Occupy something – Die Bewegung, die alle lieben

Nachdem der globale Aktionstag der „Occupy-Bewegung“ vom 15.10.2011 am letzten Wochenende auch in Deutschland mit erfreulich vielen TeilnehmerInnen stattgefunden hat, passiert das schlimmste, was Protest passieren kann: alle haben ihn lieb! Von den Medien, ohne deren Hype die Proteste, wie die vielen Versuche vorher, versandet wären bis hin zu den Mächtigen in der Politik, die sich in ihrer Haltung, die Bankenmacht scheinbar beschneiden zu wollen bestätigt sehen. Ein Protest denn alle gern haben, tut aber offensichtlich nicht weh. Er wird zur Kenntnis genommen und wie bei Kindern wird gelobt, dass alle artig waren. Und natürlich werden die „bösen Buben“ in Italien aufs schlimmste gescholten.

Wie kann so etwas passieren? Mit Sicherheit liegt es daran, dass die Mächtigen zu genau sehen, dass hier ein Wendepunkt entstehen kann. Noch ist die Bewegung nicht antikapitalistisch sondern nur kapitalismuskritisch. Es wird die soziale Marktwirtschaft gefordert – und nicht die soziale Revolution. Aber wer weiß, wie lange es noch dauert, bis nicht mehr nur die ChaotInnen, sondern auch die „WutbürgerInnen“ feststellen:

„Die Unternehmensgewinne werden durch Lohnsenkungen, Kürzungen von Sozialleistungen und Ausbeutung im Niedriglohnsektor realisiert. Umweltzerstörung, die Gefährdung unserer Gesundheit und ein mieses Leben auf der anderen Seite der Welt werden dabei in Kauf genommen. Das ist Umverteilung von unten nach oben, mit privatisierten Gewinnen und vergesellschafteten Kosten. Die Ausbeutung, die wir täglich erleben, wenn Lebensmittel und Wohnraum immer mehr kosten, weil wir weniger verdienen.“
Aus dem Aufruf zum 1. Mai in Hannover: Nicht guter Lohn für gute Arbeit – sondern Abschaffung der Lohnarbeit! (im Ganzen hier)

Es ist schließlich nicht mehr so wie früher. Das einfache „es geht uns doch allen gut“ bröckelt und selbst in den USA – dem ehemaligen Herzen des Kapitalismus – beginnt der Traum zu verblassen. Langsam vielleicht dämmert es auch immer mehr ganz normalen Leuten, den 99%:

„Der überall stattfindende Konkurrenzkampf, wieder einmal deutlich geworden durch die anhaltende Krise, ist grundsätzlicher Bestandteil des Kapitalismus. Er ist täglich von jedem Menschen erlebbar im existenziellen Kampf um Bildung und Arbeit. Klein- und Großunternehmen konkurrieren ständig untereinander um Wettbewerbsfähigkeit. Durch den Neoliberalismus bedingt findet dieser Kampf nicht mehr nur auf regionaler und nationaler Ebene statt sondern weltweit.“
Aus dem Aufruf: Es ist keine Krise! Es ist das System! Zur Demo am 15.10.2011 in Karlsruhe (im Ganzen hier)

Solange die Occupy-Bewegung innerhalb der Grenzen des Systems bleibt, wird sie kosmetisch bleiben. Aber wo sollen auch die Alternativen herkommen, nachdem den Leuten in Deutschland (west) über 60 Jahre die Marktwirtschaft eingeprügelt wurde; in Deutschland (ost) erst 40 Jahre der Untertanengeist überwacht und kontrolliert wurde und dann 20 Jahre lang Neoliberalismus als schick propagiert wurde?

Hier wäre es Zeit, dass „wir“ - die link(sradikal)en, undogmatischen und progressiven AntikapitalistInnen - mit Ideen und Aktionen eine Diskussion anstoßen. Wenn Menschen in Bewegung gekommen sind, ändern sie leichter die Richtung ihres Denken und Handelns für mehr Freiheit, Gleichheit und Solidarität, jenseits von Staat und Nation. Dabei sollten wir aber nicht den Fehler machen Interessierte mit Parolen von „Anno Tobak“ zu verprellen. Der Generalstreik mag in Spanien realistisch sein – in Deutschland fand der letzte echte Generalstreik vor 90 Jahren statt – hier sollte schleunigst ein „Update“ erfolgen!

Aber andererseits, was ist schon realistisch: „Dieser Kampf hat keine "realistische Perspektive", er bietet keine Reformen an. Doch Veränderungen entstehen immer aus Handlungen Einzelner, die zur Bewegung werden. Dafür braucht es weder eine populistische Anbiederung an den Zwangszusammenhang aus Staat und Nation, Kapital und Lohnarbeit; noch den selbstzufriedenen Rückzug auf die Position der kritischen KritikerInnen. [...] Wenn nicht hier, wo sonst soll sich eine Möglichkeit für die so offensichtlich notwendige, grundlegende Veränderung der Gesellschaft ergeben? [...] Denn die kapitalistische Gesellschaft ist von Menschen gemacht, also kann sie auch von Menschen abgeschafft werden - soziale Revolution ist möglich.“
Aufruf zur Demo gegen den Unternehmertag vom 26.10.10 In Frankfurt am Main: Gegen Lohnarbeit, Leistungsterror und Standortkonkurrenz - Die Krise heißt Kapitalismus! (Der ganze Aufruf hier)

Wir haben eine Welt zu gewinnen - das geht aber nicht alleine!