Ein-Euro-Klitschen dicht machen! EVA stinkt zum Himmel.

Im Rahmen der Kampagne "Agenturschluss" haben etwa 30-40 Personen (darunter Kölner Anarcho-SyndikalistInnen) am Morgen des 20. Mai ab 6.45 Uhr einen "Maßnahmeträger" in Köln-Ehrenfeld aufgesucht, um den Betrieb dort lahm zu legen und mit den Arbeitslosen in Kontakt zu treten. Das ist auch für etwa 2 Stunden gelungen.
Die Frage ist allerdings, ob man einen Betrieb überhaupt lahm legen kann, in dem zumeist sowieso nichts passiert außer organisierte Langeweile.

Der Laden namens EVA (Ehrenfelder Verein für Arbeit und Qualifizierung e.V + gGmbH) hat sich auf das neue Segment der Ein-Euro-Jobs und Pseudo-Arbeit spezialisiert. Die Betreiber kassieren Geld vom Arbeitsamt dafür, dass sie Arbeitslose in verschiedenster Form bearbeiten und vom Leistungsbezug abschrecken. Zwischen 150-300 Leuten sind dort untergebracht. Die Tätigkeiten bei EVA sind recht unterschiedlich, gleichen aber eher Verhaltenstherapien oder Resozialisierungsmaßen als sinnvoller Qualifizierung oder gar kapitalistischer (also irgendwie profitabler und halbwegs effektiv organisierter) Lohnarbeit. Recht unterschiedlich und in sich gespalten ist auch die „Belegschaft“ und deren Interessenslage.

Genoss die Blockade besonders bei den Jugendlichen unter 25 – der am schlechtensten gestellten Fraktion des EVA-Proletariats – große Sympathien, gab es auch zwei hässliche Angehörige der Arbeiterklasse zu bestaunen, die von Solidarität, Nachdenken über die eigene Lage, oder gar Streik nichts wissen wollten, sondern auf ihrem Recht auf Arbeit (hier in der sinnlosesten und billigsten Form) bestanden. „Lasst mich hier durch, sonst schlag ich euch kaputt.“ Sowas gibt es auch! White trash, deutsche Asis – im konkreten Fall im Alter über 50 und dumm wie Bohnenstroh. Solche Typen haben damals mit Freude den Westwall und Hitlers Autobahnen gebaut und sind stolz auf einen Dreck. Hauptsache Arbeit. Dazwischen waren jede Menge Unentschlossene und Interessierte und natürlich auch redselige SozialarbeiterInnen und BetreuerInnen, die versuchten mit warmer weicher Stimme an unsere Vernunft zu appellieren.

Die Aktion bietet Anlass, genauer darüber nachzudenken, wie sich der Arbeitslosenkampf in der neuen Epoche der Pseudo-Arbeit entwickeln könnte und wie eine militante Arbeitslosen-Bewegung quasi von außen in einen Betrieb intervenieren kann. Ferner sollten wir uns die Spaltungs- und Lenkungsmechanismen (Lohnunterschiede, Gratifikationen etc.) in solchen Betrieben anschauen, wie sie von den Insassen dort reproduziert werden und wie sich dem entgegen wirken ließe. Mehr dazu werde ich in der nächsten Ausgabe der DA (anarcho-syndikalistische Zeitung) veröffentlichen - falls die Redaktion einverstanden ist ;) .


Folgendes Flugblatt haben wir vor der EVA verteilt:

EVA stinkt zum Himmel!


Liebe Arbeitslose und Ein-Euro-Jobber!
Wir kommen euch heute bei EVA aus drei Gründen besuchen:

  1. Wir sind gegen Ein-Euro-Jobs, weil sie eine Form von Zwangsarbeit sind.
  2. Viele von uns sind selbst arbeitslos. Keine und keiner von uns will irgendwann einmal in einer Klitsche wie der EVA landen.
  3. Wir wollen mit euch überlegen, wie wir gemeinsam diesen scheinheiligen Verein bekämpfen können.

Reden wir nicht lange drum herum: Die Arbeit bei EVA ist doch der letzte Käse, oder etwa nicht? Offiziell ist das, was ihr da macht, auch gar keine Arbeit, sondern eine „Arbeitsgelegenheit“. Ihr macht eine „Maßnahme“ die euch „qualifizieren“ und in den Arbeitsmarkt „integrieren“ soll. Die Realität hinter diesem Sozialpädagogen-Geschwafel sieht ja wohl ganz anders aus.

Die Werkstätten sind hoffnungslos unterversorgt. Niemand hat wirklich Bock, hier was zu machen. Es fehlt an Material und vernünftigem Werkzeug. Man langweilt sich zu Tode und lernt überhaupt nichts außer einer Sache: So zu tun als würde man arbeiten. Und pünktlich um kurz vor 7 Uhr morgens zu stempeln. (Warum eigentlich so früh? Warum nicht um 8 oder 9 Uhr? Die Antwort: Aus reiner Schikane.)

Arbeitsmarkt? Welcher Arbeitsmarkt?
Den Arbeitsmarkt, in den ihr angeblich integriert werden sollt, den gibt es da draußen sowieso nicht. Eher machen eure Tätigkeiten, wenn ihr denn mal auf eine Baustelle verschickt werdet oder ein paar Waschmaschinen oder Computer repariert habt, den Arbeitsmarkt kaputt, indem ihr in Konkurrenz zu den Firmen tretet, die keine Zuschüsse von der Stadt oder dem Arbeitsamt kriegen. Und diese Firmen senken dann wieder die Löhne oder machen Pleite. Und wo landen die Entlassenen dann? Bei EVA oder vergleichbaren Verwahranstalten, die mittlerweile wie Pilze aus dem Boden sprießen.

Das ist alles der komplette Schwachsinn. Es hat nur einen Grund: Ihr sollt aus der Statistik verschwinden. Denn wer eine Maßnahme macht, wird nicht als arbeitslos gezählt. Zum anderen werden durch diese Maßnahmen viele abgeschreckt, überhaupt Leistungen zu beziehen. Manchen ist der Laden einfach zu blöd und die Lebenszeit zu schade, um sie hier zu vergeuden, andere kennen ihre Rechte nicht und werden gesperrt. Sie alle beschönigen die Statistik. Und die Politiker stellen sich bei der nächsten Wahl frech vor die Kameras und feiern das
als Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. („Hartz IV
beginnt zu greifen.“) Zum Kotzen ist das.

Reden wir vom Geld:
Für eure Anwesenheit kriegt ihr eine „Mehraufwandsentschädigung“, die noch nicht einmal reicht, die Fahrt zu EVA und ein ordentliches Mittagessen zu bezahlen. Acht Stunden mal 70 Cent ergibt 5,60 €. Eine Fahrt mit der KVB kostet mittlerweile 2,10 €. Der größte Witz: Diesen Mehraufwands-Pseudo-Lohn unterteilen sie noch in verschiedene Kategorien: Manche kriegen 70 Cent, andere 1,20 € und wieder andere 1,50 €. Warum diese Unterschiede? Hat das irgend einen logischen Grund? Der „Mehraufwand“ ist für einen Arbeiter unter 25 ja wohl der selbe wie für einen gelernten Maschinenschlosser im Alter von 55. Wir alle müssen irgendwie mit der Bahn oder dem Auto fahren, wenn wir nicht zufällig um die Ecke wohnen, und wir essen auch alle gern zu Mittag. Der einzige Grund ist, dass die EVA-Sozialpädagogen-Strategen in ihren schlauen Seminaren gelernt haben, dass man eine Gruppe von Menschen besser lenken kann, wenn man sie in verschiedene Kategorien einteilt: Teile und herrsche.

Im Gesetz steht übrigens, dass für solche „Maß-nahmen“ 1 bis 2 Euro pro Stunde gezahlt werden sollen. EVA kriegt für jeden von euch mindestens 300,- € im Monat. Bei jeder Stunde, die ihr unentschuldigt fehlt, klingelt dann die Kasse. Dann werden 2,77 € pro Stunde abgezogen. Irgendwie komisch: Man kann nur 0,70 € verdienen, aber fast das Vierfache abgezogen bekommen. Klingt nach einem schlechten Deal. (Wieviel kriegen eigentlich die Damen und Herren Sozial-Pädagogen pro Stunde?)

Was wollen wir eigentlich?
Zunächstmal betrachten wir die Vereinbarungen, die ihr bei EVA oder Sprungbrett unterschrieben habt, als unzumutbar. Für uns sind das Zwangsmaßnahmen, die wir grundsätzlich ablehnen und die auch juristisch auf wackligen Beinen stehen. 345,- Euro Alg II im Monat plus Miete stehen euch einfach zu. Grundsätzlich gilt:

•Weg mit Ein-Euro-Pflicht-Diensten!

Als Sofortmaßnahme fordern wir:
• Zwei Euro Mehraufwand pro Stunde für alle!
• Ein warmes Mittagessen für alle!
• Kostenloses JobTicket für alle!

Kölner Kampagne Agenturschluss

Presse und andere Berichte

Hintergrund-Artikel zum "Kölner Modell" in der taz vom 31. 12. 2004

Augenzeugen-Bericht von Rio mit Fotos

Bericht in der taz-koeln vom 21. Mai 2005