FAU Berlin beendet Konflikt mit Bally Wulff

Artikel aus der aktuellen „DA“ mit weiteren Einzelheiten zum Ausgang

Wie die FAU Berlin am 9. April bekannt gab, wurde im März 2012 der Konflikt mit dem Spielgerätehersteller Bally Wulff durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Der gekündigte und von der FAU unterstützte Siebdrucker erhielt von seiner Firma einen Ausgleich. Dieser orientiert sich, aufgrund der 23jährigen Betriebszugehörigkeit, an der üblichen Höhe. Zur Zeit befindet sich der Gekündigte, bis zu seiner Entlassung im Juni 2012, in einer Weiterbildungsmaßnahme, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Ein weiterer gekündigter, aber nicht in der FAU organisierter Kollege bekam ebenfalls ein Angebot vorgelegt.

Damit endete der Versuch von Bally Wullf, schon seit Jahrzehnten beschäftigte Kollegen ohne hohe Kosten aus den Betrieb zu entfernen. Der Entschluss und die Einsicht der Geschäftsführung ist nur zu begrüßen, obwohl die geforderte Weiterbeschäftigung nicht erreicht werden konnte.

Nicht ganz freiwillig
Ganz so vernunftgedüngt dürfte die Entscheidung allerdings nicht gewesen sein. Seit Oktober 2011 stand die FAU Berlin immer wieder mit ihren Forderungen vor den Werkstoren in Berlin Neukölln und informierte die Belegschaft über die Vorkommnisse. Ein Aktionstag vor Bally Wulff Verkaufsstellen machte den Konflikt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.

Das Image des sozial engagierten Unternehmens bekam einige Kratzer. Ein gutes Image ist gerade im Glücksspielbereich überlebensnotwendig. Spielsucht ist in aller Munde und vor allem in Berlin heiß diskutiert. 2011 verabschiedete Berlin, als erstes Bundesland, ein Spielhallengesetz, das das Aufstellen von Automaten an harte Bedingungen knüpft. Spielautomatenhersteller fürchten also nicht ohne Grund Absatzprobleme und suchen gezielt das Gespräch mit der Politik. Da kommen Probleme mit wehrhaften Beschäftigten im Betrieb mehr als ungelegen.

Während sich Bally Wulff im Januar auf der internationalen Branchenmesse IMA in Düsseldorf aufwendig präsentierte und die Übernahme durch die Schmidt-Gruppe feierte, standen FAU AktivistInnen vor den Toren der Messe und verteilten Flugblätter. Etwa zur gleichen Zeit scheiterte die Geschäftsführung vor dem Arbeitsgericht, der FAU Berlin den Mund zu verbieten.

Ein Stück vom Kuchen
In den Pressemitteilungen der Firma bekam die Schließung der Siebdruckerei in Berlin keinerlei Platz. Stattdessen wurde nach IMA verkündet: „Trotz der getrübten politischen Großwetterlage und einer eher verunsicherten Stimmung innerhalb der Branche, fährt BALLY WULFF dieses Jahr mit vollen Auftragsbüchern nach Berlin zurück.“ Allein diese optimistische Darstellung ist ein Grund für alle KollegInnen bei Bally Wulff sich ein Stück vom Kuchen zurückzuholen.

Seit 2008 hatten die Beschäftigten einiges, mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrates, hinnehmen müssen: Die Beschäftigtenzahl sank rapide, Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich und Verzicht auf Urlaubstage. Hinzu kommen schlechtere Konditionen für Neueinstellungen und der Versuch, wie im Siebdruckerkonflikt, Altverträge zu dezimieren. Frauen scheinen einer besonderen Ungleichbehandlung ausgesetzt zu sein. So werden Frauen, die vor 2008 in der Produktion eingestellt wurden, durchschnittlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.

Solidarisch gegen Spaltung
Natürlich müssen sich Unternehmen den Marktlagen anpassen. So ist es nicht möglich heutzutage die gleichen Geräte, wie vor 30 Jahren zu verkaufen. Der Fokus auf moderne, programmierbare „Multigamer“ führt auch zu einer Umstrukturierung des Unternehmens. Weg von handwerklicher Produktion, hin zu Softwareentwicklung. Dies muss aber nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen. Umschulung und Weiterbildung, wie auch von der FAU gefordert, sind in jedem Alter möglich, wenn der Wille oder das Druckpotential auf die Geschäftsführung vorhanden ist.

Beschäftigte dürfen sich nicht spalten lassen in hochqualifizierte, unverzichtbare KopfarbeiterInnen und leicht austauschbare HandarbeiterInnen. Eine Software benötigt eine Hardware, auf der sie läuft. Das ist auch bei Bally Wulff nicht anders. ArbeiterInnen beider Arbeitsformen sind voneinander abhängig und müssen ihre Kämpfe gemeinsam führen.

Der Einsatz von schlecht bezahlter Leiharbeit in der Produktion führt ebenso merklich zur Spaltung der Belegschaft. Die Tatsache, dass LeiharbeiterInnen nicht direkt beim Unternehmen angestellt sind, verhindert soziale Kontakte zur Stammbelegschaft, da man befürchtet bald in einer anderen Firma eingesetzt zu werden und sich als ArbeiterIn zweiter Klasse fühlt. Hier kann ein Zugehen der Stammbelegschaft auf LeiharbeiterInnen einiges bewirken. Zwar kommt es bei Bally Wulff immer wieder vor, dass LeiharbeiterInnen in die Stammbelegschaft übernommen werden, eine vertragliche Betriebsregelung gibt es jedoch nicht.

Level 2
Die FAU Berlin hat den Beschäftigten vor Augen geführt, dass sich Interessen von Beschäftigten durchsetzen lassen. Zur Zeit besteht ein Zutrittsverbot für die GewerkschafterInnen der FAU, dass sich wohl kaum aufrecht erhalten lassen wird. Das Angebot an die direkt und indirekt Beschäftigten, sich in der FAU zu organisieren und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen einzustehen, ist gemacht. Aus den Prinzipien der FAU ergibt sich, dass dabei die Betroffenen selbst die Zügel in die Hand nehmen müssen, eine Stellvertretung lehnt die FAU ab.

Schon mit nur einem Mitglied im Betrieb konnte ein ansehnlicher Erfolg erreicht werden, eine Betriebsgruppe kann so einiges mehr leisten. Also, auf zu Level 2!

Sektion Bau und Technik in der FAU Berlin

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitung „Direkte Aktion“.

Weitere Informationen:

• DA 209 Jan/Feb 2012: Mit Angestellten spielt man nicht
• 30. November 2011: Bally Wulff: Aktionstag in über acht Städten
• 30. November 2011: Bally Wulff: Poker beim Automatenhersteller
• DA 208 Nov/Dez 2011: Keine Glückssache
• 17. Oktober 2011: Die erste Kundgebung: Ausgezockt, Bally Wulff! Gegen Lohndumping und Outsourcing!