Sklavenhändler-Industrie und DGB basteln am Gefälligkeitstarifvertrag

Zum 19.02.2003 soll der Gefälligkeitstarifvertrag stehen !

Die "Tarifgemeinschaft Zeitarbeit" der beiden größten Leiharbeitsverbände
ist kurz vor dem Verhandlungsauftakt geplatzt. Der Bundesverband Zeitarbeit
(BZA) als größter Verband beanspruchte die Verhandlungsführung, der kleinere
Interessenverband Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) wollte eine gleichberechtigte
Vertretung haben.

So kam es zum Bruch. Der BZA setzte seinen Alleinvertretungsanspruch bei den Verhandlungen auf der Zeitarbeitgeberseite vorerst durch und traf sich am 30.01. mit der DGB- Tarifgemeinschaft (ver.di und IG-Metall) in Hannover.

"Wir können einen Vertrag für die gesamte Branche abschließen", erklärte
der BZA Verhandlungsführer Uhlemann.

Der iGZ- Bundesgeschäftsführer Stolz beklagte sich daraufhin: "Wer in der
beginnenden, schwierigen Verhandlungsphase mit Ränkespielen und Arroganz die
Zeitarbeitsbranche spalten will, gefährdet den erfolgreichen Abschluß
eines flächendeckenden Tarifvertrages".

Ein Problem für die iGZ sind öffentliche Äußerungen einiger BZA-Branchenriesen,
wie beispielsweise Manpower, indem sie mit dem gesetzlichen Leitbild vom "equal
pay" ab dem ersten Einsatztag keinerlei Probleme sehen.

Die großen Leiharbeitsfirmen haben aber bereits Erfahrung mit IGM- und
ver.di- Dumping-Tarifverträgen über Niedriglohn "equal
pay" mit 20% geringeren Löhnen.

Der DGB (ver.di & IGM) spricht nun getrennt mit den beiden Verbänden. Bereits
am 28.01. hatten sich DGB Funktionäre zu einem Sondierungsgespräch mit
Vertretern der iGZ getroffen. Als daraufhin der BZA schäumte und den DGB-
Gewerkschaften drohte, daß die Verhandlungen "gefährdet" seien, verkündete
DGB- Vertreter Dombre, es habe sich nur um ein kurzes Gespräch gehandelt und
Verhandlungen mit der iGZ seien nicht geplant.

In einer Presseerklärung der iGZ vom 31.01. finden wir dagegen folgende
widersprüchliche Stellungnahme:

» Im Auftrag der DGB- Tarifgemeinschaft hat deren Verhandlungsführer Dombre
dem iGZ angeboten, am 08. Februar in Frankfurt verbindliche Gespräche über den
Abschluß eines Flächentarifvertrages für die Zeitarbeitnehmer fortzusetzen.
"Wir werden diese Offerte gerne annehmen", so iGZ-Bundesgeschäftsführer Werner
Stolz.

Der iGZ-Verhandlungsführer Piening bekräftigte die Absicht seines Verbandes,
die Verhandlungsgespräche ausschließlich mit der DGB-Tarifgemeinschaft und nicht
mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund führen zu wollen. "Unsere Zielsetzung
(...) ist es, bereits bis zum 19. Februar einen unterschriftsreifen Flächentarifvertrag
mit den Gewerkschaften ausverhandelt zu haben." «

Nichts ist klar, aber "allgemein verbindlich" muß es werden,
und am "19. Februar" wird unterschrieben!

Ohne über konkrete Inhalte geredet zu haben, nahmen sich die DGB-Tarifgemeinschaft
und der BZA am 30.01. in Hannover vor, bereits bis zum 19. Februar ein Konzept
für einen Tarifvertrag zu erarbeiten. Dieser solle für allgemein verbindlich
erklärt werden. "Für uns ist es von zentraler Bedeutung, daß wir die ganze
Branche abdecken", sagte DGB- Verhandlungsführer Dombre.

Warum der ganze Streß?

Noch nie waren so viele Beteiligte am Abschluß eines Tarifvertrages interessiert.

Die Tarifverhandlungen für die Leiharbeitsbranche sind für BZA Verhandlungsführer
Uhlemann ein "Novum", weil der Gesetzgeber mit den "Hartz-Reformen"
einen Tarifvertrag erzwinge.

Im Kern gehe es darum, zu welchen Tarifen künftig Leiharbeiter beschäftigt werden.

Aber: Gibt es bis zum Jahresende keinen allgemein verbindlichen Tarifvertrag,
sind die Leiharbeitgeber laut Gesetz verpflichtet, allen ihren Beschäftigten
den gleichen Lohn wie den Stammbeschäftigten in den Entleihbetrieben zu zahlen.
Und das allein ist "equal pay". Die DGB-Gewerkschaften stehen unter
politischem Druck ihrer spezialdemokratischen Regierungsfreunde Schröder
und Fischer. Ihr Ziel ist es, ein Abschluß bis März zu erreichen. Schließlich
sollen die PSA als Kernstück der "Hartz-Reform" schnell ihre Arbeit
aufnehmen. Ohne Dumping-Tarifvertrag geht das aber nicht wie geplant.

Ein Initiativantrag vom Bezirkserwerbslosenausschuß München an die Bezirkskonferenz
ver.di München stellt dies klar:

"Der am 15.11.02 beschlossene Teil der Hartz-Gesetze hat eine entscheidende
Lücke, die nach dem Willen der Bundesregierung von den Gewerkschaften geschlossen
werden soll: durch Tarifverträge mit den Arbeitnehmer-Verleih-Firmen. Ohne solche
Tarifverträge gilt nämlich laut dem beschlossenen Gesetz der im Entleih-Betrieb
übliche Lohn und die dort übliche Arbeitszeit. Das ist allemal besser, als ein
Tarifvertrag mit den Verleihfirmen sein könnte! Deswegen dürfen die Gewerkschaften
keine Tarifverträge mit den Verleihfirmen schließen. Nichts tun ist hier die
Parole! Und weiter Kampf gegen die Hartz-Gesetze!"

Halten wir noch einmal fest:

Solange der angestrebte Tarifvertrag für die Leiharbeit (incl. PSA) nicht für
allgemeinverbindlich“ erklärt wurde, gilt er nur für DGB-Mitglieder.
Eine „Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse“ wird schwer durchzusetzen
sein.

» Zwar gehören glücklicherweise immer mehr Unternehmen einem Arbeitgeberverband
an. Jedoch reicht der bislang erreichte Organisationsgrad bei weitem nicht aus,
um die Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemäß §5 des
Tarifvertragsgesetzes (TVG) zu erfüllen. Das Bundesverfassungsgericht hat anläßlich
der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Manteltarifvertrages für das Baugewerbe
bereits Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Allgemeinverbindlichkeit
geäußert.

Dabei betrug der Organisationsgrad auf Seite der Arbeitgeber des Baugewerbes
damals ca. 60%. Zählen Sie die in der IGZ, dem BZA und der INZ organisierten
Zeitarbeitsunternehmen zusammen, kommen sie bei weitem nicht auf einen vergleichbaren
Organisationsgrad. «

( Rechtsanwalt Oliver Bertram, iGZ – Fördermitglied, zu "Pro & Contra Tarifvertrag", in AIP Oktober 2002)

Wie wird ein Tarifvertrag "allgemeinverbindlich" ?

Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung kann nur durch den Bundesarbeits- und
Wirtschaftsminister Clement nach Antrag durch eine Tarifvertragspartei erfolgen.
Das geht aber erst, wenn mindestens 50% aller in der Branche Beschäftigten in
tarifgebundenen Firmen arbeiten. Die Gewerkschaftszugehörigkeit spielt keine
Rolle! Außerdem gibt es vorher eine mündliche und öffentliche Anhörung, an ihr
können sich die an "dem Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften",
die davon "betroffen werden würden" (§5 TVG) beteiligen.

Ob allerdings alle Firmen innerhalb BZA, IGZ und INZ tarifgebunden sind, bezweifeln
wir aus gutem Grund.

Die Sklavenhändler-Industrie

In Deutschland arbeiten auf das Jahr umgerechnet rund 800.000 Menschen als legale Leiharbeiter. Im Durchschnitt sind 270.000 - 350.000 Menschen bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Davon etwa 24% Frauen und 76% Männer.

Derzeit gibt es ca. 9000 Zeitarbeitsfirmen (1), fast 60 Prozent davon
beschäftigen weniger als 10 LeiharbeiterInnen, es bestehen gerade mal 32 oder
33 Tarifverträge.

Drei Verbände versuchen den Wildwuchs der Branche zu organisieren. Der
BZA vertritt knapp 200 Mitgliedsfirmen (2) mit angeblich 100.000
Beschäftigten pro Jahr, große Unternehmen wie Adecco, Manpower und Randstad
gehören dazu.

Demgegenüber sind im Interessenverband Zeitarbeitsunternehmen (iGZ)
etwa 270 (3) Leiharbeitsfirmen organisiert, nach ihren eigenen Angaben
beuten sie jährlich etwa 72.000 Beschäftigte aus.

Im kleinsten Verband, der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmen
(INZ) (4), sind 17 Firmen organisiert und bieten nach eigenen
Angaben 5.000 Leiharbeiter an.

Diese Zahlen verdeutlichen, daß BZA, iGZ und INZ höchstens 500 von
ca. 9.000 Arbeitgebern der Leiharbeitsindustrie vertreten.

(1) Die Zahlenangaben schwanken zwischen 3.500 und 9.000 Firmen,
es scheint aber angebracht, für 2003 die obere Grenze als (inzwischen)
realistisch anzunehmen.

(2) Der BZA behauptet selbst, er habe über 1.500 Mitgliedsbetriebe, diese Angabe
ist allerdings unseriös, da es sich hierbei offensichtlich um die Niederlassungen
ihrer ca. 200 Mitgliedsfirmen handelt.

(3) Am 02. Feb. 2003 hat die iGZ 263 Mitgliedunternehmen (Website am 02.03.03)
.

(4) Die INZ vertritt nach eigenen Angaben (Website am 02.03.03) 17 Firmen.

Hintergrund

Am 01. Januar 2003 sind die Änderungen der Reform des Arbeitsmarktes als Folge
der Ergebnisse der Hartz-Kommission in Kraft getreten.

Das geänderte Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) sieht für einige
Vorschriften eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2003 vor, bei denen die
vor dem 1. Januar 2003 geltende Fassung des AÜG weiterhin anzuwenden ist.

Einige - hier relevante - Änderungen sind rot markiert:

§ 1 b Einschränkungen im Bauhauptgewerbe.

Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten,
die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, ist unzulässig. Sie
ist gestattet

a) zwischen Betrieben des Baugewerbes und anderen Betrieben, wenn diese Betriebe
erfassende, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge dies bestimmen.


b) zwischen Betrieben des Baugewerbes, wenn der verleihende Betrieb nachweislich
seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen
oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfaßt wird.

§ 9 Unwirksamkeit.

Unwirksam sind:

2. Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die
Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers
für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen
Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, es sei denn,
der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung
an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens
ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt
als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben
Verleiher bereits ein Leiharbeitsverhältnis bestanden hat; ein Tarifvertrag
kann abweichende Regelungen zulassen; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages
können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren,

§ 10 Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit

(4) Der Leiharbeitnehmer kann im Falle der Unwirksamkeit
der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 von diesem die Gewährung der
im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers
geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts
verlangen.

Termine:

06. und 07. Februar: Tarifverhandlungen von DGB und BZA in Frankfurt

08. Februar: DGB und iGZ Tarifverhandlungen in Frankfurt

18. und 19. Februar: Tarifverhandlungen von DGB und BZA mit Abschluß des Gefälligkeitstarifvertrages
in Frankfurt?

Achtet auf Ankündigungen z.B bei www.labournet.de oder www.fau.org !