Gespart wird an den Duschen - Interview mit einem Beschäftigten bei Burger King (DA 158, 2003)

Vor dem Hintergrund von zunehender Prekarisierung des Arbeitsmarktes, z.B. durch die Hartz-Gesetze, versucht das nachfolgende Interview Einblick in die Arbeitssituation von prekär Beschäftigten zu geben.

? Kannst Du kurz erzählen, seit wann Du bei Burger King arbeitest?

! Zuerst von Ende 1999 bis Ende 2000 in einer Filiale in Ostberlin. Ich fragte damals, ob es möglich sei mehrere Monate unbezahlten Urlaub zu bekommen, da ich für längere Zeit nach Istanbul wollte. Der Chef sagte, dies sei nicht möglich und forderte mich auf selbst zu kündigen. Als ich im Februar 2001 wieder in Berlin war, ging ich zu meiner alten Filiale und bekam erzählt, daß mein alter Chef inzwischen im Westteil der Stadt arbeitet. Ich ging dorthin und konnte dort ab Ende April wieder anfangen. Meine Arbeitsbedingungen waren sogar in Westberlin ein kleines bißchen besser und ich konnte meine vertragliche Wochenarbeitszeit von 20 auf 30 Stunden erhöhen. Ende Mai 2002 wurde ich dann gekündigt. Ich klagte auf Wiedereinstellung, bekam vor Gericht Recht und arbeite seit Ende Februar 2003 wieder dort.

? Wie kam es zu Deiner Kündigung?

! Es gab Anfang 2002 schon so einen richtigen Klassenkampf - wenn man es so nennen darf - zwischen einem Teil des damaligen Betriebsrates und von Kollegen und Kolleginnen. Dieser Kampf fand auch zwischen zwei Fraktionen innerhalb des Betriebsrates statt. Der Betriebsratsvorsitzende war immer zusammen mit zwei Managern auf der Arbeitgeberseite. Einer der Manager, ein Thailänder, war auch Mitglied von diesem angeblichen Betriebsrat und er versuchte immer mehr Thailänder und Thailänderinnen einzustellen, um die Betriebsratswahl März 2002 zu gewinnen. Gleichzeitig haben diese "Betriebsräte" versucht, Kollegen, die als kämpferisch bekannt waren oder deren NGG-Mitgliedschaft bekannt war, mit Mobbing, Abmahnungen, Zwangsurlaub, Spielereien mit dem Dienstplan und Versetzungen in andere Filialen loszuwerden oder zu nerven. Sie haben diese Betriebsratswahl manipuliert. Ein Wahlbeobachter und die NGG (Gewerkschaft Nahrung Gaststätten Genuß) klagten gegen diese Wahl. Bei dem ersten Arbeitsgerichtstermin waren sehr viele Kollegen und Kolleginnen anwesend und wurden natürlich auch von den Managern gesehen. Ich war auch da. Es war schon deutlich, daß ich mich solidarisiere mit den anderen Kollegen und dem Kampf gegen diese Bande. Burger King verlor diesen Prozeß um die Gültigkeit der Betriebsratswahl. Zwischendurch war ich krank und hatte meine schriftliche Krankmeldung leider mit etwas Verspätung losgeschickt (5. Tag der Krankheit), obwohl eine telefonische Krankmeldung bereits am ersten Tag passierte. Sie haben dies zum Anlaß genommen, mich zu kündigen. Gleichzeitig war ich im Kündigungsschutz (befristet auf 6 Monate), da ich Kandidat für eine oppositionelle Betriebsratsliste war. Zusammen mit der NGG habe ich auf Wiedereinstellung geklagt und den Gerichtsprozeß im Februar 2003 gewonnen. Meine Lohnnachzahlung für die Zeit des Gerichtsverfahrens habe ich bis zum heutigen Tag nicht erhalten, angeblich muß sehr viel dafür gerechnet werden.

? Hatten andere Kollegen und Kolleginnen auch solche Probleme?

! Noch ein paar Leute verklagten Burger King wegen nicht bezahlter Arbeitsstunden, sozial nicht gerechtfertigter Dienstplaneinteilung oder Kündigung. Von ungefähr sechs Verfahren hat Burger King vier verloren.

? Kannst Du noch etwas über Eure Arbeitsbedingungen dort erzählen?

! Wenn sie es brauchen, dann sollen die Leute mehr und Akkord arbeiten. Aber wenn sie merken, daß die Personalkosten prozentual zu hoch sind, dann versuchen sie die Kollegen nach Hause zu schicken. Mit Leuten, die einen Teilzeitvertrag von 20 oder 30 Stunden haben, können sie dieses Spiel gut spielen. Seit Jahren machen sie keine Vollzeitverträge mit den neuen Kollegen, auch um Personalkosten zu sparen. Als ich meine Arbeit dieses Jahr wieder antrat, bemerkte ich, daß sie immer mehr versuchen die Wochenarbeitszeit zu schieben, so daß man z.B. bei einem 20-Stundenvertrag nur auf 15 geleistete Stunden pro Woche kommt. Dementsprechend weniger Lohn hat man dann am Ende des Monats. In München, wo die Zentrale sitzt, versuchen sie immer, die Stunden falsch zu berechnen. Seit Monaten gibt es bei uns deshalb Probleme. Unser Stundenlohn liegt bei 6,71 EUR brutto. Alle zwei Jahre gibt es eine minimale Erhöhung. Kollegen, die als Vollzeitkräfte schon über zehn Jahre bei Burger King arbeiten, verdienen auch nur ca. 8, EUR brutto die Stunde. Und obwohl der Unterschied der Stundenlöhne so gering ist, stellen sie aus diesem Grund keine Vollzeitkräfte mehr ein. Die Arbeit dort ist sehr stressig und unvernünftig organisiert, obwohl sie ihre Art von Gastronomie "System-Gastronomie" nennen, ist es eigentlich eine Chaos-Gastronomie, weil die Arbeitsbedingungen unvernünftig organisiert sind. Diese kurzsichtige Geldgier und Sparpolitik macht uns diesen Streß. Sie stellen neue Mitarbeiter ein, um weniger Lohn zu zahlen, aber der neue Kollege muß auch eingearbeitet werden und ist am Anfang langsamer und macht mehr Fehler; und durch diese Fehler haben sie eigentlich Verlust.

? Gibt es noch andere Probleme?

! Wenn ich zum Beispiel fünf Tage hintereinander arbeite, brauche ich mehr Arbeitskleidung als sonst. Unsere Arbeitskleidung besteht aus einer Mütze, einem T-Shirt, einer Hose, einem Gürtel und einer Schürze und bei Kontrollen von der Personalmanagerin ist eine dreckige Uniform Grund für eine Abmahnung. Um Strom und andere Kosten zu sparen, haben sie zumindest in der Berliner Filiale, in der ich jetzt arbeite, seit langem keine Waschmaschine, kein Bügelbrett und Bügeleisen mehr. In anderen Filialen konnte man nach oder vor seiner Arbeit noch seine Uniform waschen und bügeln. Der Geruch von Grill- und Fritierfett hängt an dem ganzen Körper und eigentlich kann man sich dort nach der Arbeit duschen. Die Dusche in unserer Filiale funktioniert seit mindestens zwei Jahren nicht mehr, genauso wurde die Glühbirne in dem Duschraum so lange nicht gewechselt. Dasselbe passiert im Umkleideraum: Die Schlösser von dem Spind funktionieren schon lange nicht mehr oder sind verbogen und werden nicht repariert. Jeder Kollege muß sein eigenes Vorhängeschloß mitbringen, um sich gegen Diebstahl zu schützen. Das ist in jedem Laden so.

? Ihr habt jetzt nach dem Gerichtsurteil noch mal einen neuen Betriebsrat gewählt, wie geht es jetzt mit eurem Kampf bei Burger King weiter?

! Der neue Betriebsrat wird zur Zeit geschult. Er fragt in vielen Fällen bei den Anwälten nach und man fordert die Rechte nun nach und nach ein. Der heutige Betriebsrat setzt sich dafür ein, daß die Unterschiede zwischen Ost- und Westarbeitsbedingungen wegkommen. Die Kollegen sind zur Zeit etwas müde oder fordern zuviel, Unrealistisches, weil sie durch die gewonnenen Prozesse gesehen haben, daß man gegen Burger King auch Erfolg haben kann. Ich weiß nicht, ob man es zur Zeit einen Kampf nennen kann. Man fordert ein und streitet.