Frankreich: Regierung gegen SchülerInnen

Der französische Bildungsminister Fillon erklärte am 6. April: „Jedes Mal, wenn ein Blockadeversuch stattfindet, werden wir eingreifen.“ Das ist die einzige Formel, die diese Regierung des Sozialabbaus gefunden hat, um den SchülerInnen zu antworten, die seit fast drei Monaten gegen das Fillon-Gesetz kämpfen. Seither endet jede Demonstration, jede Blockade oder Besetzung mit Knüppelhieben und Tränengas der CRS (Compagnies Républicaines de Sécurité; in etwa: BGS). Enorme Ausmaße erreichte diese Politik am 20.4., als mehrere hundert SchülerInnen das Bildungsministerium in Paris besetzten - und in Gewahrsam genommen wurden. Aber nicht erst seit dem 20.4. bahnt sich eine Prozesslawine gegen aktive SchülerInnen an.

Dennoch sind die SchülerInnen weiterhin entschlossen, sich für die Rücknahme des Gesetzes einzusetzen. Im Kontext der Kriminalisierung sozialer Bewegungen, bleibt unsere beste Waffe die Solidarität. Im folgenden Mitteilungen der SchülerInnen-Koordination und der CNT-FTE, sowie der Alternative libertaire über einen anstehenden Prozess!

Fotos finden sich bei Indymedia Paris






Die SchülerInnenkoordination (CAL) – organisiert in Vollversammlungen und auf einer breiten, heterogenen Basis fußend, die alle aktiven SchülerInnen vereint – ist am Mittwoch, den 20.4.05, nach drei Monaten des Kampfes einen Flügel des Bildungsministeriums eingedrungen: denn Fillon wollte uns nicht zuhören, gleichwohl die Mehrheit der SchülerInnen unsere Aktion unterstützt.

Diese "Überfall-Aktion" richtet sich direkt an den Minister und zeigt allen die Entschlossenheit und Organisation der SchülerInnen. Bei der Demo am Donnerstag waren wir 2.500, als sich die „Rädelsführer“ der Bewegung zum Großteil noch in Gewahrsam der Polizei befanden. Wenn wir auch nicht mehr so zahlreich sind wie bei den großen Demonstrationen (200.000) oder auf dem Höhepunkt der Besetzungen (in 25% der Einrichtungen), so liegt das doch weder an einer Resignation noch an einer Isolation oder Manipulation durch Linksradikale. Die sogenannten Rädelsführer sind ihrer Schulen verwiesen, es hagelt Knüppelhiebe und massive Verhaftungen wie am Mittwoch (178 Gewahrsamnahmen) sind nur allzu bekannt. Es ist dieser Wille der Regierung, der unsere Bewegung in Turbulenzen bringt.

Wir prangern das Vorgehen von Polizei und Verwaltung gegen diese soziale Bewegung ebenso an wie die Verteufelung derselben durch bestimmte Medien und die Gewerkschaft der Direktoren – sie alle richten sich gegen eine Bewegung, die nach der Einheit im Kampf mit den LehrerInnen und Angestellten des Bildungswesens strebt. Wir versammeln uns am Samstag (23.4.), um das weitere Vorgehen unserer Bewegung (besonders am 1., 12. und 16. Mai) zu beraten.

La Coordination Lycéenne

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Lyon, 21. April 2005

Die CNT-FTE (Föderation im Bildungswesen) ist bestürzt über verschiedene maßlose Artikel, die in den vergangenen Tagen in der Presse erschienen sind.

Diese Artikel unterstützen die Kriminalisierung der SchülerInnenbewegung. Da der Staat und die Presse versuchen, die SchülerInnen-Koordination (CAL) zu marginalisieren – deren demokratische Struktur die Beteiligung aller am Kampf gegen das Fillon-Gesetz ermöglicht – sind sie auch auf die CNT-FAL (die Gymnasialsektion der CNT-FTE) aufmerksam geworden, deren AktivistInnen sich (wie andere auch) an dieser Bewegung beteiligen. Der Vorwurf der Infiltration der Bewegung durch die CNT entbehrt jeder Grundlage. Mit Nachdruck weisen wir darauf hin, dass die CNT nicht beschuldigt der Infiltration werden kann – einer Praxis also, die den Parteien und bürokratischen Gewerkschaften eigen ist. Niemals unterwandern wir irgendeine Bewegung, sondern wir nehmen legitimerweise Teil daran, so wie jeder Akteur einer sozialen Bewegung.

Wir bekräftigen hiermit erneut unsere Unterstützung für die kämpfenden SchülerInnen: ihre Bewegung ist vollkommen legitim. Wir weisen darauf hin, dass das Fillon-Gesetz entgegen dem Willen aller verabschiedet wurde, die mit der Schule zu tun haben: Eltern, SchülerInnen, Gewerkschaften. Die Regierung, die ihre Politik des sozialen Rückschritts weiterverfolgt, wendet weiterhin polizeiliche Gewalt an, um die SchülerInnen zum Aufgeben zu bringen. Sie erhält nun Rückendeckung von den Medien (Le Figaro, Europe1, Nouvel Observateur, …), die sich nicht damit begnügen, den Papagei der Regierung zu mimen, sondern auch Verantwortliche ausmachen wollen.

Am Mittwoch, den 20. April 2005, wurden – nach der Besetzung eines Gebäudeflügels des Bildungsministeriums, Rue Pasteur in Paris – gegen 18 Uhr die Personalien von fast 200 SchülerInnen aufgenommen. 200 Minderjährige wurden auf die Pariser Kommissariate verbracht. Das ist der eigentliche Skandal! Diese Praktiken sind inakzeptabel.

Wir rufen in Erinnerung, dass die CNT keine „anarchistische Gewerkschaft“ ist, wie es die Medien ständig nennen, sondern die CNT ist eine Gewerkschaft, in der sich die ArbeiterInnen nach anarcho-syndikalistischen und revolutionär-gewerkschaftlichen Methoden organisieren. Unsere Gewerkschaftsbewegung – die in Bewegungen selbstorganisierten Praktiken den Vorrang gibt: souveräne Vollversammlungen, Gewerkschaft als Instrument des Kampfes, Rotation der Mandate – ist sehr weit entfernt von politischer oder gewerkschaftlicher Manipulation. Weiterhin werden wir die Basisgewerkschaft, die Klassengewerkschaft, die kämpferische Gewerkschaft verteidigen.

Das Föderationssekretariat.

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Am Donnerstag, 31.3., wurde unser Genosse Samuel Marville, Aktivist der Alternative libertaire, von den Ordnungskräften während einer Demo gegen das Fillon-Gesetz und die Zerstörung des Bildungswesens in Gewahrsam genommen.

Der Prozess gegen ihn wird am 25. Mai um 9 Uhr vor der 29. Kammer des Strafgerichtshofs von Paris eröffnet, und nicht wie früher vorgesehen am 27. Mai. Samuel ist Opfer einer Polizeiprovokation und wird des „Angriffs auf einen Beamten“ angeklagt – er ist einer der Wortführer der SchülerInnenkoordination (CAL), und der erste auf einer Verhaftungsliste für ganz Frankreich.

Es ist schwer, alle Akte der Repression aufzuzählen, die es seit Beginn der Streiks [bzw. der Bewegung] gegeben hat. Fillon erklärte am 6. April: „Jedes Mal, wenn ein Blockadeversuch stattfindet, werden wir eingreifen.“ Das ist die einzige Formel, die diese Regierung des Sozialabbaus gefunden hat, um den SchülerInnen zu antworten, die seit fast drei Monaten gegen das Fillon-Gesetz kämpfen. Seither endet jede Demonstration, jede Blockade oder Besetzung mit Knüppelhieben und Tränengas der CRS [Compagnies Républicaines de Sécurité; in etwa: BGS]. Dennoch sind die SchülerInnen weiterhin entschlossen, sich für die Rücknahme des Gesetzes einzusetzen.

In diesem Kontext der Kriminalisierung sozialer Bewegungen, bleibt unsere beste Waffe die Solidarität. Wir rufen alle SchülerInnen, Lehrerenden, gewerkschaftlichen und politischen Organisationen auf, an einer Versammlung vor dem Justizpalast teilzunehmen, und zwar ab 9 Uhr am 25. Mai, dem Tag von Samuels Prozessauftakt. Ebenso werden wir all unsere Kraft aufwenden, die anderen SchülerInnen zu unterstützen, die Opfer der polizeilichen Repression geworden sind.

Um die Prozesskosten zu decken, organisiert Alternative libertaire eine öffentliche Sammlung. Schickt einen Scheck auf den Namen Alternative libertaire an folgende Adresse, und notiert auf der Rückseite „Solidarité Samuel“: AL, BP 295, 75921 Paris, cedex 19.

Contacts : contacts(a)alternativelibertaire.org