Zwischenbilanz

Acht Monate Hartz IV. Acht Monate Ein-Euro-Jobs auch an den mittelhessischen Universitäten Marburg und Gießen.

Die Philips-Universität richtete schon im Herbst 2004 die ersten „Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung (MAE)“, auch Ein-Euro-Jobs genannt, ein. Im Februar 2005 arbeiteten 29 ALG-II-EmpfängerInnen für die Marburger Uni. Die Arbeitslosen waren u.a. in den Archiven, der Bibliothek und der Verwaltung tätig. Laut Dr. Viola Düwert, der Pressesprecherin der Philips-Universität, sind die meisten dieser Stellen mittlerweile ausgelaufen, da viele der Tätigkeiten von begrenzter Dauer waren. Aktuell sind noch fünf 1-Euro-Jobber am Campus beschäftigt, dazu gehört u.a. auch der Konfliktberater (Mediator)der Philips-Universität, ein ausgebildeter Psychologe.
Gegner von Hartz IV sehen sich bei solchen Beispielen in ihren Befürchtungen bestätigt: „Immer mehr Träger nutzen die Chance, Stellen mit 1-Euro-Jobbern zu besetzen, für die sie sonst nicht so leicht eine Finanzierung bewilligt bekommen. So werden letzendlich auch immer mehr reguläre Arbeitsplätze vernichtet“ meint Marius Scheidt, Sprecher des Bildungssyndikat Lahn, einer Basisgewerkschaft im Bildungsbereich.
Hellmut Löwer, der Vorsitzende des Personalrat der Philips-Universität, gibt in diesem Zusammenhang offen zu, dass die Einrichtung dieser umstrittenen Stelle vom Personalrat voran getrieben wurde. „Es ist wichtig, den Leuten eine Chance zu geben im Arbeitmarkt Fuß zu fassen. Diese Stelle sollte zusätzlich sein, ob das aber in der Praxis auch der Fall ist, können wir letztendlich nicht immer überprüfen.“ Die Zusammenarbeit mit dem Psychologen sei aber gut, und man wünsche sich eine Festanstellung. Das Personalbüro der Philips-Universität verweist in diesem Zusammenhang auf die „schwierige finanzielle Lage“ und kann ansonsten keine Angaben machen.
Der Diplom-Psychologe selbst ist der Meinung, dass es die Stelle unter regulären Bedingungen nicht geben würde, weshalb er die Zusätzlichkeit gewährleistet sieht. „Ich habe jahrelang Bewerbungen geschrieben ohne auch nur zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden“
An der Gießener Justus-Liebig-Universität ging man die Sache etwas vorsichtiger an. Hier wurden erst im Sommer 2005 die ersten drei 1-Euro-Jobs in der Universitätsbibliothek geschaffen. Außerdem repariert ein arbeitsloser Zweiradmechaniker in der Gießener Mensa Fahrräder für einen Euro in der Stunde. Der Träger dieser Arbeitsgelegenheit ist das Studentenwerk. Die Arbeit des Handwerkers erfreut sich unter den Gießener Studierenden großer Beliebtheit. Den wenigsten dürfte bekannt sein , dass er dafür kein ordentliches Gehalt bekommt.
Es lässt sich feststellen, dass die Praxis im Bezug auf 1-Euro-Jobs an den Universitäten in Marburg und Gießen sehr unterschiedlich ist. Während die Philips-Universität, auch im bundesweiten Vergleich, zu den Pionieren dieser Entwicklung gehört, ist man in Gießen zurückhaltender. Doch auch hier scheint man der verlockenden Möglichkeit, in Zeiten knapper Kassen (hoch-) qualifizierte Stellen schaffen zu können, die für die Träger letztendlich kostenlos sind, nicht wiederstehen zu können. Für viele Arbeitslose mag ein solcher 1-Euro-Job eine kurzfristige Perspektive bieten. Es ist jedoch zu befürchten, dass genau dadurch langfristig die Lebensqualität von Arbeitslosen und Nicht-Arbeitslosen zusätzlich bedroht ist.