Aufruf des ASY-Berlin zum anarcho-syndikalistischen Block auf der Demo gegen die 'Agenda 2010' am 1.11., 13.00 Uhr, Alex

Aufruhr 2010

Ist die Wirtschaft für den Menschen da, oder der Mensch für die Wirtschaft?
Schaut man sich um, wird diese Frage von den Tatsachen beantwortet. Der
Mensch scheint nur auf der Welt herumzulaufen, damit es der jeweiligen Firma und
dem Standort gut geht.

Im Namen der Wirtschaft und des Standorts Deutschland werden die Renten gekürzt, wird die Gesundheitsversorgung verschlechtert, werden Arbeitslosengeld und -hilfe zusammengestrichen.

Der Wirtschaft ist es egal, wenn die Großeltern mangels künstlichen Hüftgelenks nicht mehr auf die Straße gehen können, oder wenn sich die Enkel wegen ihrer verfaulenden Zähne nicht mehr trauen, einander anzulächeln.

Im Namen der heiligen Wirtschaft und des Standorts Deutschland, dessen Wohl alle - ob SoziahilfeempfängerIn oder MillionärIn - vereint, wird gerade der Klassenkompromiss der alten BRD einseitig gekündigt. Der Deal, den man ungefähr auf die Formel "Ihr kriegt einigermaßen hohe Löhne, könnt euch das Auto das ihr produziert habt, dann auch selber kaufen, dafür haltet ihr den Mund" bringen kann, erweist sich als Auslaufmodell.

Was nun? Jammern, dass der schöne Sozialstaat langsam aber sicher
verschwindet?

Wenn nicht alles täuscht, dürften Auseinandersetzungen um Gehalt,
Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen in Zukunft schärfer werden. Die gesetzlichen
Regelungen zugunsten der ArbeiterInnen werden Stück für Stück abgeschafft. Die
real existierenden, staatstragenden Gewerkschaften sind weder in der Lage, dies,
noch die Umwandlung bisher tariflich abgesicherter Arbeitsverhältnisse in
ungeschütze Jobs zu verhindern. Sie stehen wie hilflose Zuschauer da. Zugleich
sind sie derart auf einen freundlicheren Kapitalismus eingerichtet, dass sie
oft kaum eine Ahnung von den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der
ungesicherten ArbeiterInnen haben. Diesen tritt der Kapitalismus ungeschminkter, das heißt gewalttätiger gegenüber. Tarife sind ein komisches Ding aus einer anderen Zeit, und wer sich beschwert, kann die Schrippen eben woanders verdienen. Besonders drastisch tritt das schon heute bei illegalisierten
ArbeitsmigrantInnen zu Tage, für die besagter Klassenkompromiss sowieso noch nie Geltung hatte.

Hier ist das Maß der Ausbeutung nicht durch Gesetze eingeschränkt, und
Auseinandersetzungen um ausstehende Löhne werden oft mit körperlicher Bedrohung oder Gewalt ausgetragen. Was bei "Illegalen" besonders drastisch ist, gilt in abgeschwächter Form aber für alle Arbeitsverhältnisse, die außerhalb des
Bereichs stehen, in dem das Modell BRD noch zu funktionieren scheint. Ohne die
Vermittlung der staatstragenden Großgewerkschaften sind ArbeiterInnen wie
Erwerbslose (die Übergänge sind fließend - vor allem bei prekären Jobs) zur
Selbsthilfe mittels direkter Aktion gezwungen. Da nichts zwischen ihnen und dem
Management steht, können nur sie selbst für wenigstens erträgliche Lebens- und
Arbeitsbedingungen sorgen. Damit ArbeiterInnen solche Auseinandersetzungen auch gewinnen können, müssen sie kommunizieren, Solidarität und Formen von
Organisation entwickeln. Etwas Neues muss entstehen!

Wer sind diese ArbeiterInnen?

Wir, mit unseren wechselnden Jobs und unseren Sorgen, wo die Kohle für die
nächste Miete herkommt. Wir, mit unserem Gerenne von einem Amt zum
Bewerbungstermin zum nächsten Amt und zum 1.50 Euro-Job. WIR! - Dieses wir schließt jobbende Studierende genauso ein wie illegalisierte BauarbeiterInnen aus dem Sudan, polnische Reinigungskräfte genau wie IT-Jobber, McDonalds-Küchenkräfte wie Grafik-DesignerInnen, von Prekarisierung bedrohte StahlarbeiterInnen wie SozialhilfeempfängerInnen. Dieses wir schert sich nicht um den Standort Deutschland - Ländergrenzen und "ethnische Konflikte" sind für uns nicht von Belang. Das Neue, was wir als schlichte Selbstverteidigung brauchen, können wir nur selbst erschaffen.

Demonstrieren!

Uns ist klar, dass Demonstrationen den selbstorganisierten Widerstand in den
Jobs, auf den Ämtern und im Stadtteil nicht ersetzen können. Wir sind uns
bewusst, dass die Befreiung von den kapitalistischen Zwängen nur stattfinden
kann, wo das Leben spielt. Nur hier können wir bewirken, dass die Wirtschaft
für die Menschen da ist, und nicht umgekehrt, dass die Möglichkeiten ungeheurer
Produktivität für alle gleichermaßen nutzbar werden (20-Stunden-Woche jetzt!
- bei vollem Lohnausgleich, versteht sich).

Unsere Emanzipation von kapitalistischer Herrschaft geschieht nicht durch das Schwenken von Fahnen, auch nicht, wenn diese schwarz und rot sind. Demonstrationen sind immerhin eine Möglichkeit, zu zeigen, dass wir da sind, dass es uns gibt. Entscheidend ist es, den menschenfeindlichen Verrücktheiten der kapitalistischen Ökonomie Paroli zu bieten.

Denn: ob 5 Minuten mehr Pause oder Weltrevolution - wir kriegen nur,
wofür wir kämpfen!

Info

Webseite zur Großdemonstration gegen Sozialabbau: www.demo-gegen-sozialabbau.de
demoaufrufnrw.pdf ist der regionale Aufruf des Anti-Hartz-Bündnis-NRW, der inhaltlich etwas besser ist, als der öffiziöse.