Wie ver.di und IG Metall ihren Einfluß auf den Knochen von LeiharbeiterInnen und Arbeitslosen ausdehnen wollen

Scheiß-Tarifvertrag gefällig?

Im Zuge der Einführung der sog. "Hartz-Gesetze" hat die Bundesregierung beschlossen, die Vorschriften für Leiharbeit zum 1. Januar 2004 zu lockern. Die neuen Regelungen haben nicht nur Auswirkungen auf diejenigen Arbeitslosen, die demnächst von Arbeitsamt in die Leiharbeit zwangsvermittelt werden, sondern auch für die derzeit rund 800.000 anderen Beschäftigten bei Leiharbeitsfirmen.

Im Austausch für die Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen gab es einen
Deal zwischen SPD und DGB. So wurde im Gesetz verankert, dass LeiharbeiterInnen grundsätzlich ebenso viel (oder wenig) verdienen sollen, wie die Stammbelegschaften des Entleihbetriebes. Irgendwelcher Jubel wäre dabei allerdings verfrüht, denn die Hintertür folgt auf dem Fuße. Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn die Leiharbeitsbranche Tarifverträge mit einer Gewerkschaft abschließt.

Der vermeintlich "gleiche Lohn für gleiche Arbeit" hat keine andere Funktion,
als die Sklavenhändler an den Verhandlungstisch mit ver.di und der IG Metall
zu zwingen. Entweder sie schließen einen flächendeckenden Tarifvertrag mit den
Gewerkschaften ab, der selbstverständlich deutlich unter dem "equal pay" liegen
darf, oder sie laufen Gefahr, am 1. Januar 2004 den Sklaven die gleichen Ecklöhne
wie im Entleihbetrieb zahlen zu müssen.

Nun ist es in der Theorie eigentlich so, dass Tarifverträge nur für Mitglieder
der Gewerkschaft gelten, die sie mit den Bossen abgeschlossen hat. Das sind
die wenigsten der ArbeiterInnen, die bei einem Sklavenhändler arbeiten. Und
selbst die, die gewerkschaftlich organisiert sind, würden das stillschweigend
vergessen. Denn es wäre ja schön blöd, auf die bessere gesetzliche Regelung
("equal pay") zu verzichten, wenn einem Tarifvertrag der "eigenen" Gewerkschaft
eine Verschlechterung bringt. Von den erwerbslosen ArbeiterInnen, die sich demnächst
in großer Zahl für häufige, aber kurze Zeitspannen bei den Sklavenhändlern wiederfinden
werden, mal ganz zu schweigen.

Zum Glück für Bosse und DGB gibt es allerdings auch hier ein Geschenk der
Politik. Diese hat die Möglichkeit, Tarifverträge für "allgemeinverbindlich"
erklären zu lassen. Sie gelten dann, wie der Name schon sagt, für alle ArbeiterInnen
einer Branche, nicht nur für die Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft.
Kein Wunder also, dass im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen DGB und
dem Bundverband Zeitarbeit (BZA) bereits von dieser Regelung die Rede ist.

Selten wird so deutlich wie im Augenblick, wie eng die DGB-Gewerkschaften
und die SPD gegen den lohnarbeitenden Teil der Bevölkerung zusammenarbeiten.
Noch bevor der erste Teil der Hartz-Gesetze verabschiedet war, kündigte Clement
schon mal an, dass ihm die Gewerkschaften des DGB zugesichert hätten, einen
Tarifvertrag mit den Sklavenhändlern abzuschließen, der mindestens 20 Prozent
unter den Löhnen in den Entleihfirmen liegen würde.

Von einem solchen Deal haben auf den ersten Blick fast alle etwas: Die Firmen,
die ArbeiterInnen bei Sklavenhändlern einkaufen und die damit einen Flexibilitätsvorteil
und die Möglichkeit zur gegenseitigen Ausspielung von Teilen der Belegschaften
zu geringeren Preisen erhalten. Die DGB-Gewerkschaften - namentlich ver.di und
IG Metall - die von der SPD die Möglichkeit zu einem flächendeckenden Tarifvertrag
in einer Branche zuschanzt bekommen haben, in der die wenigsten organisiert
sind. Schließlich natürlich die Bundesregierung, die mit Hilfe des DGB versucht,
flächendeckend schlechte Bedingungen in einem Segment des Arbeitsmarktes durchzusetzen
und das so zu verkaufen, als würde nun alles zum Wohle der Beschäftigten geregelt.

Die Verlierer dieser gegenseitigen Gefälligkeiten zum Wohle aller beteiligten
Bürokratien stehen bereits vor Abschluß der Verhandlungen fest. Da sind zum
einen diejenigen von uns, die immer mal wieder beim Sklavenhändler anschaffen
gehen. Dazu kommen demnächst die Arbeitslosen, die in die Fänge der "Personalservice-Agenturen"
(PSA) geraten sind. Bei ihnen sieht es noch übler aus, weil sie selbst auf die
miesen Gefälligkeits-Tarife nur für die Zeit Anspruch haben, in der sie effektiv
verliehen werden. Für die meiste Zeit wird es bestenfalls Arbeitslosengeld geben.

Perspektivisch ist die Neuregelung aber als Angriff auf die Stammbelegschaften
gedacht. In Deutschland steigt der Anteil der Leiharbeit an der Gesamtbeschäftigung
zwar. Verglichen mit unseren KollegInnen in anderen europäischen Regionen ist
er aber immer noch vergleichsweise niedrig. Die Wirtschaft fordert deshalb seit
Jahren Änderungen, denn sie ist an flexibler und möglichst kurzfristig und unkompliziert
mobilisierbarer Arbeitskraft interessiert. Je einfacher Leiharbeit zugekauft
werden kann, desto kleiner können theoretisch die Stammbelegschaften sein und
desto größer ist der Lohn- und Zeitdruck auf uns. Dieser Forderung versucht
die Bundesregierung mit der Neuregelung nachzukommen, mit der gleichzeitigen
Option, Teile der Arbeitslosen für den Zeitarbeitsmarkt zu mobilisieren oder
zumindest damit zu drohen.

Ob Regierung, DGB und Bosse mit ihrem Deal auf unsere Kosten durchkommen,
ist noch nicht ausgemacht. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, was wir bereit
sind, mit uns machen zu lassen. Das Sklavenhändler-Gewerbe ist ein ziemlich
unreguliertes, in dem die DGB-Gewerkschaften mit ihren Befriedenstrukturen niemals
richtig Fuß gefasst haben. Die Bosse in der Branche sind in verschiedene Interessengruppen
zersplittert und untereinander völlig zerstritten. Die meisten von uns, die
bei Sklavenhändlern anschaffen gehen, machen das mit der Perspektive, möglichst
schnell was anderes zu finden. Mithin einige gute Voraussetzungen für eine Strategie
der Nadelstiche und der Direkten Aktion. Diese Situation wird sich vermutlich
noch verbessern, wenn erst die in größerem Umfang zwangsvermittelte Arbeitslose
mit Null Bock auf Scheissjobs bei den Sklavenhändlern auflaufen werden. Das
könnte eine lustige Mischung von Sklaven werden, deren vornehmliches Interesse
es ist, nicht oder so wenig als möglich ausgelutscht zu werden und den Job möglichst
schnell wieder quitt zu werden. Und nebenbei sollten wir natürlich nicht vergessen,
den KollegInnen immer wieder deutlich zu machen, dass die professionellen Befrieder
der DGB-Gewerkschaften ihre Gefälligkeits-Tarifverträge im Interesse ihrer Spezies
in der Politik und dem der Firmen, deren Co-Management sie betreiben, abschliessen
- aber NOT IN OUR NAME!

Aktuelle Hintergrundinfos in Sachen PSA und Hartz gibt es - unter unterschiedlichen
Blickwinkeln - u.a. bei:

http://www.anti-hartz.de


http://www.labournet.de

FAU-INFO - 04.02.2003

Eventuell findet am am 6./7. Februar eine weitere Verhandlungsrunde
zum Abschluß eines PSA-Tarifvertrages in Frankfurt/M in der IGM-Zentrale statt.
Achtet auf Ankündigungen z.B bei www.labournet.de
oder www.fau.org !