Berliner BVG-Streik: ver.di auf den Knien

Eine der größten Blamagen der neueren Tarifkampfgeschichte zeichnet sich derzeit in Berlin ab. Noch bevor bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Verhandlungen zwischen ver.di und dem kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) wiederaufgenommen wurden, scheint ver.di auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten zu wollen. Statt 12 Prozent Lohnerhöhung soll es nur noch um drei Prozent gehen, die Forderung nach einer Mindestlohnerhöhung von 250 Euro für alle ist vom Tisch und statt 12 Monaten Laufzeit will ver.di offenbar auch 30 Monate akzeptieren. Statt einem großmäuligen "ordentlichen Schluck aus der Pulle" scheint sich die nächste Reallohnverlust-Schlappe mit Gewerkschaftssegen abzuzeichnen.

In der Tarifauseinandersetzung für die Beschäftigten bei den Berliner Verkehrsbetrieben scheint ver.di nach zehn Streiktagen auf der ganzen Linie einzubrechen. Angesichts der unnachgiebigen Haltung der großen Berliner Koalition der SozialdemokratInnen aus SPD und "Die Linke" rudert die Dienstleistungsgewerkschaft mit Volldampf zurück. So signalisierte einem Bericht der Tageszeitung "Junge Welt" zufolge jetzt der ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler, dass die Gewerkschaft statt dem versprochenen deutlichen Einkommenszuwachs auch bereit ist, über einen deutlichen Reallohnverlust für die nächsten 30 Monate zu verhandeln. Hauptsache der KAV stimme einem "verbindlichen Verhandlungskorridor" zu. Im Gegenzug sein man bereit, den Streik zunächst auszusetzen. Der Tageszeitung "Die Welt" gegenüber deutete Bäsler sogar, dass man auch ohne neue Verhandlungen bereit sei, "Teile des Betriebs wieder ans Netz gehen zu lassen".

Was ver.di dazu bewogen haben mag, die Streikenden dermaßen offensichtlich und deutlich zu verkaufen, darüber kann man derzeit nur spekulieren. Zu Beginn der Streiks hatte die Gewerkschaft unter enormem Druck gestanden. Auf der einen Seite forderten ihre Mitglieder nach Jahren der Reallohnverluste endlich wieder einmal einen Abschluß, bei dem einige Euro übrig bleiben. Zum anderen fürchtet ver.di die Konkurrenz durch die Bahngewerkschaft GDL, die sich anschickt, sich in den Schienenbetrieben der BVG zu etablieren. An dieser Front kann ver.di allerdings beruhigt zurückrudern, denn langsam spricht sich auch bei den BVG-Beschäftigten herum, dass der neue GDL-Tarifvertrag bei näherem Hinsehen nicht viel mehr als heiße Luft ist und auf dem Rücken derjenigen GDL-Mitglieder erkauft wurde, die nicht unter das Vertragswerk fallen werden. Bei den Streikenden machten aber auch schon Gerüchte die Runde, sie seien von ver.di von Beginn an verkauft worden, weil die Führung ihren politischen Freunden im Berliner Senat noch einen Gefallen schuldete. Jetzt könne man schließlich sagen, "seht ihr, wir haben gestreikt, aber es war halt nichts drin."

Noch ist der Streik nicht zu Ende und es wird sich zeigen, ob die streikende Basis in der Lage ist, ihre Führung rechts liegen zu lassen. Ähnliche Fälle in der Vergangenheit lassen allerdings eher fürchten, dass stattdessen die große Ernüchterung und Enttäuschung einsetzen wird.