Bundesweite Zerstörung von Scheiben und Schlössern bei Schlecker

In der Nacht vom 20. zum 21.06.2004 wurden in Berlin mindestens 4 Schlecker-Filialen mit Farbe beworfen, die Schlösser der Türen verklebt oder die Scheiben eingeworfen. Das ist kein lokales sondern ein bundesweites Ereignis, da es schon in Frankfurt am Main passiert ist.

Die TäterInnen wollen offenbar durch diese koordinierten Aktionen gegen die besonders schlechten Arbeitsbedingungen in den Drogeriemärkten der Firma "Schlecker" aufmerksam machen.

Bei den letzten Anschlägen in Berlin waren betroffen: Die Muskauerstrasse 44, die Dudenstrasse 66, Gneisenaustrasse 72, die Obentrautstrasse (alles in Kreuzberg) und die Mengerzeile in Treptow.

Bereits am 7. Mai wurde in der Frankfurter Rundschau berichtet dass Unbekannte mit Pflastersteine gegen Filialen in fünf Stadtteilen im Stadtgebiet Frankfurt am Main auf Filialen der Drogerie-Kette "Schlecker" Anschläge verübt hätten. Betroffen waren damals Märkte in Hausen, Bornheim, Sossenheim und in Alt Fechenheim und ausserdem im Nordend.

Die Zeitung Frankfurter Rundschau schrieb am 7.05.2004: "Die Täter beschädigten mit Pflastersteinen die Schaufenster, einige gingen dabei zu Bruch, berichtet die Polizei. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Sachbeschädigungen politisch motiviert sind. In der Nähe von dreien der betroffenen Märkte wurden anonyme Bekennerschreiben aufgefunden, in denen firmeninterne Vorgänge (Betriebsklima, soziale Belange) kritisiert und (in denen) "Kapitalismus abschaffen!" gefordert werden."

Der Schaden in Frankfurt soll sich auf mehrere zehntausend Euro belaufen haben.

In rund 10500 Schlecker-Filialen bundesweit arbeiten wohl 40 000 Beschäftigte, von denen die meisten Frauen sind, die in Teilzeit und unter miserablen Bedingungen arbeiten und oft angelernt sind. Es wird häufig über Mobbing am Arbeitsplatz, Raubüberfälle, lange Arbeitszeiten, fehlenden Pausen, permanenten Kontrollen, enormen Stress, kaum Toiletten und fast keine Telefone geklagt.

Obwohl AnarchosyndikalistInnen ja gegen Betriebsräte sind, kann mensch ja erwähnen, dass es gerademal insgesamt 75 Filialen mit Betriebsräten gibt (bei 10500) und in Hamburg, mit seinen 130 Filialen nicht mal ein einziger.

In einer verbreiteten Pressemitteilung der angeblichen TäterInnen wird geschrieben: "Wir haben diese Formen gewählt, da wir denken, das sich mit der Forderung nach Betriebsräten und Einhaltung der Mindeststandarts allein nichts wirklich ändern kann."

Es steht weiter drin: "Gegen den konzertierten Angriff dieser (kapitalistischen Unternehmer-) Lobby müssen wir uns betriebs- und spartenübergreifend organisieren und zwar ausdrücklich ohne einen Unterschied dahingehend zu machen, ob sich eine den Mitgliedsbeitrag der Gewerkschaft leisten kann oder nicht!"

Auch finden oft Überfälle auf Schlecker-Filialen statt, so schreib beispielsweise Verdi im Internet:

"Mindestens eine der 11.000 deutschen Schlecker-Filialen ist an jedem Tag Schauplatz eines Verbrechens. Nach offiziellen Angaben des Drogerie-Riesen - 6,2 Mrd. Euro Jahresumsatz - gab es 2002 fast 340 Überfälle. Damit liegt das Unternehmen weit vorn in der Statistik, denn für den gesamten Einzelhandel zählte die Berufsgenossenschaft 1026 gemeldete "Gewaltanwendungen durch Menschen"... Bei den meisten Raubüberfällen werden die Beschäftigten mit Waffen bedroht oder verletzt. Die Opfer tragen oft schwere körperliche und psychische Schäden davon."

So wurde erst am 16.April 2004 eine 50 jährige Filialleiterin in Esslingen Opfer eines Raubmordes bei Schlecker.

Ende März veröffentlichte die ARD-Sendung Plusminus:
"...Die großen Discounter (melden) ständig neue Rekordzahlen. Doch der Erfolg wird zum Teil auf Kosten der Belegschaften erzielt, sagen die Gewerkschaften... In Deutschland betreiben Discounter wie Aldi, Lidl und Schlecker allein 16.500 Filialen mit über 100.000 Beschäftigten. Drei Viertel davon sind Frauen. Die meisten von ihnen arbeiten als ungelernte Teilzeitkräfte oft 20 bis 25 Stunden in der Woche. Netto bleiben da bei der Lohnsteuerklasse IV rund 700 Euro im Monat übrig."

Die Tarife der Gewerkschaft Ver.di sind folgende: "Eine Verkäuferin die z.B. bei SCHLECKER in Berlin ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung anfängt, verdient derzeit 9,61 € brutto im Westen der Stadt. Im Osten liegt der Stundenlohn nochmals 30 Cent niedriger. Mit Ausbildung und langjähriger Berufserfahrung kann das Gehalt bis maximal 12 Euro brutto/Stunde steigen, im Osten muss die Verkäuferin mit 11,65 Euro brutto / Stunde auskommen."

Die Verdi-Betriebsräteversammlung letzten November in Gotha forderte: "Flächendeckende Betriebsräte bei Schlecker, Bessere Personalbesetzung - mindestens ständig 2 Beschäftigte in der Verkaufsstelle, Sicherheit und Schutz der Beschäftigten [und die] Achtung der Menschenwürde"

Im Gegensatz dazu berufen sich die Schlecker-AttentäterInnen in der "Pressemitteilung" auf die Traditionen der unionistischen "Industrial Workers of the World"- Gewerkschaft (Wobblies) und heben hervor das in der IWW gerade prekär Beschäftigte wie "Ausländer, Schwarze und Frauen" aufgenommen wurden. Und weiter: "Sie verlangten weder hohe Mitgliedsbeiträge noch die Zugehörigkeit zu einer bestimten Arbeiterelite. Für die Wobblies war klar, dass Solidarität und massenhafte Sabotage ihre stärksten Waffen gegen die mächtigen Industriekapitäne sind."

Obwohl die TäterInnen schreiben: "Let´s get organized" schreiben sie auch: "Im Zeitalter hochmobil eingesetzter ZeitarbeiterInnen, in Mini-Jobs vereinzelter Dienstboten und in den Subunternehmen aufgesplitterter Betriebe müssen wir entsprechende Antworten noch finden." Sie schreiben: "Die Verkäuferin bei Schlecker wird nicht einfach das Regal umwerfen, wenn es ausser ihr niemand gewesen sein kann. Aber wir können es..."

Und so schliesst diese Schlecker-Anschlags-Pressemitteilung:

"Nun mit Trämen fängt es immer an..."

Das ist wahrscheinlich noch nicht das Ende der Presseberichte...

faub22