Für Freiheit und Gleichheit: Direkte Aktion und Solidarität!

In diesen Tagen feiern wir den großen Sieg der ArbeiterInnen von Chicago (1886) und gedenken unserer fünf anarchistischen Genossen, die unser Recht auf einen Achtstunden-Tag mit ihrem Leben bezahlt haben. Aber in diesen Tagen, am 1. Mai 2007, müssen wir auch feststellen, wie dieses hart erkämpfte Recht - ebenso wie viele andere - immer mehr verschwinden. Die kapitalistische Maschinerie versucht sich von den Verpflichtungen, zu der wir sie durch unsere Kämpfe und die direkte Aktion gezwungen haben, zu "befreien".

In Europa hat uns das Ende des Kalten Krieges auch das Ende der sozialdemokratischen Propagandashow namens "Sozialstaat" beschert. Seither hat der Kapitalismus den ArbeiterInnen in Westeuropa wieder sein wahres Gesicht gezeigt. Es gibt eine Kampagne, einen wahren kapitalistischen Kreuzzug, der den Charakter eines koordinierten Angriffs auf die Rechte der ArbeiterInnen hat: Unsichere Jobs (Prekarisierung), die Verwandlung von Bildung und Gesundheitsversorgung in einer Ware, die Privatisierung der öffentlichen Dienste usw. Aber wir sollten nicht über das Verschwinden dieses jahrzehntelangen Tagtraums jammern. Dies war alles bestenfalls eine kleine milde Gabe des Kapitals an die Unterdrückten. Milde Gaben? Nein Danke! Wir brauchen diese christlichen Wohltätigkeiten nicht! Denn für alles, was wir brauchen, für alles, was eigentlich uns gehört, werden wir kämpfen und es uns selbst nehmen. Wir haben dies bisher getan und wir werden es wieder tun.

Im globalen Rahmen sehen wir, dass die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen und imperialistischen Mächten untereinander sich beschleunigt. Da der russische Staat unter Putins Diktatur immer mächtiger wird, beeilen sich die USA ihr Wachstum und ihren Einfluss abzusichern und abzuschotten. Die Suche nach neuen - von Russland unabhängigen - Ölvorkommen und Transportwegen, ist derzeit eines der Hauptziele der USA. Diese sind auch auf militärischem Gebiet nicht untätig - das neue Raketenschild, das die USA rund um die nördliche Erdkugel aufbauen, weckt Erinnerungen an den Kalten Krieg und das Wettrüsten zwischen den USA und Russland. Es ist ein gefährliches Spiel, in dem die Rolle Chinas nicht unterschätzt werden sollte. Obwohl die US-Regierung versucht, die Welt davon zu überzeugen, dass dieses Schutzschild gegen "Schurkenstaaten", wie Iran oder Nordkorea, gerichtet ist, wird - wenn man sich Aufstellungsmuster der Radar- und Raketenstationen anschaut - mehr als deutlich, wessen Raketen die eigentlichen Ziele dieses Abwehrschildes sind. Die einzigen "Schurkenstaaten", die faktisch in der Lage sind, die USA und ihre Verbündeten anzugreifen, sind Russland und China. Da China als drittes Land in der Geschichte einen Menschen ins All geschickt hat und da das russische Raumfahrprogramm bei seinem neuen, "freundlichen" Wettlauf im All aufholt, da Beide Länder Mondlandeprogramme angekündigt haben, beeilen sich die USA, um wieder einmal ihre technologischen Anstrengungen in den militärischen Bereich einfließen zu lassen (eine Strategie, die bereits in den 1980er Jahren hervorragend funktioniert). Gleichzeitig unternehmen die USA den Versuch, ihrer weltweite militärische Vorherrschaft abzusichern.

Aber der politische Aspekt dieses neuen Wettrüstens ist vielleicht sogar noch interessanter. Die USA versuchen fortwährend, die aufstrebende wirtschaftliche Macht und die Osterweiterung der Europäischen Union (EU) zu unterlaufen. Hierfür ist die NATO ein perfektes Werkzeug. Wir konnten diese Taktik der Aufteilung der EU in ein "altes" und ein "neues Europa" beobachten, als sie in der Anfangsphase des Irakkriegs offen zu Tage trat. Heute können wir sehen, wie die USA die NATO dazu benutzt, um Raketenbasen in Polen, der tschechischen Republik und wahrscheinlich auch in anderen ehemaligen Ostblockstaaten zu installieren, die heute ein Teil der EU und der NATO sind. Das "alte Europa" ist natürlich wenig darüber erfreut, sich hierdurch in einem möglichen Konflikt mit seinem möglichen Verbündeten Russland wieder zu finden. Auf der anderen Seite sind die politischen Eliten im "neuen Europa", die aus den antikommunistischen und vermutlich oftmals vom CIA unterstützten Revolutionen hervorgegangen sind, froh darüber, gegen Russland aufgestellt zu werden und sich in der "Partnerschaft" der USA sonnen zu dürfen.

Damit eng verbunden gibt es eine andere bedrohliche Erscheinung im nach-sowjetischen Osteuropa: die Radikalisierung einer vom Staat finanzierten rechtsextremen Propaganda deren Neubewertung der Geschichte. Die Zerstörung von zahllosen antifaschistischen Denkmälern im Baltikum (der Umstand, dass diese Denkmäler das Ergebnis stalinistischer Propaganda waren, ist in diesem Fall unerheblich) und die Schliessung des russischen Teils der Ausstellung in Auschwitz, um nur einige Beispiele zu nennen, sind nur einige von vielen, auch im Ausland sichtbaren Beispielen, für einen rasante Faschisierung in Osteuropa. Aus dem Inneren betrachtet sehen wir noch bösartigere Anzeichen, von denen einige im "alten Europa" längst bekannt sind: Die Erzeugung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, plattem Antikommunismus usw.

Die "Festung Europa", das heisst die EU, giesst mit ihrer Politik des kulturellen Rassismus, des Eurozentrismus und der Propaganda von den sogenannten "europäischen Werten" Öl ins Feuer - oder genauer gesagt, sie zündet das Feuer selbst an. Zu ihrer Phantasiewelt des freien Marktes gehört, dass die europäische Kultur, oder genauer, die der EU, einer der Zivilisation, der Hochkultur, der Toleranz und des Frieden sei - im Gegensatz zu den blutrünstigen Barbaren ausserhalb der EU.

Mittlerweile geht die Besetzung des Irak ins vierte Jahr, 600.000 IrakerInnen wurden ermordet und mehr als 1,6 Millionen dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Ein Ende dieses organisierten Chaos - von der US-Wirtschaft über die Menschen im Irak gebracht - ist nicht in Sicht. Irakische Massenvernichtungswaffen haben wir nicht zu sehen bekommen, dafür hat das US-Militär nicht davor zurückgeschreckt die eigenen chemischen Waffen einzusetzen - wie beispielsweise in der ersten Schlacht um Falludjah im April 2004, wo weisser Phosphor gegen die Aufständischen in der Stadt eingesetzt wurde.

Im Zuge der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen im Irak, müssen die Kinder auf ihrem Schulweg an Leichenbergen am Strassenrand vorbeigehen, weil niemand mehr da ist, der diese wegräumt. Gesundheitsversorgung ist zu einer Sache aus längst vergessenen Tagen geworden, denn in Krankenhäusern und anderen lebenswichtigen Diensten herrscht katastrophaler Personalmangel und die Hälfte der ÄrztInnen hat das Land bereits verlassen.

Der Irak ist zu einem Spielplatz für den islamischen und amerikanischen Imperialismus geworden, in dem die USA, der Iran und Syrien das Land als eine Bühne für ihren dreifachen Stellvertreterkrieg benutzen, so wie es Vietnam und andere Teile Südostasiens für Frankreich, die USA und die Sowjetunion währned fast der gesamten zweite Hälften des 20. Jahrhunderts gewesen sind.

Obwohl es schwer vorherzusagen ist, wie die Dinge sich entwickeln werden, ist es klar, dass eines der Ziele der Invasion erfüllt wurde: das irakische Öl wird auch weiterhin in US-Dollar gehandelt werden und nicht in Euro. Saddams Regime wurde genau zu dem Zeitpunkt das endgültige Ziel, als der Irak seine Öltransaktionen von US-Dollars in Euro umwandelte und hierin können wir auch den Grund für das "humanitäre" und "zivilisierte" Geschrei der EU nach einer friedlichen Lösung im Jahr 2003 finden.

Ein ähnliches Szenario wird nun in Sachen Iran ausgebreitet. Die Hauptsorge der USA und der EU ist nicht das iranische Atomprogramm (das realistischerweise ausschliesslich Israel direkt treffen könnte), sondern Irans Plan seinen Ölhandel ebenfalls im stabileren Euro abzuwickeln. Vor dem Hintergrund, dass Israel zunehmend nervöser wird angesichts einer aufstrebenden islamischen Atommacht im eigenen Hinterhof und nur noch auf grünes Licht seitens der USA für bereits geplante Angriffsschläge gegen zentrale Atomanlagen im Iran wartet, sehen die Menschen im Mittleren Osten und ihre ArbeiterInnenklasse einer unsicheren und düsteren Zukunft entgegen.

Dass all diese Krisen wirtschaftliche Grundlagen haben liegt auf der Hand. Der Kapitalismus ist mit seiner Taktik des "Teilens und Herrschens" davon abhängig, dass wir, die ArbeiterInnen der Welt, uns wegen solch unwichtigen oder nichtvorhandenen Sachen wie Rasse, Geschlecht, Nationalität, gegenseitig bekämpfen. Er versucht unsere Kräfte zu zersplittern und uns gegeneinander aufzuhetzen, damit wir sie nicht gegen unsere wahren Feinde wenden: den Staat und den Kapitalismus. Aber was die Regierungen und die Bosse wollen, ist nicht unbedingt das, was sie auch bekommen. Während der Kapitalismus die Grundlage für die Teilung herstellt, bringt er ebenso auch die Bedingungen hervor für direkte Aktionen und die Solidarität der ArbeiterInnen hervor.

Während wir den Kampf in den Betrieben fortsetzen, öffnet sich in Europa mit der Schlacht um Wissen und Bildung eine neue Front. Seit dem Beginn der Hochschulreformen in Europa, die als sog. "Bologna-Prozess" bekannt wurden, wird die Kommerzialisierung der höheren Bildung und Universitäten vorangetrieben, um sie den Bedürfnissen des "freien Marktes" anzupassen. Zugleich werden wir Zeugen von mehr und mehr radikalen StudentInnen-Streiks überall in Europa; von Deutschland und Frankreich über Griechenland und Serbien.

Überall auf der Welt werden sich die ArbeiterInnen bewusst, dass es einer grundsätzlichen Auseinandersetzung und direkter Aktionen gegen Staat und Kapital bedarf. Vom Balkan über Zentral- und Südost-Asien bis nach Lateinamerika werden sich ArbeiterInnen darüber bewusst, dass Anarchosyndikalismus der einzige sichere und realistische Weg ist, um diese beiden Plagen zu bekämpfen, die die Menschheit bereits zu lange quälen.

Leider müssen wir in Lateinamerika, trotz aller grossen Siege der ArbeiterInnen dort, uns vor dem Wiederauferstehen eines alten ideologischen und ökonomischen Vampirs hüten - dem Staatssozialismus in Form eines fanatisch katholischen und nationalistischen Bolschewismus. Einer seiner Hauptvertreter, der aus Funk und Fernsehen bekannte venezuelanische Komödiant, der unter seinem Künstlernamen "Präsident Chavez" berühmt wurde, möchte einen Polizeistaat a la Cubana, gewürzt mit etwas religiöser Inbrunst errichten. Der Personenkult ist im Aufbau und es wurde bereits angekündigt, dass es ein neues Schulfach geben soll – den "Chavismus" – dessen Lerninhalte absehbar aus langweiligen Witzen auf Kosten von George Bush bestehen werden oder in der Frage, wer Castros "bester Kumpel" ist.

Das zeigt, dass es innerhalb des staatlichen und kapitalistische Rahmens keinen längerfristigen Wohlstand für die ArbeiterInnenklasse geben kann. Ebensowenig können wir wirklich etwas gewinnen, wenn wir weiter auf unsere selbsternannten Herren vertrauen und dass diese sich für uns einsetzen und uns "den Weg zeigen". Wir selbst sind es, die durch eine Solidarität ohne irgendwelche Kompromisse und durch unsere direkte Aktion unseren Weg zur Freiheit und zum wirklichen Beginn menschlicher Geschichte und Fortschritts finden müssen.

Um diesen Kampf zu gewinnen, müssen wir unseren Widerstand globalisieren. An diesem Ersten Mai werden die IAA und ihre Sektionen wieder einmal ihre Kräfte auf den Kampf gegen die prekäre Arbeit richten und auf diese Weise am weltweiten Kampf um Freiheit teilnehmen. Ein Schwerpunkt muss auf die Entwicklung des Anarchosyndikalismus in der sog. "Dritten Welt" gelegt werden, auf die Orte, die weit weg liegen vom Medieninteresse, wo die ArbeiterInnen in diesem Augenblick den schlimmsten Grausamkeiten ausgesetzt sind, die je im Namen von Staat, Autorität und Kapitalismus begangen wurden. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass ArbeiterInnen in Indonesien, in Pakistan und dem restlichen Asien ihren Willen zeigen, den Weg des revolutionären Syndikalismus zu gehen. Die IAA ist voller Hoffnung auf eine Welt, in der es keinen sicheren Platz mehr für die kapitalistische und autoritäre Ausbeutung der ArbeiterInnen-Klasse mehr geben wird. Eine Welt, die sich kraftvoll in Richtung Freiheit bewegt. Einer Freiheit, die es nur in einer Gesellschaft ohne staatliche und kapitalistische Unterdrückung geben kann, im Libertären Kommunismus - der Anarchie.

Für Freiheit und Gleichheit: Direkte Aktion und Solidarität!
Lang lebe die IAA und der Anarchosyndikalismus!

Belgrad, 19. April 2007
IAA-Sekretariat