Länger schuften: IG Metall, wir danken Dir!

Der Tarifvertrag vom Frühjahr macht es möglich: Betriebe können bei Bedarf die 40-Stundenwoche einführen. Sie brauchen nur die Zustimmung des Betriebsrates.
Nun hat Siemens in NRW von dieser Möglichkeit zur Senkung der Personalkosten durch extensivere Ausbeutung der Arbeitskraft gebraucht gemacht. DaimlerChrysler, die Bahn und Philips wollen folgen.

Wir dokumentieren einen Bericht der Financial Times Deutschland vom 25. Juni 2004:

Konzerne verlängern Arbeitszeit

Nach Siemens will auch die Bahn zurück zur 40-Stunden-Woche. 10.000 Stellen bei DaimlerChrysler sind bedroht.

Große Unternehmen in Deutschland drängen mit der Drohung einer Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland immer stärker auf eine Verlängerung der Arbeitzeit. Der Elektrokonzern Siemens vereinbarte am Donnerstag für seine beiden Handywerke in Bocholt und Kamp-Lintfort eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. Im Gegenzug sagte er Investitionen von 30 Mio. Euro zu, um die beiden Standorte langfristig zu sichern.

Auch bei DaimlerChrysler sieht der Betriebsrat bis zu 10.000 Stellen in Gefahr, wenn die Beschäftigten nicht einer Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit zustimmen. Siemens nutzt wie der Autokonzern DaimlerChrysler und andere Unternehmen eine Klausel in dem im Frühjahr mit der IG Metall geschlossenen neuen Tarifvertrag. Sie ermöglicht in der Metallbranche in bestimmten Fällen eine Erhöhung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden, sofern der Betriebsrat zustimmt. Bedingung ist, dass die Unternehmen die Beschäftigung sichern und Investitionen zusagen.

Im Fall der beiden Siemens-Werke hatte die Konzernführung damit gedroht, die Produktion im Juli nach Ungarn zu verlagern. Rund 2000 Arbeitsplätze wären dadurch an den beiden Standorten bedroht gewesen. Unter diesem Druck akzeptierten die insgesamt 4500 Beschäftigten eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf 40 Stunden.

Warnung vor Arbeitsplatzabbau

Bei DaimlerChrysler warnte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm am Donnerstag ebenfalls vor dem massiven Abbau von Arbeitsplätzen. "Wir haben 10.000 Leute zu viel an Bord", sagte Klemm. Diese "planerische Lücke" lasse sich nur durch neue Modelle oder Varianten schließen. Diese würden nach Angaben des Vorstands aber nur dann produziert, wenn die Betriebsräte in eine drastische Verringerung der Personalkosten einwilligten. Klemm signalisierte Verhandlungsbereitschaft. Die Arbeitnehmer seien bereit zu flexiblen Lösungen, "die dem Unternehmen die Möglichkeit geben, weiter gutes Geld zu verdienen". So seien sich die Betriebsräte über die Möglichkeit der Arbeitszeitverlängerung auf 40 Stunden in der Forschung und Entwicklung im Werk Sindelfingen einig.

Andere Firmen folgen

Dem Beispiel der beiden Konzerne wollen zahlreiche andere Unternehmen folgen. So plant auch Philips die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche in seiner Halbleiterproduktion in Hamburg. Die Deutsche Bahn möchte in den laufenden Tarifverhandlungen ebenfalls über das Thema reden. "Wir haben Wettbewerbsnachteile gegenüber unserer Konkurrenz auf der Schiene, Straße, Wasser und in der Luft, unsere Arbeitskosten liegen bis zu 25 Prozent über denen der Wettbewerber", sagte Personalvorstand Norbert Bensel der FTD. "Die 40-Stunden-Woche mit einhergehender Arbeitszeit-Flexibilisierung ist daher eine von vielen Alternativen, über die diskutiert werden muss."

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser lobte am Donnerstag den Siemens-Abschluss: "Unser neuer Tarifvertrag erleichtert Anpassungs- und Umbauprozesse der Unternehmen und leistet einen Beitrag zur Sicherung von Standorten und von Arbeitsplätzen", sagte er. Die IG Metall versuchte allerdings den Eindruck zu vermeiden, die Vereinbarung bei Siemens bedeute einen Dammbruch für die gesamte Branche. "Das ist kein Modell für die Metall- und Elektroindustrie", sagte ihr Tarifexperte Armin Schild der FTD. Auch der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, sieht keine Notwendigkeit für eine generelle Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. "Dass wir etwas mehr Flexibilität brauchen, steht aber außer Frage", sagte er der FTD.

Quelle: http://www.ftd.de/ub/in/1087555699474.html?nv=hpm