Sieben tote Arbeiter - 16,5 Jahre für ThyssenKrupp Italia Vorstandsvorsitzenden

Im Dezember 2007 kamen im Turiner Werk der ThyssenKrupp Italia sieben Arbeiter durch einen Brand grausam ums Leben. Ein Turiner Schwurgericht hat jetzt den Vorstandsvorsitzenden von ThyssenKrupp Italia, Dr. Harald Espenhahn und fünf weitere Manager zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und 16 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Verfahren hatten die Staatsanwaltschaft und Nebenkläger den Managern massive Sicherheitsmängel und Kosteneinsparungen bei der Arbeitssicherheit vorgehalten.

Verbrannt in der Nachtschicht

In der Nachtschicht des 6. Dezember 2007 kam es im Turiner ThyssenKrupp Werk zu einem Brand, bei dem eine Gruppe von Stahlarbeitern der Produktionslinie 5 schwerste Verbrennungen davon trug, in deren Folge sieben von ihnen in den nächsten Tagen und Wochen einen qualvollen Tod starben. Nur ein einziger Arbeiter der Gruppe überlebte.

Der Tod der Arbeiter löste in Italien eine Welle Empörung aus, denn er ist nur die Spitze eines Eisberges an schweren Arbeitsunfällen, die jährlich viele Tote und Verletzte im Dienste der Profite fordert. Alleine im Jahr 2007 starben in Italien mehr als 1200 ArbeiterInnen durch Arbeitsunfälle. Man könnte das durchaus als Massenmord im Dienste der Kapitalverwertung bezeichnen. Der öffentliche Druck wurde schließlich so stark, dass sich die Staatsanwaltschaft in Turin im Jahre 2008 zur Eröffnung eines Prozesses gegen einige der verantwortlichen Vorstände und Manager gezwungen sah.

Leere Feuerlöscher, defekter Notruf

Im Verlaufe des Verfahrens häuften sich die Indizien, dass die Ursache für den Tod der sieben Arbeiter nicht zuletzt in Kosteneinsparungen zu suchen war. Das Werk in Turin sollte geschlossen und die Produktion ins Werk Terni verlagert werden. Laut Staatsanwaltschaft, die hunderte Zeugen benannt hatte, wurde die Unternehmensleitung von ihrer Brandversicherung und von Aufsichtsbehörden zuvor vergeblich auf Sicherheitsmängel hingewiesen. Italienische Zeitungen zitierten aus einem Bericht der Versicherungsgesellschaft AXA, die vor dem Brand die Selbstkostenbeteiligung des Konzerns von 30 auf 100 Millionen Euro angehoben hatte und energisch zu Investitionen in die Anlagensicherheit aufgefordert hatte. Nach einem Brand in einem ThyssenKrupp Werk in Krefeld am Niederrhein waren im Jahr 2007 vom Konzern auch tatsächlich Gelder in Millionenhöhe für verbesserten Brandschutz bereitgestellt worden. Diese wurden in Turin aber nicht mehr abgerufen, weil die Produktion im Februar 2008 nach Terni verlegt werden sollte. Welcher Manager möchte da noch sinnlos Geld verbrennen? Und so berichteten Zeugen aus der Belegschaft dann während des Prozesses über leere Feuerlöscher und ein nicht funktionierendes Notfall-Telefon.

Geld gegen Klageverzicht

Nachdem deutlich wurde, dass dieses Mal nicht so einfach Gras über die toten Arbeiter wachsen und es zu einem Prozess kommen würde, versuchte ThyssenKrupp die Anzahl der NebenklägerInnen zu reduzieren. So wurden den Familienangehörigen Entschädigungen in Millionenhöhe angeboten, wenn sie auf eine Nebenklage verzichten. Das „Nationale Institut für die Versicherung gegen Arbeitsunfälle“ (INAIL) wurde der Zeitung «La Stampa» zufolge mit einer Zuwendung in Höhe von 1 Million Euro bedacht. Mehreren Zeitungen berichteten weiterhin darüber, dass auch die Gemeinde Turin und der Region Piemont „generöse Zuwendungen“ für den Fall angetragen wurden, dass sie auf eine Nebenklage verzichten.

Dass es in dem Verfahren letztlich dennoch eine ganze Reihe von institutionellen Nebenklägern gab, hat sicherlich auch politische Motive. Denn natürlich eignet sich für manche ein internationaler Konzern mit Zentrale im Ausland besser als Angeklagter in einem Prozess wegen Totschlags und fahrlässiger Tötung auf der Arbeit, als ein italienisches Unternehmen. Es ist auch mehr als fraglich, ob dieses erstinstanzliche Urteil in der Folge Bestand haben wird. Zur Urteilsverkündung war z.B. Harald Espenhahn erst gar nicht erschienen. Sofern es nicht ein übergeordnetes politisches Interesse geben sollte, ist es auch eher unwahrscheinlich, dass einer der Verurteilten vor einem Revisionsverfahren seine Strafe antreten muss.

Remember the dead – Fight for the living

Darauf kommt es jedoch vielleicht auch gar nicht so sehr an, das ist die Ebene der bürgerlichen Justiz und mithin nicht unsere. Der öffentliche Druck aber hat dafür gesorgt, dass eine Prozess stattfinden musste und dass in seinem Verlauf der massenhafte Tod auf der Arbeit und die hunderttausenden von nicht-tödlichen Arbeitsunfällen immer wieder viel diskutiertes Thema waren.

Nicht nur in Italien basiert übrigens die kapitalistische Warenproduktion auf dem Leben und der Gesundheit der Beschäftigten. International erinnern GewerkschafterInnen am 28. April mit dem „Workers Memorial Days“ an die Toten und Verletzten im Zentrum der Kapitalverwertung. In den Räumen der FAU Berlin fand in diesem Rahmen eben erst eine Veranstaltung der «Anarchosyndikalistische Jugend Berlin» mit dem treffenden Titel „Arbeit ist Krieg“ statt.