Einheit von unten statt Tarifeinheit von oben!

1.000 Leute auf Demo gegen Einschränkung des Streikrechts in Frankfurt/M

Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken brachte es auf den Punkt: die beste Verteidigung gegen die Einschränkung des Streikrechts wird der Streik selbst sein, auch über den 22. Mai hinaus, wenn das sogenannte Tarifeinheitsgesetz im Bundestag beschlossen werden sollte.
Bei windigsonnigem Frühlingswetter hatten sich am 18. April annähernd 1.000 Menschen in Frankfurt versammelt, um bei lautstarker Musik, mit vielen Fahnen und Transparenten gegen eine gesetzliche Tarifeinheit zu protestieren.

Organisiert wurde die Demonstration vom Aktionsbündnis „Hände weg vom Streikrecht – Für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit“, zu ihr aufgerufen haben die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG), die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU), die GDL, verschiedene Gliederungen von ver.di und GEW, ATIF, sowie weitere Organisationen und Einzelpersonen. Die Demonstration begann am Kaisersack und zog über den Willy-Brandt-Platz bis zum Eisernen Steg am Mainufer, um sich dort mit einer Kundgebung gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zu vereinigen.

Den Anfang einer Reihe von Redebeiträgen machte Winfried Wolf, der Initiator der Streikzeitung der GDL. Er warnte davor, den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit isoliert von anderen Angriffen auf die gewerkschaftliche Aktionsfreiheit zu betrachten: Weitere Verschärfungen liegen in den Schubladen des Regierungsparteien. So erwägt man beispielsweise, jedem Arbeitskampf per Gesetz eine Zwangsschlichtung vorzuschalten.

Bei der Zwischenkundgebung am Willy-Brandt-Platz betonte Rudolf Mühland für die FAU den unschätzbaren Wert, dass so viele KollegInnen der GDL, der Solidaire, Ver.di und der FAU heute gemeinsam zusammenstehen, um das Tarifeinheitsgesetz zu verhindern. Nur so bekomme man auch eine „Einheit“ hin: „Auf freiwilliger Basis, von unten auf, mit gegenseitiger Akzeptanz für die Vielfalt der Organisationen.“ Mühland schloss seine Rede mit einem Zitat aus dem spanischen Widerstand gegen die Franco-Diktatur: „Gemeinsam an einem Pfahl ziehen, drücken und rütteln bis er fällt. Immer bim Interesse der von der Lohnarbeit Abhängigen, der Arbeiterinnen. Das ist Einheit in unserem Sinne.“

Die Rednerin der französischen Basisgewerkschaft Solidaires führte aus, dass auch in anderen Ländern das Streikrecht unter Beschuss stehe, und dass die Entwicklungen in Deutschland solidarisch beobachtet werden. Bei der Abschlusskundgebung betonte der Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken, dass die im Gesetz vorgesehene „Mitzeichnung“ eines von der mitgliederstärksten Gewerkschaft beschlossenen Tarifvertrags durch andere Gewerkschaften keinerlei Vertragsfreiheit mehr beinhalte.

In einer sehr kämpferischen, mitreißenden Rede unterstrich der stellvertretende Vorsitzende der GDL, Norbert Quitter, die Bereitschaft in der kommenden Woche wieder in den Streik zu treten. Er betonte die Wichtigkeit der Unterstützung des Aktionsbündnisse, wenn ab diesem Zeitpunkt wieder gewaltige Verleumdungskampagnen über die GDL hereinbrechen werden: „Helft uns vor allem mit, die in der Öffentlichkeit zu erwartende neue Hetze gegen uns abzuwehren und verbreitet weiter unser gemeinsames Anliegen.“

Er bekundete die außerordentliche Solidarität mit den in der kommenden Woche ebenfalls in den Ausstand tretenden Erzieherinnen von Ver.di sowie den Postgewerkschaftlern, die gegen die Auslagerung neuer MitarbeiterInnen in eigens gegründete Servicefirmen protestieren, mit der die Post den Haustarifvertrag aushebeln will. „Gemeinsam müssen wir den Angriffen begegnen, dann können wir auch was erreichen“, schloss Quitter seinen von Applaus begleitenden Redebeitrag.

Insgesamt wurde auf der Demonstration deutlich, dass genau das, was die Mächtigen verhindern wollen, wirksam und lebendig wird: eine Streik- und Gewerkschaftsbewegung außerhalb des DGB.

Dokumentiert: Der Redebeitrag der FAU

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die FAU – Freie Arbeiterinnen Union - ist eine seit 1977 bestehende Gewerkschaftsföderation. Wir haben uns gegründet mit dem Anspruch, dass unsere Berufs- und Industrie-/Branchengewerkschaften lokal zusammengefasst sind, basisdemokratisch von unten auf funktionieren und konfrontativ, offensiv und selbstbewusst mit den Bossen umgehen.

In der Tradition syndikalistischer Gewerkschaften streben wir eine größtmögliche Einheit der Arbeiterinnen an. Das auch logisch. Ganz nach dem Motto „Allein machen sie dich ein“ sind Gewerkschaften ja dazu da, die geringe Macht der einzelnen zu bündeln und als Organisation eine Gegenmacht darzustellen, um die Bosse zu Verhandlungen und Zugeständnissen zu zwingen. Nach unserer Lesart garantiert die Koalitionsfreiheit nach GG Art. 9 Abs. 3, dass drei sich organisierende Kolleginnen eine Gewerkschaft sind. Und diese hat das unumstößliche Recht zu streiken und auch sonst alles zu tun was im alltäglichen Arbeitskampf hilfreich ist. Aber wir gehen noch weiter und behaupten ein individuelles Menschenrecht auf Streik – auch jenseits der Organisationsstruktur der Gewerkschaft.

Aus der Sicht großer Organisationen mögen zahlenmäßig kleine Streiks kaum oder gar nicht vorkommen. Aber sie sind da! Wie zum Beispiel in der Dresdner Szene-Kneipe „trotzdem“. Drei in der Basisgewerkschaft Nahrung und Genuss organisierte Jobberinnen/Kellnerinnen streikten hier vor einem Jahr wochenlang für ihre Arbeitsplätze.

Wir lassen uns das Streiken nicht verbieten! Auch wenn der Nahles, weiten Teilen der SPD und der Großen Koalition alles daran gelegen zu sein scheint das Streikrecht so massiv wie noch nie zuvor seit dem zweiten Weltkrieg anzugreifen und einzuschränken.

Es ist und es wird heute noch viel über das Tarifeinheitsgesetz gesagt werden. Wir wollen nichts wiederholen. Stattdessen wollen wir auf die Gefahr hinweisen, dass das Tarifeinheitsgesetz es den Bossen erleichtert, gelbe Gewerkschaften zu fördern oder zu gründen. Viele von euch kennen schon heute die Probleme und Herausforderungen die zum Beispiel mit gelben Betriebsratslisten. Erinnert sei auch an die christliche Tarifgemeinschaft Zeitarbeit oder an die sogenannte „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ bei der Pin Group bis 2009. Unterstrichen werden muss auch die weitere Zerstörung der Flächentarifverträge durch das Prinzip der „mitgliederstärksten Gewerkschaft im Betrieb“.

Einige sehen das vielleicht anders, aber wir brauchen neue Gewerkschaften. Nicht nur, weil wir als FAU dafür stehen, dass Gewerkschaften deutlich radikaler, konfrontativer und offensiver sein müssten. Sondern auch weil der permanente und immer schnellere Wandel neue, kreative und aktivierende Formen von Gewerkschaften geradezu fordert. Eine bunte Vielfalt im Spektrum der Gewerkschaften ist nicht nur legitim, sondern heutzutage auch unverzichtbar.

Unsere „Einheit“ im Arbeitskampf ist eben etwas ganz anderes als die gesetzliche Zwangsvereinheitlichung wie es das Tarifeinheitsgesetz vorsieht. Die SPD müsste aus der eigenen Geschichte um die Problematik und das anti-demokratische Potential staatlich verordneter Zwangseinheit wissen. Frei nach dem Motto „Wer sich nicht wehrt – der lebt verkehrt“ leisten wir den uns zur Zeit möglichen Widerstand. Und eben dieser Widerstand, so klein er uns Heute vielleicht erscheinen mag, denn schließlich demonstrieren wir heute nur, anstatt das ganze Land mit einem unbefristeten Massenstreik lahm zu legen, eben dieser Widerstand ist schon jetzt der lebendige Ausdruck davon das „Einheit“ nicht mit Einheitsorganisation, egal ob freiwillig oder per gesetzlichem Zwang, verwechselt werden darf.

Heute stehen hier, um wirklich nur einige Beispiele zu nennen, Kolleginnen der GDL, der Solidaire, Ver.di und der FAU. Politisch bekennen sich einige zum Anarchismus, zum Kommunismus, zur Sozialdemokratie oder vielleicht sogar zur Sozialpartnerschaft. Und wie kann man denn mehr Einheit schaffen, als durch die gemeinsame Aktion so verschiedener Organisationen und Positionen gegen oder für ein bestimmtes Ziel?

Wir halten der Nahles, der Regierung und den Bossen entgegen: So funktioniert Demokratie. Und nur so bekommt man auch eine „Einheit“ hin: Auf freiwilliger Basis, von unten auf, mit gegenseitiger Akzeptanz für die Vielfalt der Organisationen.

In Anlehnung an ein altes Lied aus dem Widerstand gegen Franco sei noch
gesagt: Gemeinsam an einem Pfahl ziehen, drücken und rütteln bis er fällt. Immer im Interesse der von der Lohnarbeit Abhängigen, der Arbeiterinnen. Das ist Einheit in unserem Sinne.
Danke für eure Aufmerksamkeit!

Weiterer Bericht bei

Demonstration in Frankfurt gegen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit