Die nächste Krisenwelle: Die EU vor der «Generalmobilmachung»

Erinnert sich noch jemand an den 5. Oktober 2008? Das war der Tag, als Merkel und Steinbrück angesichts der explodierenden „Bankenkrise“ gemeinsam vor die Kamera traten, um zu verhindern, dass am Folgetag die Banken von Leuten gestürmt werden, die versuchen, in aller Eile das Geld auf ihren Konten in Sicherheit zu bringen. Das ist ihnen durch Ankündigung eines staatlichen Multimilliarden-Rettungsprogramms für die Banken gelungen. Der 9. Mai 2010 hat alle Chancen, wieder so ein Tag zu werden, an dem die Politik sich vor den Kameras zur Systemrettung versammelt. Dieses Mal wird es allerdings nicht Herr Steinbrück sein, der neben Frau Merkel auftreten wird, sondern die anderen Staats- und Regierungschefs der EU. Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy hat dazu die passende Parole ausgegeben: „Wir haben uns für eine absolute Generalmobilmachung entschieden“ brachte er gegenüber der französischen Presse den Ernst der Lage in der EU auf den Punkt.

An diesem Wochenende glühen weltweit die Drähte. In Folge der Griechenland-Krise fürchten Wirtschaft und Politik einen Crash der gesamten Euro-Zone oder sogar der EU. Der Grund dafür sind nur in zweiter Linie die Hilfszusagen an die griechische Regierung selbst. Es geht vielmehr darum, dass vielen im Zuge des Rettungsplans Zweifel gekommen sind, ob die hunderte von Milliarden, mit denen sich die EU-Staaten verschuldet haben um die Banken und sich selbst zu retten, jemals wieder eingetrieben werden können. Und dabei geht es um ganz andere Summen, als die Garantien zur Rettung des griechischen Staates.

Die EU-Staaten wissen, dass sie sich mit der Rettung der Banken und damit des kapitalistischen Systems übernommen haben. Wenn sie das Vertrauen der Anleger in die Staatsanleihen wieder herstellen wollen, wird das nur gehen, indem alle EU-Staaten zu ähnlich drastischen Maßnahmen greifen, wie die griechische Regierung es eben getan hat. Entweder die Staatsverschuldungen werden durch drastische Einsparungen und Steuererhöhungen abgebaut oder durch eine staatlich angetriebene Inflation gesenkt.

Die Frage ist nicht, ob dieser Angriff erfolgen wird, sondern wie er erfolgen wird. Die G7 haben an diesem Wochenende konferiert, die 16 Staats- und Regierungschef beraten, wie ein „Europäischer Stabilisierungsmechanismus“ geschaffen werden kann, bevor am Montag die Börse wieder öffnet. Das Entsetzen gleicht dem vor dem drohenden globalen Zusammenbruch des Bankensystems. So sprach Jean-Claude Trichet, der Chef der europäischen Zentralbank von einer „systemischen und andauernden Krise“.

Das Wissen darum, dass die „Schuldenbremse“ unvermeidlich ist, lässt die Regierungen voller Sorge nach Griechenland starren. Denn dort zeigt die Bevölkerung gerade, dass ihr das „nationale Wohl“, das auf ihrem Rücken durchgepeitscht werden soll, am Hintern vorbei geht. Das in der kapitalistisch Logik notwendige Maß an Grausamkeiten zur Abwälzung der Krisenkosten auf die Bevölkerungen, ist dabei, ein Ausmaß zu erreichen, dass die politische Stabilität zu bedrohen beginnt. Die Furcht davor, dass Griechenland auch in dieser Beziehung Schule machen könnte, ist deutlich gestiegen. Es hat momentan den Anschein, als käme der Verschuldungs-Bumerang zur Krisenrettung sehr viel schneller und mit viel mehr Wucht zurück, als Politik und Kapital gehofft hatten. Es wird nicht zuletzt an den ArbeiterInnen überall in Europa liegen, ob diesen Bumerang diesmal die richtigen in die Kauleiste bekommen.