Erstes Zeichen gegen Studiengebühren

Bundesweit demonstrierten heute mindestens 20.000 Leute in fünf Städten gegen Studiengebühren. In Essen mit 1000, Hamburg mit 7000, Mannheim mit 3000, Leipzig mit 8000 und Berlin mit 1000 DemonstrantInnen.

In Leipzig demonstrierten heute 8000 StudentInnen gegen Studiengebühren unter dem Motto: "Für eine freie Bildung - Bildung ist keine Ware", was immer in dieser Gesellschaft auch eine "freie Bildung" sein soll. Dafür sind aus den verschiedensten Städten Sachsen, Sachsen-Anhalts und Thüringens viele in Bus und Zug angereist.
Auch vorne mit dabei waren das Bildungssyndikat Leipzig und die Linke StudentInnengruppe. Zudem gab es eine schicke Kapitalisten-Combo mit dem Leitspruch "Studiengebühren sind Klasse". Das Sprüchereservoir wurde nicht erweitert, es blieb bei der Bandbreite von "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut" bis "Alles für alle und zwar umsonst". Am Ende durften noch Parteipolitiker von SPD, Grüne und PDS ihre Phrasen und Absichtserklärungen loswerden.

In Mannheim gab es eine recht bunte, stimmungsvolle Demo zu der das Bildungssyndikat Lahn (Gießen/Wetzlar) seinen Teil beitrug. Auf der Abschlusskundgebung redete u.a. ein SPD-Mitglied. Diesem jubelten die Studierenden genauso zu wie den anderen Rednern. Im Laufe der Demo kam es zu einem Übergriff von Polizisten, auf einen Demonstranten der es gewagt hatte, einen Uniformierten zu bitten nicht auf seine Hosen zu treten. Die Festnahme erfolgte äußerst brutal. Als der Vorfall der restlichen Demo bekannt gemacht wurde, solidarisierten sich einige 100 Demonstranten mit dem Festgenommenen und konnten so mit dazu beitragen, dass dieser wieder frei kam. Nach der Abschlusskundgebung startete eine weitere Spontandemonstration durch die Mannheimer Innenstadt, während dieser wurden immer wieder Kreuzungen besetzt.

Bericht über die Demo und die Festnahme in Mannheim:
http://freie-radios.info/portal/content.php?id=8704

Kommentar zu Leipzig

Es war eine ganz nette Demonstration, auch wenn die mediengerechte Moderation des Ganzen durch den StudentInnenRat und dessen Umfelds ein wenig befremdete: ein wenig Radikalität hier, ein wenig Show dort (mittels Scheinblockaden und Sprinteinlagen), das überhaupt nicht notwendige Bedienen des Lokalpatriotismus der einzelnen Bundesländer, das ewige Rumreiten auf dieser "freien Bildung" oder das Zulassen von Parteipolitikern auf der Demo, wie des SPD-Typs (nach dem Motto "Ihr braucht nicht demonstrieren, wir machen das schon im Parlament!"). Ein Beispiel auf der Kreuzung des Augustusplatzes: Vorne steht ein Mensch von der KSS (Konferenz sächsischer Studierendenschaften) mit Megaphon, dahinter die Demospitze, die anfängt abzuzählen um loszulaufen. Bei Null angekommen bleiben sie trotzdem stehen. Dann zählt der KSS-Mensch mit Megaphon ab und alle rennen los...
Ob sich mittels Dirigierung und Inszenierung wie der Vollversammlung vom 27.1. oder bei der heutigen Demonstration in Leipzig radikale Studierendenproteste befördern lassen, die über Oberflächlichkeit hinausgehen und eine ernsthafte Bedrohung für die Einführung von Studiengebühren darstellen? Bezeichnend, daß viele StuRa-Repräsentanten letztendlich aus dem Streikkomitee hervorgingen, das gerade deshalb funktioniert hat, weil der alte StuRa sich zurückhielt und die Streikenden gewähren ließ. Oder ließ er sie nur gewähren, weil dieses Komitee aus einer unabhängigen Initiative für ein Bündnis gegen Sozial- und Bildungsabbau (initiiert durch die Linke StudentInnengruppe) hervorging und der StuRa so nicht von Anfang an die Hand drüberhalten konnte? Letztendlich ist klar, daß sich die Emanzipation der Studierenden, selbst für ihre eigenen Interessen aktiv zu werden, und die Dirigierung des Protests durch den StudentInnenRat gegenseitig ausschließen. Die Leute die sich nach dem Streik in den StudentInnenrat hineinbegeben haben, werden die gleichen Illusionen erleben wie ihre Vorgänger. Sie füllen letztendlich eine Funktion aus, die das Vertreten, das Bevormunden und das Dirigieren mit einschließt. Dabei mag guter Wille dabei sein, er reicht jedoch in einer solch starren gesetzlich und ideologisch normierten Struktur, wie die studentische Selbstverwaltung sie derzeit darstellt, nicht aus. Letzendlich ist eine andere Art von Organisierung nötig, die direkt an der Selbstverantwortlichkeit der Menschen ansetzt und diese stärkt, anstatt sie auf andere abzuwälzen - eine Organisierung, die selbstorganisiert ist, kämpferisch und solidarisch...


Zur Erinnerung
... ein Artikel aus der "Direkte Aktion" vom Januar/Februar 2004.