gelang es in größerem Ausmaß, einen tatsächlichen betrieblichen Streik auf die Beine zu stellen. Diese Tatsache ist zum einen dem spanischen Streikrecht zu verdanken, welches bei weitem nicht so restriktiv ist wie das deutsche, und zum anderen der Verankerung der CNT und anderer radikaler Basisgewerkschaften und Organisationen in den Betrieben. Damit dürfte auch für die FAU und andere Organisationen deutlich werden, an welcher Stelle in den kommenden Jahren am Frauenstreik in Deutschland zu arbeiten ist: an der Ausweitung des Streikrechts und der Durchsetzung des politischen Streiks sowie am Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen in der Arbeiter*innenschaft und in den Betrieben und das vor allem in den typischen „Frauenberufen“.

Internationales Komitee der FAU, 13. März 2019

Spanien: „¡A la huelga compañeras!“

„Organisiert verändern wir die Welt.“ Unter diesem Motto hatte die spanische Confederación Nacional del Trabajo (CNT) zum zweiten Mal in Folge gemeinsam mit anderen progressiven Gewerkschaften zum feministischen Generalstreik am 8. März aufgerufen. Erneut wertete die Schwestergewerkschaft der FAU die Mobilisierungen als vollen Erfolg. Ein breites Bündnis aus Frauenkollektiven, Nachbarschaftsvernetzungen und außerparlamentarischen Organisationen hatte seit Monaten auf den 24-stündigen Arbeits-, Konsum-, Reproduktions- und Bildungsstreik hingearbeitet. Die CNT-Gewerkschafter*innen traten mit konkreten Forderungen zur unmittelbaren Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen in den Streik. Dazu gehörten unter anderem die Abschaffung der Ungleichbezahlung zwischen Frauen und Männern, die in Spanien im Schnitt bei 22,5 Prozent liegt, aber auch rechtliche Schritte zur Vereinbarkeit von Reproduktions- und Erwerbsarbeit sowie ein besser Schutz für Frauen vor (Alters-)Armut. Sowohl Frauen als auch Männer waren aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen.

Bereits in den frühen Morgenstunden schwärmten Gewerkschafter*innen in zahlreichen Städten des Landes aus, um sich zu Streikposten vor ihren Betrieben zu versammeln und Straßen und Plätze zu blockieren. Erwartungsgemäß schwankte die Beteiligung je nach Branche stark. Laut der CNT legten in sogenannten feminisierten Branchen besonders viele Beschäftigte ihre Arbeit nieder, etwa im Bereich des Telemarketings, wo sich rund 50 Prozent der Arbeiter*innen beteiligten. Auch im Bildungs- und Erziehungswesen war die Beteiligung hoch. Der Betrieb an den Universitäten war fast vollständig eingestellt. Im öffentlichen Nahverkehr kam es zu Verspätungen und Ausfällen. Und selbst in der Industrie – eher eine klassische Männerdomäne – schätzt die CNT die Beteiligung auf immerhin zehn Prozent.

Trotz zahlreicher staatlicher Einschüchterungsversuche beteiligten sich auch die Beschäftigten des öffentlichen Diensts am Streik, im Baskenland legten gut 60 Prozent der Angestellten in der Verwaltung ihre Arbeit nieder. In einigen Kommunen konnte deshalb nur die zuvor vereinbarte Notversorgung aufrecht erhalten werden. Besonders hoch war zudem die Beteiligung in der Medien- und Unterhaltungsbranche. Weil zahlreiche Journalist*innen streikten, fielen Radio- und Fernsehprogramme aus. Auch in der Redaktion von El País, der größten spanischen Tageszeitung, erschien die Mehrheit der Arbeiter*innen am Morgen nicht in der Redaktion. Wie bereits im letzten Jahr fiel die Beteiligung in den Metropolen und Großstädten wesentlich höher aus als in Kleinstädten und auf dem Land. Ebenso legten deutlich mehr Arbeiter*innen in großen und mittleren Unternehmen ihre Arbeit nieder als in Kleinstbetrieben. Wo Beschäftigten ihr Recht auf Streik verweigert wurde, hat die CNT bereits Klage eingereicht. In ihren Gewerkschaftslokalen organisierte sie den ganzen Tag über die Verpflegung sowie Kinderbetreuung für die Streikenden. Diese Arbeit wurde von den Männern übernommen, während die Genossinnen Streikposten standen und demonstrierten.

Am Abend versammelten sich dann erneut hunderttausende Menschen zu Kundgebungen und Demonstrationen, in Madrid war von gut 350.000 Protestierenden die Rede, in Valencia und Barcelona gingen 200.000 auf die Straße. Wie im Vorjahr bildeten die CNT-Gewerkschafter*innen lautstarke Blöcke für einen klassenkämpferischen Feminismus. Sie machten auf die Verschränkung von Kapitalismus und Patriarchat aufmerksam, etwa mit Transparenten auf denen es hieß: „Arbeitende Frauen: Doppelt unterdrückt, doppelt kämpferisch.“ Fast schon obligatorisch waren dabei die Gesänge „¡A la huelga compañeras no vayáis a trabajar!“ („Auf zum Streik Genossinnen, geht nicht zur Arbeit!“), die feministische Adaptation eines klassischen Streiklieds. In einer ersten Stellungnahme wertete die CNT den 8. März 2019 als „historisch“. Sie würdigte darin das unermüdliche Engagement der Gewerkschafterinnen in den Streikkomitees, die den Streik in monatelanger Auseinandersetzung mit Betrieben und Staat ausgehandelt hatten, aber auch die Arbeit der Kommunikationsgruppen. Diese hatten im Vorfeld zahlreiche Materialien veröffentlicht, von der Streikrechtsbroschüre bis zum Video, in dem CNT-Mitglieder ihre Motive für den Streik erläuterten. Nach dem Streik ist die Stimmung weiterhin euphorisch: „Die Zukunft gehört uns,“ heißt es seitens der CNT.

Auf der Sonderseite der CNT findet sich eine Zusammenfassung der Aktivitäten mit Bildern und Videos: http://nosotras.cnt.es/textos/cronica-8m-2019/

In der Zeitung jungle world ist zudem ein Interview mit einer CNT-Gewerkschafterin zum feministischen Streik erschienen: https://jungle.world/artikel/2019/10/der-feminismus-ist-aus-seiner-nische-getreten

Lateinamerika: „Somos las nietas de todas las brujas...“

Neben Spanien erreichten die Mobilisierungen zum internationalen feministischen Streik in einigen Ländern Lateinamerikas ihre größte Durchschlagskraft. Während sich im Vorjahr lediglich 30.000 Menschen an der Demonstration beteiligt hatten, versammelten sich am 8. März 2019 rund 200.000 Protestierende in Santiago de Chile, um unter anderem das Ende der Gewalt gegen Frauen, das Recht auf würdevolles Wohnen und die Aufarbeitung der Verbrechen gegen Frauen während der Pinochet-Diktatur zu fordern. In Chile hatten ebenfalls Gewerkschaften zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, an denen sich zahlreiche Arbeiter*innen im ganzen Land beteiligten. Ähnlich wie in Spanien blieben viele Universitäten geschlossen.

In Argentinien, wo die Initiative zum internationalen feministischen Streik mit der Kampagne für ein Ende der Gewalt gegen Frauen „¡Ni una menos!“ („Nicht eine weniger!“) ihren Ausgang genommen hatte, mobilisierten erneut breite Bündnisse zu Protesten. In Buenos Aires gingen hunderttausende Frauen – Mütter, Töchter, Großmütter, Schwestern, Freundinnen – auf die Straße. Zu Arbeitsniederlegungen kam es jedoch nur im geringen Ausmaß, weil die gewerkschaftliche Unterstützung für den Streik fehlte. Neben dem traditionellen feministischen Violett bestimmten die grünen Halstücher der Bewegung für legale Abtreibung das Bild. Nachdem 2018 eine Abstimmung im argentinischen Senat zur Legalisierung der Abtreibung knapp gescheitert war, trugen Frauen am 8. März ihre Wut auf die Straße und forderten das Recht auf kostenlose Abtreibung im Krankenhaus. Auf zahlreichen Schildern war „Niñas, no madres“ („Mädchen, nicht Mütter“) zu lesen. Wenige Tage zuvor hatte die Ablehnung eines Schwangerschaftsabbruchs im Falle zweier vergewaltigter elf- und zwölfjährigen Mädchen für Entrüstung gesorgt.

Die Federación Obrera Regional Argentina (FORA), die argentinische Schwestergewerkschaft der FAU, hatte im Vorfeld den Klassencharakter der Abtreibungsfrage betont. Denn während Frauen aus den gehobenen Schichten zumindest noch die Möglichkeit hätten, Schwangerschaftsabbrüche im Ausland oder für viel Geld in Privatkliniken durchführen zu lassen, blieben Arbeiterinnen diese Optionen nicht. Ein Resultat davon seien unbegleitete medikamentöse Abtreibungen mit oft lebensbedrohlichen Folgen. Die Demonstrant*innen griffen auch die neoliberale Kahlschlagspolitik des Präsidenten Mauricio Macri auf. Seit dessen Amtsantritt im Jahr 2015 sind hunderttausende Argentinier*innen durch massive Sparprogramme unter die Armutsgrenze gerutscht.

Auch in anderen Ländern Lateinamerikas gingen Frauen am 8. März auf die Straße – zum Teil unter widrigen Umständen angesichts autoritärer Regime, wie in Nicaragua oder Venezuela. Eine häufige Parole war dabei der Refrain eines Songs der uruguayischen Rapperin Eli Almic: „Somos las nietas de todas la brujas que nunca pudieron quemar.“ („Wir sind die Enkelinnen all der Hexen, die sie niemals verbrennen konnten.“): https://www.youtube.com/watch?v=tDomCS9Tu04