US-Kriegsminister Wolfowitz: Massenvernichtungswaffen politisches Argument

DeutschlandRadio-Nachrichten - Freitag, 30. Mai 2003

Die Massenvernichtungswaffen sind nach Darstellung des stellvertretenden US-Verteidigungsministers Wolfowitz in erster Linie aus politischen Motiven als Argument für den Irak-Krieg genutzt worden.


Die Waffen seien für die Vereinigten Staaten niemals der wichtigste Kriegsgrund gewesen, sagte Wolfowitz dem britischen Magazin "Vanity Fair".

Es sei aber der Punkt gewesen, dem jeder habe zustimmen können. Viel
wichtiger sei dagegen für die USA, daß der Irak-Krieg die Präsenz von
amerikanischen Truppen im benachbarten Saudi-Arabien überflüssig gemacht habe. Die Beseitigung dieser «Belastung» für Saudi-Arabien werde wesentlich
zu einem friedlicheren Nahen Osten beitragen, meinte Wolfowitz.


Die britische Presse hatte gestern berichtet, die Regierung Blair
habe im vergangenen September gegen den Willen der Geheimdienste ein Dossier
über die vom Irak ausgehenden Gefahren dramatisiert. Premier Blair
nannte die Vorwürfe absurd. Er habe keine Zweifel an den seinerzeit
vorgelegten Beweisen für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak, sagte
Blair nach einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Miller
in Warschau.

Deutschlandfunk Presseschau - Freitag, 30. Mai 2003
www.dradio.de


Mit der bislang erfolglosen Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak
setzt sich die türkische Zeitung FINANSAL FORUM auseinander: "Jetzt
fallen alle Masken. Abgebrüht wie er ist, behauptet US-Verteidigungsminister
Rumsfeld, das Saddam-Regime habe möglicherweise alle chemischen Waffen
vor dem Kriegsausbruch vernichtet. Und Rumsfelds Stellvertreter, Wolfowitz,
gibt offen zu, dass sie die Massenvernichtungswaffen nur vorgeschoben
hätten. Das gleiche Spiel wird jetzt mit dem Iran gespielt. Bitter ist,
dass die Weltöffentlichkeit zum Zuschauen verurteilt ist, während die
USA mit roher Gewalt versuchen, den Nahen Osten umzugestalten", moniert
FINANSAL FORUM aus Istanbul.


Der britische DAILY TELEGRAPH konstatiert:"Tony Blair befindet sich
in einer Glaubwürdigkeitskrise, weil bisher noch keine
Massenvernichtungswaffen gefunden worden sind. Washington dagegen hat sich von Anfang an
nicht nur auf diese Bedrohung verlassen, sondern auf einen Regimewechsel
abgehoben. Blair, der dringend die Unterstützung seiner eigenen Partei
brauchte, hat es seinen PR-Leuten dabei erlaubt, die Gefahr für Großbritannien zu
übertreiben", stellt der DAILY TELEGRAPH aus London fest.


"Es war zweifellos die größte Staatslüge der vergangenen Jahre", urteilt
die französische Zeitung LE MONDE. "Eine Manipulations-Kampagne, die
vielleicht in voller Kenntnis, in jedem Fall aber gegen jeden Beweis
geführt wurde, um die öffentliche Meinung in der Welt Glauben zu machen, der
Irak besitze Massenvernichtungswaffen und stelle sie her. Die Wahrheit, die
die Amerikaner kannten, wird heute offensichtlich: Der Krieg wurde nicht
geführt, um diese Waffen zu zerstören, sondern um das Regime in Bagdad
auszuwechseln und den Nahen Osten neu zu ordnen. Die Waffen haben nur
als Vorwand gedient", kritisiert LE MONDE aus Paris.


In der Region bleibt der Schweizer TAGES-ANZEIGER, der sich mit dem
Friedensplan für Israelis und Palästinenser auseinandersetzt: "Beide
Seiten haben im Prinzip Ja gesagt, aber Scharon machte über ein Dutzend
Einwände geltend. Die meisten laufen darauf hinaus, dass die
Palästinenser erst Vorleistungen erbringen müssen, bevor Israel seinen Teil der
Verpflichtungen zu erfüllen gedenkt. Damit wird die Grundidee der
Straßenkarte, nämlich die Parallelität, ausgehöhlt. Aber nur mit dieser
Gleichzeitigkeit besteht eine minimale Erfolgschance. Nur so gibt es die
Gewähr, dass Abbas etwas in der Hand hat, um mit den militanten
Widerstandsbewegungen einen Waffenstillstand auszuhandeln."