Dokumentation: zur Lage im Iran

Hiermit dokumentieren wir die Stellungnahme der Aktivisten von "Linke Einheit der Arbeiter Iran" an die weltweite Antikriegs- und antikapitalistische Bewegung zur Lage im Iran zwischen internationaler Krise und Klassenkampf.

Möglicherweise habt Ihr erfahren, dass ICFTU & TUAC-OECD einen gemeinsamen Aufruf zu Demonstrationen in Solidarität mit den streikenden Teheraner Busfahrern für 15. Februar 2006 veröffentlicht hat. Gleichwohl hat die Tatsache, dass dieser Anruf mit den jüngsten Bemühungen durch die USA und die europäischen Staaten zusammentrifft, Iran an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen und andauernden Anschuldigungen über die Ursprünge einiger Gewerkschaftsorganisationen, Zweifel und Misstrauen unter Antikriegs- und antikapitalistischen Aktivisten bezüglich der Absichten hinter diesem Aufruf hervorgerufen.

Wir, antiimperialistische und Antikriegsaktivisten, welche die iranische Arbeiterklasse verteidigen, verstehen diese Bedenken. Wir selbst lehnen jede Form von Sanktionen ebenso ab sowie begrenzte militärische Schläge oder gar einen Krieg gegen den Iran - wir sehen jedoch die Notwendigkeit, einige unser Land betreffende Punkte zu erklären: Die iranischen islamistischen Machthaber haben mit ihrer Wirtschaftspolitik während der gesamten zweieinhalb Jahrzehnte ihrer Herrschaft die Interessen des Weltkapitals verfolgt. Unter allen Präsidenten (jeder von ihnen war acht Jahre an der Macht) war die politische Ökonomie des iranischen Staates unter irreführenden Parolen (wie „Periode der Wiederaufbaus“, „Reform“ u.a.) gekennzeichnet von gewissenhaftem Gehorsam gegenüber der neoliberalen Wirtschaftsstrategie gemäß den Richtlinien des IWF, der Weltbank und – in Bemühung um einen Platz in der Welthandelorganisation - all dies im Rahmen eines plünderischen, korrupten Systems.

Nach der Präsidentschaft von Khatami und dessen abgrundtiefer Niederlage im Vergleich zu seinen Reform-Ansprüchen, steht das Land einer allumfassenden Krise gegenüber. Nicht nur die Versprechen, die Lebensbedingungen der Mehrheit zu verbessern, sind gescheitert. Ebenso weitet sich die Kluft zwischen Reichen und Armen aus; die Arbeitslosigkeit steigt täglich; Ministerien und Verwaltung sind durchlöchert von Korruption; täglich schließen Fabriken; jeder Protest wird brutal unterdrückt; Armut, Hunger, Prostitution, Kinderarbeit, Obdachlosigkeit nehmen zu. Binnen kurzem haben die sozialen Probleme ein verheerendes Stadium erreicht.

Allein in den letzten drei Monaten des Jahres 2005 hat die iranische Presse von über 2000 Arbeiterprotesten berichtet. In den meisten Fällen protestierten die ArbeiterInnen gegen Mängel bei der Arbeitsplatzsicherheit, Zeitverträge, Fabrikschließungen, Nicht-Zahlung von Löhnen usw. Hinzuzufügen wäre der Umstand, dass iranische ArbeiterInnen ihres Streikrechts beraubt werden ebenso wie des Rechts, unabhängige Arbeiterorganisationen zu gründen und sich zu Sitzungen und Treffen zu versammeln.

Der iranischen Presse zufolge, sagt die Weltbank voraus, dass die Arbeitslosenquote in Iran in den folgenden fünf Jahren sogar weiter zunehmen wird. Berücksichtigt man dabei, dass das derzeitige Durchschnittsalter in Iran bei zwölf Jahren liegt, wird im Jahr 2010 die Erwerbslosigkeit 23 Prozent betragen. Natürlich ist die tatsächliche Arbeitslosenzahl viel höher - und nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten wurden viele entlassen, sogar in den niedrigrangigen Regierungsposten und an den Hochschulen, um sie durch der neuen Regierung Ergebene auszutauschen. All dies hat ein Maß an Instabilität geschaffen. Innerhalb dieses wirtschaftlichen und politischen Rahmens, wurden am 22. Januar 2006 etwa 1.200 Arbeiter des Busunternehmens Vahed festgenommen und zum berüchtigten Gefängnis Evin gebracht, weil sie gestreikt hatten. Viele Arbeiter sind noch immer im Gefängnis und den Freigelassenen wurde erklärt, dass sie nicht zur Arbeit zurückkehren können. 17.000 Arbeiter dieses Unternehmens haben sich an einem langen Kampf zur Gründung einer vom Staat unabhängigen Gewerkschaft beteiligt. In der Vergangenheit wurden wegen dieser Kämpfe der Vorsitzende der Gewerkschaft und viele Mitglieder des gewählten Vorstands der Arbeiterorganisationen von den Sicherheitskräften und von den Mitgliedern des islamischen Rates (staatliche Arbeitervertretung in jedem Betrieb) angegriffen - und viele werden derzeit im Gefängnis festgehalten.

Deshalb ist ein vereinter Kampf zur Verteidigung dieser inhaftierten Arbeiter, der internationale Solidarität zeigt und ihre sofortige und bedingungslose Freigabe verlangt, so wichtig. Selbstverständlich hat die ICFTU einen Aufruf herausgegeben, der zu weltweiter Solidarität mit diesen Arbeitern am 15. Februar aufruft. Es ist unklar, wie viele Gewerkschaftsaktivisten diesen Anruf unterstützen und versuchen werden, diese Kämpfe unter Arbeitern an der Basis bekannter zu machen. Jedoch bezweifeln wir nicht, dass die Forderungen der iranischen Arbeiter und die der Arbeiter Vahed derzeit an Aufmerksamkeit gewinnen und es echte Unterstützung für iranische Arbeiter gibt. In einer Zeit, in der Kriegstreiber eine in hohem Maße angespannte Stimmung schaffen, muss jeder Protest vor den Botschaften der Islamischen Republik Iran (die wir Iraner als Nest von Spionen des Regimes betrachten) sich unmissverständlich gegen die militärischen Aggression von Seiten der USA und der europäischen Staaten stellen, aber auch die Unterstützung der Arbeiterkämpfe in Iran transportieren.

Dieses ist die Herausforderung, der wir uns gegenübersehen und deshalb erklären wir: Sanktionen durch den US-Sicherheitsrat oder jede Militäraktion, selbst wenn sie begrenzt ist, wird Iran in die dunkle Zeit des reaktionären Krieges zwischen Iran und Irak zurückwerfen, in der sowohl der Staat als auch die Privatwirtschaft die [internationalen] Sanktionen als Ausreden für die beispiellose Ausplünderung der Arbeiter verwendeten und astronomische Vermögen anhäuften; und in der die Sicherheitskräfte eine Gelegenheit bekamen, jede Meinungsverschiedenheit mit der Anschuldigung „Landesverrat in Kriegszeiten“ zu unterdrücken. (Während dieses Krieges benutzte das iranische Regime den Krieg als Ausrede dafür, zehntausende SozialistInnen und KommunistInnen zu verhaften und hinzurichten).

Wir, Aktivisten der Antikrieg- und antikapitalistischen Bewegung, Anhänger der Arbeiterbewegung in Iran, verurteilen jede Militäraktion oder Wirtschaftssanktion, die durch die UNO verhängt wird. Indem wir die Kriegstreiberimperialisten verurteilen, versichern wir nochmals, dass das Schicksal der iranischen Arbeiterklasse nicht zu trennen ist von den Interessen ihrer KollegInnen in Afghanistan, im Irak oder in irgendeinem anderen Land der Gegend. Jede Unterstützung und Solidarität mit iranischen Arbeitern ist bedeutungslos, es sei denn sie geht einher mit der Verurteilung imperialistischer Politik, durch die der Weltkapitalismus versucht verschiedene Länder zu beherrschen und zu besetzen.

Selbstverständlich verurteilen wir als Iraner auch jüngste Gesten der Außenpolitik des iranischen Regimes, das unser Land in solch eine lebensgefährliche Situation gebracht hat.
Die Solidaritätsaktivitäten der internationalen Arbeiterorganisationen und Gewerkschafter begrüßend und mit ihnen zusammenarbeitend, wiederholen wir nochmals unsere Opposition gegen Sanktionen Militärschläge und sagen am 15. Februar:

Wir unterstützen die Kämpfe der Busarbeiter in Teheran, ihr Recht, unabhängige Arbeiterorganisationen aufzubauen und verlangen die sofortige und bedingungslose Freigabe von Mansour Ossanlou und allen weiteren verhafteten Arbeitern.
Wir verteidigen den Klassenkampf in Iran. Wir sind gegen Krieg, gegen die Plünderung durch Weltkapitalismus, und wir sind ein Teil der internationalen Bewegung für eine andere Welt.

Lang leben die unabhängigen Kämpfe der iranischen Arbeiterklasse!
Sieg den Kämpfen der inhaftierten Arbeiter in Iran!
Lang lebe die internationale Solidarität!

"Linke Einheit der Arbeiter"