Und jetzt alle zusammen: „Sparen!“ - Und was Klassenkampf mit Klimapolitik zu tun hat.

Ein Kommentar aus mehreren aktuellen Anlässen - von der FAU Münsterland

Europa spricht wieder deutsch! Sagte ... wer noch mal? Message: Deutschland ist gut durch die Krise gekommen, dank der vorbildlichen und vorausschauenden Hartz IV-Reformen, vernünftiger, also maßvoller Tarifabschlüsse und der eindeutig deutschen Tugenden Fleiß und Sparen. Wenn die anderen Euro-Länder jetzt dasselbe machen, kann sich Europa also am eigenen Schopf aus der Krise ziehen. Das sollen wir bitteschön einfach mal glauben.

Nun, Tatsache ist: Deutschland hat seit vielen Jahren einen beträchtlichen Exportüberschuss. Die Binnennachfrage und die private Kaufkraft stagnieren, weil die Löhne kaum steigen. Es gibt mehr Superreiche, mehr Arme und mehr Profite. Hierzu haben die Block-Gewerkschaften des DGB fleißig beigetragen: Den Besitzstand der verunsicherten Stammbelegschaften durch bescheidene Lohnforderungen, Arbeitszeitverlängerungen und Öffnungsklauseln halbwegs gesichert, und zugleich die Ausweitung des Niedriglohnsektors mitgetragen und die Kürzungen für Arbeitslose nicht verhindert. Deutschland ist dadurch ein Billiglohn-Hightech-Exportland geworden und hat nicht zuletzt davon profitiert, dass die einschlägigen Konzerne im großen Maße ihre Exporterlöse im EU-Ausland realisieren konnten. Milliardenschwer subventioniert per Hartz-IV. Wenn nun der ganze Euroraum sich Deutschland zum Vorbild nehmen soll, wer soll den ganzen Kram eigentlich abnehmen? Die USA? Selber pleite. Japan auch. In China ist die Eigenproduktion bislang jedenfalls noch (Klassenkampf!) billiger. Wer also sonst? Gut, da wird unseren Regierenden sicher noch was einfallen.

Aber bleiben wir in Musterland. Gegen eine Sparpolitik, wie sie vom Rest der EU gefordert wird, gibt es zumindest in Teilen einen wichtigen Gegendiskurs: Bei Bildung, Forschung und Familie darf man nicht sparen. Da geht es ja um unsere Zukunft! Und bei den so genannten Leistungsträgern darf auch nicht gespart werden. Bleiben die Armen, Arbeitslosen (gibts ja fast nicht mehr!), Alten, Kranken. Die werden künftig für ein Arbeitsleben in prekären, befristeten, unterbezahlten, burnoutträchtigen Scheißjobs durch eine Rente auf Hartz-IV-Niveau belohnt, und wer sich die private Vorsorge nicht leisten kann, muss im Zweiklassengesundheitssystem auf den Holzbänken platznehmen. Natürlich wird der DGB vehement von sich weisen, so etwas gewollt zu haben. Und auch die christlich-demokratische Basis wird diesen Rückfall in vorbismarcksche Zeiten sicher nicht ohne Probleme in Übereinstimmung mit dem eigenen Menschenbild bringen können. Aber: Es kommt nun mal dabei heraus! Auch wenn die deutsche Wirtschaft vielleicht die nächsten fünf, zehn oder 20 Jahre ganz gut über die Runden kommt.

Anderes Thema: Jedem halbwegs unverblendeten Menschen sollte mittlerweile klar sein: Es gibt massive Klimaveränderungen, die ganz offensichtlich menschengemacht sind und nicht zuletzt auf den CO2- Ausstoß der weltweit wachsenden Industrie zurückgehen. Geht das so weiter, wird es eine globale Katastrophe bislang unbekannten Ausmaßes geben. Eine weltweite Klimapolitik und nicht zuletzt Energiewende stehen entsprechend weit oben auf der UN-Prioritätenliste. Keine Regierung der Welt kann ernsthaft mehr sagen: Wir sehen es nicht als notwendig an, massiv gegen die Klimaveränderung vorzugehen. Das ist im Prinzip schon seit vielen Jahren so. Dennoch ist auf der aktuellen Welt-Klimakonferenz kein Durchbruch in Sicht. Aber auch eine Klimakatastrophe hat natürlich keiner gewollt.

Was hat das miteinander zu tun? In der Euro-Krise wie auch der Klima-Krise tun die nationalen Regierungen vor allem eines: Das Interesse ihrer Wirtschaft im globalen Wettbewerb verteidigen. „Unser“ deutscher Wohlstand muss also gegen die Interessen des Rests der Welt verteidigt werden. Gegen verschwenderische Griechen und weltmarktüberschwemmende Chinesen und alle anderen. Dass das volkswirtschaftlich nicht nachhaltig ist, lässt sich mit politischem Geschwätz noch ganz gut übertünchen, dass wir auf eine ökologische Katastrophe zusteuern, aber nicht. Das muss man als Regierung einfach aushalten und die Schuld dafür erfolgreich anderen zuschieben. Die Standortkonkurrenz ist also quasi eine Naturgewalt, die sowohl die deklamierte Notwendigkeit begründet, die soziale Sicherheit weiter abzubauen, als auch den Stillstand in der Klimapolitik.
Der Standortnationalismus als Basis beider Politiken ist im Denken und Reden praktisch aller Akteure tief drin, und leider auch da drin, wo aufgrund der spezifischen Klassen- und Interessenlage die absolute Antithese hierzu verortet sein müsste: In den Gewerkschaften. Diesem Mainstream eine globalistische und zugleich klassenkämpferische Perspektive dagegenzuhalten – also das gemeinsame Interesse ALLER ArbeiterInnen weltweit an besseren Löhnen, sozialer Sicherheit und ökologischer Stabilisierung zu artikulieren, und nicht die Logik des nationalen, regionalen oder konzernbezogenen Standortwettbewerbs – ist wichtiger denn je.

Wir hören sie beim DGB leider nur ganz zaghaft am Rande. Man hat seine Stammklientel ja auch jahrelang auf Zusammenrücken mit Chefs und Staat eingeschworen. Die grüne Partei ihrerseits hat sich derweil längst voll und ganz dem Markt als Weltenretter in die Arme geworfen. Darüber, wie dieser Markt funktionieren soll, wird zwischen den Staaten seit über 20 Jahren gestritten. Ohne Erfolg, denn schließlich soll ein solcher Markt ja bloß nicht die eigene Wirtschaft benachteiligen.