Zur Entwicklung in Griechenland nach der Verhaftung der Mitglieder des <17.November> und den Auswirkungen auf die libertäre Bewegung

Aufgrund der Verhaftung von Giannis Serifis veröffentlichen wir diesen Beitrag, der die Grundlage einer Veranstaltung am 4.Oktober war. Unsere Sorgen haben sich leider bewahrheitet. FAU Frankfurt.

Ein ernsthaftes Problem stellt die Entwicklung der letzten Monate für die anarchistische- und jede zukünftige radikale Oppositionsbewegung in Griechenland dar. Inhaltlich in scharfer Abgrenzung zum <17.November> stehend, betreiben Teile der Bewegung seit Jahren militante Propaganda durch kleinere Anschläge im Stil einer "Guerilla Diffusa".

Die Repression der Polizei gegenüber diesem radikalen Teil der Bewegung stand bisher im krassen Gegensatz zu den milden Urteilen der bei Prozessen zuständigen Schöffengerichte. Dort wurden oftmals "edle politische Motive" als strafmildernd anerkannt. Darüber hinaus wurden Anarchisten, die wegen Konstrukten der Verfolgungsbehörden und auf Grund des starken Drucks der USA als Topterroristen vor Gericht standen, wiederholt durch die Stimmenmehrheit der Schöffen gegenüber den Berufsrichtern, triumphal freigesprochen.

Das erst Anfang des Jahres verabschiedete "Antiterrorgesetz" mit den darin
geschaffenen Staats-schutzsenaten, hat die Lage extrem verschlechtert. Teil
des Gesetzes ist auch die so genannte Kronzeugenreglung die bekanntlich aller
Art von Lügen nach dem Willen der Verfolgungsbehörden Tür und Tor öffnet. Erste Auswirkungen des Gesetzes sind schon jetzt zu beobachten. Welche "Geständnisse" und Beschuldigungen den Angeklagten des <17.November> von den Verfolgungsbehörden diktiert wurden, kann niemand mehr mit Bestimmtheit sagen. Mehrere falsche Beschuldigungen - auch untereinander - sind offensichtlich, dies vor einem Staatsschutzsenat zu beweisen so gut wie unmöglich.

Auch die Namen bekannter Anarchisten wurden so wieder im Zusammenhang mit dem <17.November> in der Presse lanciert. Es sind genau die Namen der Aktivisten, die schon in den 80er und 90er Jahren auf Grund der Erfolglosigkeit der griechischen
Polizei zu Topterroristen aufgebaut wurden. Einer dieser "üblichen Verdächtigen"
wie sie in Griechenland genannt werden, der 46jährige Abraham Lesperoglou, sitzt nun seit Ende August wieder in Untersuchungshaft, beschuldigt durch die Aussagen zweier Kronzeugen. Ein anderer, der 64jährige militante Syndikalist Giannis Serifis soll als Gründungskader des <17.November> aufgebaut werden, befindet sich aber noch auf freiem Fuß.

Bei dem momentan in Griechenland herrschenden Sicherheitsdiskurs ist es absehbar, dass schon bald die ersten anarchistischen AktivistInnen als "Terroristen" abgeurteilt werden. Gerade im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Thessaloniki im Juli 2003 und dem von forcierten Konstrukt eines "anarchistischen Terrorismus", wird sich die Bewegung nun damit auseinander setzen müssen verstärkt kriminalisiert zu werden.

Da hilft es auch nicht, dass Theorie und Praxis des <17.November> von AnarchistInnen
wegen der Verachtung des menschlichen Lebens und der stalinistisch inspirierten
Ideologie und Struktur der Gruppe strikt abgelehnt werden. Die anti-türkischen,
und patriotischen Inhalte hatten darüber hinaus schon lange jegliche Solidarisierung
unmöglich gemacht.

Veranstaltung zur < Revolutionären Organisation 17. November >

Seit 1975 existiert die griechische Stadtguerilla <17. November>, kurz 17
N. Seitdem hat sie sich zu zahlreichen Anschlägen gegen US- und NATO-Einrichtungen
bekannt. Darüber hinaus verübte sie Attentate auf türkische Diplomaten, multinationale
Konzerne, EU-Botschaften, griechische Politiker und Angehörige der griechischen
Bourgeoisie. Im zweiten Golfkrieg wurden binnen kürzester Zeit diverse Ziele
in Athen mit Panzerfäusten angegriffen, während des Kosovokriegs u.a. die BRD-Botschaft.

Die Gruppe galt als perfekt abgeschottet und ein für die Polizei unangreifbares
Phantom. Bis zum Sommer 2002 wurde in den insgesamt 27 Jahren des Bestehens
des 17 N niemals ein Mitglied der Gruppe bekannt oder gar verhaftet. Dies nährte
Verschwörungstheorien aller Art.

Ihre z.T. sehr nationalistischen Erklärungen waren im Gegensatz zu anderen
bewaffneten westeuropäischen Gruppen so formuliert, dass jeder und jede sie
verstehen konnte. Diese Papiere wurden vollständig in der griechischen Presse
abgedruckt, wobei die jeweilige Zeitung ihre Auflage um 20- bis 30.000 Exemplare
erhöhte.

Am Samstag, den 29. Juni 2002 explodierte im Hafen von Piräus ein Sprengsatz
offenbar vorzeitig in den Händen des 40 jährigen Ikonenmalers Sabbas Xiros.
Durch bei ihm gefundene Schlüssel, Telefonkarten und Adressen wurden in der
Folge Wohnungen und Waffenlager entdeckt, seine Aussagen führten ab dem 16.
Juli 2002 zu ersten Verhaftungen. Die meisten Verhafteten bekennen sich nicht
nur zu ihrer Mitgliedschaft zu 17 N, sondern belasten sich und andere schwer,
so dass mittlerweile insgesamt sechzehn Männer im extra eingerichteten Hochsicherheitstrakt
von Korydallos (Gefängnis in Athen) sitzen.

Ihre gute Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden wird durch das erst Anfang
des Jahres ver-abschiedete "Antiterrorgesetz", welches auch die sogenannte Kronzeugenreglung
beinhaltet, mit voraussichtlich großen Strafnachlässen belohnt werden. Wie bekannt
führt die Kronzeugenreglung zu Lügen und Denunziationen je nach Willen der Verfolgungsbehörden,
was momentan in Griechenland zur Folge hat, dass die Namen bekannter Anarchisten
im Zusammenhang mit 17 N in der Presse lanciert werden. Diese Aktivisten gehörten schon in den 70er, 80er und 90er Jahren zu den "üblichen Verdächtigen", wurden teilweise zu Topterroristen aufgebaut, jedoch alle letztinstanzlich freigesprochen.

Wir machen diese Veranstaltung mit dem Ziel der Informationsvermittlung, da hier so gut wie nichts über Griechenland, linken Widerstand dort, und den 17
N bekannt ist. Gerade im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel 2003 in Thessaloniki
und dem von geplanten Konstrukt eines "anarchistischen Terrorismus" geht es uns auch darum, dem Angriff auf die anarchistische Bewegung in Griechenland unsere Solidarität entgegenzusetzen.

Die Veranstaltung wird von der FAU-Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Genossen Ralf Dreis, der abwechselnd in Griechenland und Deutschland lebt, organisiert.

Veranstaltungsort: Cafe Exzess, Leipziger Str. 91, Ffm Bockenheim

Datum: 4. Oktober 2002 um 19.30 Uhr