Schöner Leben ohne Kapitalismus!

Demonstration:
Gegen den Opernball 2005
26. Februar 16 Uhr
Kaisersack/Hbf Frankfurt/M.

Viva la vita … lautet das Motto des „Deutschen Opernballs“ 2005, der am 26. Februar in der Frankfurter Alten Oper stattfindet. „Es lebe das Leben!“ Damit soll laut Veranstalter ein „farbenfroher Kontrastpunkt zu den beschwerlichen Reformanstrengungen landauf landab“ gesetzt werden. „Zur Feier des positiven Lebensgefühls“ werden 2300 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft erwartet.

Also genau die gesellschaftliche Elite, die aktuell den Abbau der Sozialen Rechte durchsetzt, will hier unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler durch die Nacht tanzen.

Im letzten Jahr nahm neben Roland Koch und Friedrich Merz zum Beispiel auch Horst Teltschik, Organisator der jährlich von Protesten begleiteten „NATO-Sicherheitskonferenz“ teil. Das Motto des Balls ist also nur als zynische Provokation zu begreifen. Ist doch genau diese „Elite der Gesellschaft“, die hier die „beschwerlichen Reformen“ feiern will, wohl kaum selbst von ihnen betroffen. Was erwarten die Veranstalter, was passiert, wenn die gesellschaftliche Elite unter diesem Motto feiert, während die „Reformen“ nur eine Zementierung des Sozialabbaus in Form von Studiengebühren, Fahrpreiserhöhungen, Gesundheits-, Kranken-, Arbeitsmarktreform, … etc. pp. bedeuten.

Doch ist es aus der Logik der herrschenden Politik heraus keineswegs abwegig und nicht mal zynisch, zum „Reformmief“ positive Begleitmusik zu spielen. Angela Merkel (CDU) beispielsweise findet, dass „Reformen und Patriotismus zwei Seiten einer Medaille“ sind. Nicht nur ein „positives Lebensgefühl“ soll geschaffen werden, sondern gar ein nationales Gefühl geweckt werden; Man soll seine eigenen Interessen in eins setzen mit dem Interesse des „Standort Deutschland“ und somit „verstehen“, dass jede Reform für Deutschland eigentlich einem selbst zu Gute kommt. Hartz IV bleibt zwar was es ist – ob „für mich“ oder für Deutschland – ein Generalangriff auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Aber es soll sich eben gleich ganz anders an anfühlen, wenn man weiß, dass es zwar nicht gut für mich, aber gut für „unser Land“ ist…

Dass dieses standortnationalistische Gelaber in Bezug auf das Wohlergehen der einzelnen Menschen rein gar nichts, für die „Wettbewerbsfähigkeit“ von Nation und Kapital dafür umso mehr bringt – liegt jedoch auf der Hand. Zwar wird auf der einen Seite Egoismus und rücksichtslose Durchsetzung ökonomischer Interessen gefordert, doch „zusammengehalten“ wird die Gesellschaft von der Formel „Gemeinnutz steht vor Eigennutz“. So weit, so schlecht schon die normale bürgerliche Gesellschaft.
In Deutschland hatte diese Formel allerdings schon immer einen besonderen Stellenwert. Hier war es besonders oft nicht einmal das bürgerliche Einzelinteresse, sondern vielmehr „Volk“ oder Staat für das der einzelne Mensch lebte bzw. starb. So sind hierzulande auch Gewerkschaften, übrig gebliebene Sozialdemokratie und die „neue“ Linkspartei nicht in der Lage, eine ernstzunehmende Alternative zu den Reformplänen von Regierung und Opposition anzubieten. Alleiniger Maßstab aller Konzepte ist schließlich das Wohlergehen des „Standort Deutschland“ als Prüfstein für „Machbarkeit“ in dieser Gesellschaft. Gerhard Schröder hat also durchaus recht, wenn er sagt, „es gibt keine Alternative zu unseren Plänen“. Eine wirkliche Alternative wäre schließlich nur eine, die sich der Logik von Standort, Rentabilität und Kapital widersetzt. Eine, die bei der objektiven Möglichkeit von Wohlstand für alle jenseits von Arbeitszwang und Verwertung ansetzt und sich nicht den Kopf von Kapital und Staat zerbricht, um das x-te Mal zu beweisen, dass eine menschliche Gesellschaft auf dem Boden des Kapitalismus nicht funktioniert. Der Widerspruch schließlich, dass durch die technische Entwicklung und die Arbeitsorganisation immer weniger elende Arbeit nötig ist, dadurch jedoch das Leben der Menschen immer schlechter wird, lässt sich innerhalb des Kapitalismus nicht aufheben.


Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Da die „Opposition gegen Sozialabbau“ aber genau dies nicht begreift, ist es kein Wunder, wenn gewerkschaftsnahe Kreise, die im letzten Jahr mit der Forderung nach „gerechter Umverteilung des Reichtums“ zu einem „Lumpenball“ gegen den Opernball aufriefen, Schröders Aufforderung ernst nahmen und tatsächlich die „unpatriotischen Unternehmer“ verantwortlich machten für das, was sie nicht verstehen wollen. Lernt man doch in jeder Marx-Einführung, – und diese Leute haben sicher eine gelesen – dass, um die Gesellschaft zu verändern, nicht die Verteilung, sondern grundsätzlich die Produktionsweise des gesellschaftlichen Reichtums geändert werden muss. Außerdem ist die Vorstellung, dass die führenden Akteure der kapitalistischen Gesellschaft für diese ursächlich verantwortlich seien ohnehin gröbster Unfug. Schließlich setzen diese eben „nur“ die sog. „Sachzwänge“ um, die in der unmenschlichen Logik des Kapitalismus angelegt sind: Verwertungszwang und globale Konkurrenz.
Wenn wir also dazu aufrufen, am 26. Februar den reaktionären Gipfel in der Alten Oper zu besuchen, so ist dies keineswegs so zu verstehen, dass wir die Ballgesellschaft verantwortlich machen für den Kapitalismus. Wenn wir gegen die aktuell verantwortlichen Akteure des Sozialabbaus vorgehen, so ist dies nicht mißzuverstehen als Forderung nach „Lumpen für alle“. Wir wollen keine Gleichheit im Elend, sondern ganz realistisch und dem Anlass angemessen: Luxus und Buffet für alle!


Klassenfahrt
Während also mit Sozialabbau und Reformhype der „Klassenkampf von oben“ in eine neue Runde geht, stellt sich die Frage, was eigentlich mit dem „revolutionären Subjekt“ aka Arbeiterklasse, die es doch eigentlich richten sollte, los ist. Der Plan ist nicht ganz aufgegangen, denn im Laufe der Geschichte hat sich gezeigt, dass emanzipatorisches Engagement keineswegs automatisch etwas mit der sozialen Stellung in der Gesellschaft zu tun hat. Eine „objektiv unterdrückte“ Gruppe von Menschen ist nicht unbedingt geeigneter oder ungeeigneter als andere zur Einsicht in die Mechanismen oder gar zur Überwindung des Kapitalismus. Und auch eine „Verelendung“, wie sie vor längerer Zeit noch als Vorbedingung für „richtiges Bewusstsein“ gehandelt wurde, führt nach Wegfall der organisierten Arbeiterbewegung vielmehr zu Vereinzelung und Brutalisierung als zu emanzipatorischen Einsichten.
Spätestens aber seit dem Nationalsozialismus – als auch große Teile der Arbeiterbewegung ihr „Deutschsein“ wichtiger nahmen als die Klassenzugehörigkeit, um gemeinsam mit den ehemaligen Klassenfeinden in der „Volksgemeinschaft“ aufzugehen – verbietet sich der positive Bezug auf eine revolutionäre Klasse „als solcher“.
Heute geht es vielmehr darum, gemeinsam gegen die Grundlagen des Kapitalismus an sich vorzugehen. Gemeinsam meint dabei, soweit möglich, eine nicht-identitäre Definition des politischen Projekts für sich, jenseits nationaler Eingemeindung sowie rassistischer und sexistischer Zuschreibungen. Es ist also Willensentscheidung und Möglichkeit jedes einzelnen, sich für eine Solidarität jenseits von Nation und Volk, für den Kampf um ein gutes Leben für alle Menschen zu entscheiden und dies organisiert praktisch werden zu lassen. Die bereits bestehenden Ansätze des Widerstands gegen kapitalistische Verwertung und nationale Standortlogik, wie z.B. die Kampagne Agenturschluss gegen den Start von Hartz IV im Januar mit ihren unterschiedlichsten Aktionsformen, sollten in diesem Sinne auch jenseits der Proteste anlässlich solcher Events wie dem „Opernball“ weiterentwickelt werden. Ein passender und wichtiger Anlass, die Ablehnung der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung deutlich zu machen, sind diese „reaktionären Gipfel“ dennoch. Geht es doch für die Linke schlichtweg darum, öffentlich zu artikulieren: Es muss und darf nicht bleiben, wie es ist.

In diesem Sinne:
Zum Opernball – Gegen Standortnationalismus und Sozialabbau – Luxus Für ALLE

Homepage: http://opernball.ainfos.de/aufruf.html