Gegen den ver.di und IGM Gefälligkeitstarifvertrag - Smalltalk mit Herrn Sommer

Berliner Aktiönchen zum "Tag der Gewerkschaften"

Morgen, am 30. Januar beginnen die Verhandlungen über einen flächendeckenden Tarifvertrag für die gesamte Zeitarbeitsbranche. Verhandelt wird zwischen den Vertretern der Zeitarbeitsverbände und den im DGB organisierten Gewerkschaften.


Darum wurde vom Bundesweiten Anti-Hartz-Bündnis zu einem Aktionstag aufgerufen, um die Gewerkschaften wenigstens an den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zu erinnern. Mit dem mittlerweile in etwas abgewandelter Form zum Teil schon in Gesetze gegossenen "Hartz-Papier" kommt nämlich die Verpflichtung flächendeckend PSA's einzurichten.

Deren Aufgabe wird es sein, Arbeitskräfte zu verleihen bzw oder sie an andere Leiharbeitsfirmen zu vermitteln. Dumm nur, daß der DGB gebraucht wird um das Ganze mit dem Tarifrecht in Einklang zu bringen und dümmer noch, daß sich seine Funktionäre dazu hergeben, die massenhafte Einführung von Leiharbeit tarifvertragtraglich zu legalisieren und zu legitimieren. Zugleich ist zu befürchten,
daß Tarife ausgehandelt werden, die weit unter den sonst üblichen liegen. Daß
hieße, daß Arbeitlose massenhaft in Lohndrückerjobs gezwungen werden und daß
die Standards, die bisher noch einigermaßen erträgliche Löhne bei einigermaßen
abgesicherten Bedingungen boten, weiter zerstört werden.

Denkbar wäre z.B. folgendes Szenario:

Anja Schmidt , 25 Jahre, Fleischverkäuferin, 1000 Euro Nettolohn, wird zum
31. Januar 2004 von ihrem Kaufhaus entlassen. Sie muß sich am Tag, an dem sie
ihre Kündigung bekommen hat beim Arbeitsamt melden, meldet sie sich erst später
muß sie nach den neuen Hartz-Gesetzen mit einer Kürzung ihres Geldes rechnen.

Anja Schmidt erhält ein Arbeitslosengeld von 610 Euro. Das "JobCenter" (vormals
Arbeitsamt) steckt sie nach einem Monat in eine Leiharbeitsfirma, umgetauft
in "PSA" (PersonalServiceAgentur[1]). Die wird von der bekannten und beliebten
Firma Randstadt betrieben.

Die PSA verleiht sie sofort zurück an ihr Kaufhaus. Das ist jetzt erlaubt.
Sechs Wochen muß sie zur Probe für ihr Arbeitslosengeld arbeiten. Danach macht
sie ihren alten Job für 800 Euro, also 20% weniger.

Diesen Tarif hat Ver.di mit Randstadt gemacht. Da ihre Warmmiete 400 Euro beträgt
bleiben ihr zum süßen Leben noch 400 Euro übrig. Anja Schmidt ist empört.

Doch das "JobCenter" droht ihr mit 12 Wochen Sperrzeit, wenn sie die Leiharbeit
nicht annimmt.

Zum Aktionstag fanden sich auch in Berlin einige potentielle Anja Schmidts
um 14 Uhr vor der DGB-Zentrale am Hackeschen Markt zusammen. Leider (wie meist)
fast nur Arbeitslose (für Leute mit Jobs war es allerdings auch ne Scheiß-Zeit)
und davon nur 20.

Die meisten Menschen scheinen offenbar noch nicht erkannt zu haben, was da
auf sie zukommen kann. Hinzu kommt, daß die Sache extrem kurzfristig organisiert
war. Da standen sie dann also vor dem DGB-Gebäude, froren, verteilten Flugblätter
und hielten ein Transparent gegen Zeitarbeit und Niedriglohn in den Wind. Im
Foyer der Gewerkschaftszentrale standen unterdessen Bullen und unterhielten
sich mit Gewerkschaftsfunktionären.

Das wäre auch schon alles gewesen, was man dazu hätte schreiben können, wenn
nicht... wenn nicht aus dem Gewerkschaftshaus ein Gesprächsangebot gekommen
wäre und nicht Herr Sommer persönlich aus seinem Büro heraus-, und zu den DemonstrantInnen
auf die Straße gekommen wäre.

Soviel "Volksnähe" hätte man ihm gar nicht zugetraut. Da war er dann also -
eskortiert von 2 weiteren Funktionären und beschwichtigte.

Nein, der Grundsatz "gleicher Lohn für Gleiche Arbeit" gelte natürlich immer
noch, und die Gewerkschaften würden natürlich alles tun um das durchzusetzen.
Auch sprach er vor der laufenden Kamera eines OKB-Teams davon, daß die Gewerkschaften
selbstverständlich "Härtefällen nachgehen" würden, wenn sich die Betroffenen
bei den Gewerkschaften melden.

Man wird ihn beim Wort nehmen müssen. Möglicherweise hätten ihm auch noch weitere
Versprechungen aus der Nase gezogen werden können, wenn die um den guten Mann
herumstehende Menschentraube nicht ganz so vielstimmig und gleichzeitig auf
ihn eingeredet hätte.

Nach 20 Minuten chaotischer Diskussion schaute er auf seine Uhr, hatte Termine
und ging zurück in sein Büro.

Danach fragt man sich, was das alles zu bedeuten hat.

Daß Herr Sommer den DGB in eine strikt klassenkämpferische Organisation umstrukturieren
wird, ist unwahrscheinlich. Wie die Zeitarbeitstarife am Ende aussehen ist nicht
wirklich zu sagen.

Jeder/jede, die/der seine Brötchen als LohnarbeiterIn verdienen, oder sich
durch den Dschungel aus Ämternerv und Schikanen hindurchwühlen muss, damit die
Miete bezahlt wird, kann nur hoffen, daß die DGB-Gewerkschaften ihre Macht tatsächlich
ausspielen und dieser Tarifvertrag - wenn er denn schon abgeschlossen wird -
nicht allzu beschissen ist.

Hoffen zu müssen ist aber eigentlich kein schöner Zustand. Wenn man nichts
tut außer hoffen, sollte man am besten in der Kirche für bessere Löhne zu beten,
was genau soviel bringt wie darauf zu warten, daß ein paar gut bezahlte Funktionäre
es schon richten werden.

Der Kampf um bessere Lebensbedingungen kann nur von uns selbst geführt werden
und den Widerstand gegen Ausbeutung und Lohnarbeit müssen wir selbst organisieren.

mehr Infos unter:

www.anti-hartz.de

www.labournet.de

sowie www.fau.org

[1] Am Rande und eigentlich gar nicht komisch: Personal Service steht im englischen
Sprachgebrauch eigentlich nur für eine ganz besondere Form der Dienstleistung...

Homepage: www.arbeitszwang.de

Eventuell findet am am 5./6. Februar eine weitere Verhandlungsrunde zum Abschluß
eines PSA-Tarifvertrages in Frankfurt/M in der IGM-Zentrale statt. Achtet auf
Ankündigungen z.B bei www.labournet.de
oder www.fau.org !