PSA, apetito & Krankenhäuser: Ausbeutung durch Niedriglöhne

Wir dokumentieren eine Anti-PSA-Information aus Hamburg:

Alle Fliegen mit einer Klappe

Unter der Regie öffentlich-rechtlicher Behörden genügen zwei Unternehmen, um uns "menschliche Vorräte" in kürzester Zeit ins Elend zu schicken.

Mit der Einrichtung sogenannter "Personal-Service-Agenturen" (PSA) kann es gelingen, das strukturell produzierte Heer der Erwerbslosen als Lohndrücker in kürzester Zeit für das Kapital nutzbar zu machen.

Erwerbslose Menschen, die geringe Lohnersatzleistungen durch das Arbeitsamt erhalten, bekommen in den PSAs Stellen angeboten. Wird das Stellenangebot abgelehnt, so wird die Lohnersatzleistung zunächst gesperrt, im Wiederholungsfalle eingestellt.


Die PSAs zahlen Löhne in der Höhe von 6,30 € brutto pro Stunde, wobei 35 Stunden pro Woche bezahlt werden, auch wenn im Regelfalle mehr gearbeitet werden muß.

Es können also nur diejenigen Erwerbslosen einen solchen Vertrag sanktionslos ablehnen, die weniger als sechs Monate erwerbslos sind oder deren Arbeitslosengeld (ALG) oder -hilfe (AlHi) mehr als 740 € im Monat beträgt. 740 € kommen nämlich bei den PSA-Verträgen als Nettomonatslohn heraus und nach der neuen Zumutbarkeitsfestschreibung muß jede Stelle angenommen werden, die mehr oder genausoviel Geld bringt, wie der Bezug von ALG oder AlHi.


Die Arbeitsverträge bei den PSAs sind auf neun Monate befristet, denn die PSAs erhalten neun Monate lang das ALG oder die AlHi des entsprechenden Menschen von der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) als Zuschuß.


Die PSAs können die Leute jetzt sehr billig - u.U. umsonst - an Unternehmen überall im Bundesgebiet verleihen. Natürlich haben sich alle möglichen Firmen um den Zuschlag der BfA gestritten, eine PSA einrichten zu dürfen.


In Hamburg-Eimsbüttel war die Firma "Mikro-Partner GmbH" erfolgreich und betreibt seit Juni diesen Jahres eine PSA mit Büro in der Schwenckestr. 68.

Diese PSA verleiht die Zwangsrekrutierten regelmäßig an die Firma "apetito catering" und hier schließt sich der Teufelskreis:


Die Firma "apetito catering" hat eine neue Logistik für die Essens- und Getränkeversorgung entwickelt und will sich damit in Hamburg fest etablieren. Die Nahrungsmittel werden in Rheine in Westfalen produziert, tiefgefroren und per LKW nach Hamburg transportiert. Hier hat die Firma seit Juli 2003 ein bundesweit neuartiges, sog. "Kommissionierungszentrum" eingerichtet, wo die Nahrungsmittel auf Essentabletts verteilt und, je nach Bestellung, auf Spezialwagen gepackt werden. Diese Essenswagen lassen sich von Gefriertemperatur auf Backofentemperatur hochheizen. Zuvor werden sie allerdings - wieder per LKW - an den Ort ihrer Bestimmung gebracht. Das können Kantinen, Heime, Krankenhäuser, Kasernen o.ä, sein.


Der "Landesbetrieb Krankenhäuser" (LBK), dem die meisten Hamburger Krankenhäuser (noch) angehören, hat bereits vier Krankenhausküchen geschlossen. In den betroffenen Krankenhäusern wird schon jetzt "Essen auf Rädern" der Firma apetito catering verfüttert. Natürlich versteht sich "apetito catering" als expandierendes Unternehmen und bemüht sich um Aufträge auch für den restlichen LBK.


Im sog. "Kommissionierungscenter" der Firma "apetito catering" in der Schnackenburgsallee 149 arbeiten fast ausschließlich LeiharbeiterINNEN der PSA Eimsbüttel. Es muß in Wechselschicht von 0 bis 7.30 bzw. von 8.30 bis 16 Uhr incl. Wochenende am Fließband gearbeitet werden.


Das System funktioniert ein bißchen wie ein gigantischer Küchenmixer:

(Krankenhaus) Küchen (des LBK) werden geschlossen; die, dort noch regulär beschäftigten MitarbeiterINNEN werden entlassen und damit erwerbslos.

Schon dadurch verringert sich ihr Einkommen etwa um die Hälfte auf Lohnersatzleistungen (bei Arbeitslosengeldanspruch auf 61% und bei Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auf 53% ihres vorherigen Einkommens).

Von den Arbeitsämtern werden sie in der Folge in PSAs genötigt, wo sie neun Monate lang für 948,15 € brutto in Schicht-, Fließband- und Wochenendarbeit beispielsweise bei der "apetito catering" schuften müssen.


Klar muß sein:

Wer den PSA-Job länger als drei Monate macht, wird runtergestuft!


Sicher bringt ihnen das sogar etwas mehr Geld als die vorherige Lohnersatzleistung - nach drei Monaten bildet dieser Hungerlohn jedoch bereits die Berechnungsgrundlage für Lohnersatzleistungen.


Wenn die Leute also nach einem PSA-Gastspiel erneut arbeitslos werden (und damit ist, entgegen aller Beteuerungen, ganz sicher zu rechnen), erhalten sie regelmäßig wiederum bei Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur noch 53% von diesen 948,15 € brutto, entsprechend ca. 740 € netto, also 392,20 €.


Was zum Teufel sind "Personal-Service-Agenturen" (PSAs)??

Die PSA sind eigenständige, private Dienstleister im Auftrag der Arbeitsämter. Sie verleihen Erwerbslose zeitlich befristet an sog. Entleihfirmen bundesweit. Dafür erhalten sie von den Arbeitsämtern nicht nur die erwerbslosen Menschen, sondern auch deren Arbeitslosengeld- oder -hilfe für die Dauer von neun Monaten. Gezahlt wird den Leuten in den PSAs "Tariflohn", z.B. gemäß einem Gefälligkeitstarifvertrag, den ein bayerischer Arbeitgeberverband mit einer "Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA" (CGZP) im Februar diesen Jahres ausgekungelt hat. Der "Tariflohn" beträgt danach im häufigsten und schlechtesten Fall 6,30 €/Stunde bzw. 955,50 €/Monat brutto.


Politisch und gesellschaftlich wird diese Art der Lohndrückerei damit gerechtfertigt, dass die PSAs die Leute zu so billigen Kosten an Betriebe verleihen können sollen, um diesen damit eine Übernahme der Leute in reguläre Beschäftigungsverhältnisse schmackhaft zu machen.


Warum aber ein Unternehmen eine nicht kündigungsgeschützte, nicht versicherungspflichtige, konkurrenzlos billige ausgeliehene Arbeitskraft sehr viel teurer sozialversicherungspflichtig und arbeitsrechtsgeschützt fest einstellen sollte, weiß kein Mensch.


Zwar mögen Statistiken erfolgreich gefälscht werden, ein signifikanter Rückgang der strukturellen Erwerbslosigkeit ist sicher nicht zu erwarten (s. Text). Und damit gibt es auch immer wieder Nachschub an billigsten Leiharbeitskräften und keinen Grund, Leute fest einzustellen.


Laßt Euch nicht über'n Tisch ziehen!

Gemeinsam sind wir stark!


Ein klärendes Gespräch in vertrauensvoller Umgebung bringt oft mehr als Psychopharmaka in Ochsenzoll


Treff: mittwochs 18:30 bis 19 Uhr in der "Schwarzen Katze",

Fettstr. 23, 20357 Hamburg, Tel. 43 221 24


V.i.S.d.P.: K. Otzen, Ünner Brandheid 3, 21147 Hamburg


Übermittelt durch die FAU-IAA Hamburg


Anmerkungen zum Flugblatt:

[1] Das Arbeitsamt zahlt eine Pauschaule von bis zu 1.200 € monatlich als Kostenerstattung für die PSA, unabhängig von der individuellen Lohnersatzleistung


[2] Arbeitslosenhilfe kann mensch erst nach dem Auslaufen des ALG bekommen, wer nicht genügend lange vorher sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, hat auch keinen direkten Anspruch auf AlHi.


[3] Nach dem von der PSA Eimsbüttel der Mikro-Partner GmbH angewandten christlichen Tarifvertrag der INZ aus Nordbayern (Mikro Partner ist dort Verbandsmitglied) sieht die Lohngruppe E1 einen "Produktivlohn" von 6,70 € = 1.016,17 € Bruttolohn vor. In verleihfreien Zeiten zahlt die PSA nur 6,30 Std (Grundlohn 955,50 €/Monat).


[4] Die Beschäftigung in einer PSA ist ein reguläres Arbeitsverhältnis, das natürlich sozialversicherungspflichtig ist. Die Arbeitsverhältnisse in einer PSA unterliegen ebenso dem geltenden Arbeitsrecht, schließlich gibt es mehrere gültige Tarifvertrag für diesen Bereich - nur der Kündigungsschutz ist passé, aber das ist er ohnehin bei befristeten Arbeitsverträgen.