Kantinenboykott im Flüchtlingslager Bramsche-Hesepe – Flüchtlinge fordern humane Unterbringung

Bewohner und BewohnerInnen des Flüchtlingslagers (ZAAB) Bramsche-Hesepe sind seit dem 22.11.06 in einen unbefristeten Boykott des Kantinenessens getreten.

Sie schließen sich damit den Forderungen an, die während des Streiks der Flüchtlinge in der ZAAB Oldenburg erhoben wurden und verweisen darauf, daß Bramsche eine Außenstelle der ZAAB Oldenburg ist. Mit dem Boykott in Bramsche-Hesepe fordern die Flüchtlinge, daß die Außenstelle in die Gespräche, die nach dem Streik in Oldenburg angekündigt wurden, mit einbezogen wird. Zumal sich die Lebensbedingungen in beiden Lagern sehr ähnlich sind.

Für Bramsche kommt hinzu, daß hier auch Kinder leben müssen, wodurch sich die Situation, was die Ernährung durch das Kantinenessen angeht, noch einmal erschwert. Als Eltern fühlen sich die Flüchtlinge dafür verantwortlich, daß ihre Kinder gesund aufwachsen. Das betrifft auch die Schwierigkeiten bei der medizinischen Versorgung. Flüchtlinge haben nicht das Recht auf freie Arztwahl und ärztliche Verordnungen werden häufig von der Sozialstation verweigert.
Zudem weisen die BewohnerInnen darauf hin, daß die schulische Versorgung für die Kinder unbefriedigend ist. Sie klagen immer wieder darüber, daß sie in der lagereigenen Schule nicht richtig lernen können. Bei Krankheit eines Lehrers fällt der Unterricht ganz aus.
Für die Familien ist die Wohnsituation insgesamt schwierig. Fünf- bis sechsköpfige Familien müssen sich einen gemeinsamen Raum teilen. Die Eltern haben keinen Raum für eine Privatsphäre und auch für Jugendliche und Heranwachsende ergeben sich große Probleme, wenn sie keinen getrennten Raum für sich zur Verfügung haben.
Am Mittwoch, den 8. November, wurde in dem Lager ein Warnstreik durchgeführt, um diese Zusammenhänge deutlich zu machen. Mit dem heutigen Tag treten die Flüchtlinge in einen unbefristeten Streik, was bedeutet, daß sie nicht mehr in der Kantine essen werden. Mit diesem Streik soll erreicht werden, daß Gespräche mit den Verantwortlichen über die Lebensbedingungen im Lager stattfinden. Der größte Wunsch der Flüchtlinge ist, in eigenen Wohnungen leben zu können, mit einem Alltag, wie ihn alle Menschen in diesem Land haben. Zumindest aber müssen die Bedingungen in dem Lager verbessert werden.
Bereits im März dieses Jahres haben die BewohnerInnen des Lagers einen Brief dem Innenministerium und Vertretern und Vertreterinnen des Landtages überbracht. Es sind dem weder Gespräche oder Taten gefolgt, die die Situation geändert hätten.

Forderungen:
1. ernsthafte Gespräche, in denen es nicht nur um Rechtfertigungen geht, sondern
darum, daß die in dem Lager zwangsuntergebrachten Menschen im Rahmen
der Möglichkeiten menschenwürdig leben wollen
2. Schließung der Kantine, stattdessen die selbstständige Versorgung mit
Lebensmitteln und die Möglichkeit, Essen selbst zuzubereiten
3. Schließung der Lagerschule, stattdessen der Besuch aller Kinder von
Regelschulen mit entsprechenden sinnvollen Förderprogrammen
4. angemessene medizinische Versorgung, was bedeutet: freie Arztwahl, Gewährung von medizinischen Leistungen, die ärztlicherseits verordnet werden



Kein Streik ohne Streikkasse!!!

Spenden sind deshalb dringend erbeten. Es wird demnächst ein Konto in Osnabrück eingerichtet, bis dahin können die Spenden weiterhin auf das Streikkonto in Oldenburg überwiesen werden: Arbeitskreis Dritte Welt e.V., Konto-Nr. 015 131 337, BLZ 280 501 00, LZO, Verwendungszweck: Aktionstage

the caravan.org
labournet.de

Flüchtlinge streiken weiter

Protestaktionen im niedersächsischen Bramsche in zweiter Woche.
Dringend Unterstützer gebraucht

Von Ralf Wurzbacher

Zur Fortsetzung des vor zehn Tagen begonnenen Flüchtlingsstreiks im niedersächsischen Abschiebelager Bramsche-Hesepe bedarf es dringend stärkerer öffentlicher Unterstützung. Dazu haben am Dienstag antirassistische Gruppen und Flüchtlingsinitiativen aus der Region per Pressemitteilung aufgerufen. Eine Verlängerung der Aktion, mit der die rund 300 Insassen auf die menschenunwürdige Heimunterbringung aufmerksam machen wollen, sei am Montag nur »wider Erwarten« beschlossen worden. Eigentlich habe es danach ausgesehen, »daß der Protest abgebrochen werden müßte, weil sich bislang zu wenig Leute in die Unterstützung miteingeklingt haben«, heißt es in dem Schreiben.

Etliche Bewohner des in Hesepe, einem Ortsteil von Bramsche, gelegenen Heims hatten am Montag vergangener Woche einen unbefristeten Boykott ihres Kantinenessens gestartet. Hintergrund war ein Beschluß des Rats der Stadt Oldenburg, sich gegenüber der Landesregierung für Verbesserungen bei Unterbringung und Verpflegung im Zentralen Aufnahmelager der Ausländerbehörde (ZAAB) im nahegelegenen Blankenburg einzusetzen (jW berichtete). Vorausgegangen war ein Anfang November beendeter vierwöchiger Streik der mehrheitlich schwarzafrikanischen Insassen. Als Reaktion auf den von einer Welle der Solidarität begleiteten Dauerprotest hat der Stadtrat eine »ernsthafte« und »intensive« Prüfung der Kritikpunkte und die Entwicklung von Lösungsvorschlägen angekündigt.

Die Bewohner des Lagers Bramsche-Hesepe fordern nun, in die Gespräche zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einbezogen zu werden. Unter den unhaltbaren Zuständen hätten dort auch rund 150 Kinder zu leiden, schilderte Malte Kleinschmidt vom Antirassistischen Plenum Oldenburg am Dienstag im jW-Gespräch. In der »Außenstelle« der ZAAB Blankenburg seien vor allem Flüchtlinge mit abgelehntem Asylantrag kaserniert, deren Abschiebung »schnellstmöglich« abgewickelt werden solle. In diesen sogenannten »Ausreisezentren« werde mit allerlei Schikanen »gezielt Druck« auf die Insassen ausgeübt, um die »Ausreise« zu beschleunigen, so Kleinschmidt. Ein Merkmal des »Niedersächsischen Lagersystems« sei insbesondere das »ungenießbare« Kantinenessen. Unter anderem deshalb war es schon in der ersten Jahreshälfte in der Einrichtung zu mehreren Protest­aktionen gekommen.

Obwohl die Kampfbereitschaft der Streikenden »unvermindert groß« sei, werde ein Fortgang der Aktion »nur klappen, wenn sich ab sofort mehr Leute an der Organisation beteiligen«, heißt es in besagtem Appell.

Gesucht werden Leute, die Essen besorgen, abpacken und liefern können, Geld spenden und sich durch politisches Engagement, Öffentlichkeitsarbeit und Kontakte zu Anwälten und sonstigen Mitstreitern einbringen können.

Gegenwärtig organisieren antirassistische Gruppen aus Münster, Vechta, Oldenburg, Osnabrück und Bremen die Streikzuarbeit. Täglich müssen die Bewohner mit Lebensmitteln versorgt werden, die sie sich als Alternative zum »Heimfraß« auf zu diesem Zweck beschafften »Kochgelegenheiten« zubereiten.

/* Infotelefon: 0160/96857380 oder 0541/7508797 oder 0176/29466343/

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/11-29/020.php?sstr=fl%FCchtlinge