Tarifrunde Bund und Kommunen 2010: Immer das Gleiche?

Rituale sollen ja manchen Menschen Sicherheit geben. Unerträglich wird es jedoch, wenn sie geradezu zwanghaften Charakter gewinnen. Jüngstes Beispiel: Die gerade erst angelaufene Tarifauseinandersetzung der Beschäftigten bei Bund und Kommunen.

Die Prozedur ist immer die gleiche: Die Bundestarifkommission der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ringt sich eine Forderung ab, die weit hinter dem zurückbleibt, was in den einzelnen Bezirken aufgestellt wird. Nichtsdestotrotz reagiert die Arbeitgeberseite geradezu entsetzt, schwadroniert von Verantwortungslosigkeit, „Unfinanzierbarkeit“ und droht mit Stellenabbau. Brav sekundiert von den Wirtschaftsforschungsinstituten - irgendeinen Grund für „maßvolle Lohnabschlüsse“ gibt's allemal. So weit, so klar, so kalkulierbar.

Der Lack ist längst ab: Jetzt auch in Dottergelb

Mehr Schein als Sein

Der springende Punkt sind jedoch die Forderungen. Vom „Gesamtvolumen“ her fünf Prozent fordert ver.di für die rund 2,1 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Was dabei hinten raus kommt, wurde in den vergangenen Tarifrunden offenbar: Nicht etwa fünf Prozent bar auf Tatze, sondern zeitlich gestaffelt, über eine Laufzeit von mehreren Jahren. „Lineare“ Lohnsteigerungen wird das dann genannt. Der dbb beamtenbund und tarifunion, der neben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zusammen mit ver.di am Verhandlungstisch sitzt, nennt es ehrlicherweise von vornherein beim Namen. Die Arbeitgeberseite, die am 13. Januar zunächst ohne Angebot in die erste Verhandlungsrunde in Potsdam ging, stellt bislang nur 1,2 Prozent in Aussicht. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske kündigte bereits für den Fall des Scheiterns der für den 31. Januar anberaumten zweiten Verhandlungsrunde ab Anfang Februar Warnstreiks an. Auch das gehört zum Ritual.

Von der bislang nur herbei geunkten „harten Tarifrunde“ ist noch lange keine Spur. Im Gegenteil: Bisher sieht es so aus, als würde alles in gewohnten Bahnen verlaufen: Wieder wird auf Zeit gespielt, die obligatorische Drohkulisse aufgebaut, es werden feurige Reden gehalten, Kundgebungen und Demonstrationen werden den Elan und die Wut der Beschäftigten als nächstes kanalisieren. Am Ende wird vielleicht tatsächlich gestreikt. Danach steht vermutlich wieder Krötensuppe auf dem Speiseplan.

Nicht nur Krötensuppe

An einer Suppe, die ihnen die verhandlungsführenden Gewerkschaften mit eingebrockt hatten, löffeln sie schon lange. Denn für einige Beschäftigtengruppen brachte der einst als „Jahrhundertreform“ mit reichlich Vorschusslorbeeren bedachte Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der 2005 den alten Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) ablöste, z.T. drastische Gehaltskürzungen mit sich. Teile davon sollen jetzt wieder wett gemacht werden, etwa durch die Wiedereinsetzung der Bewährungsaufstiege aus dem BAT. Eine damals von den Arbeitgebern in die Hand versprochene zeitnahe Einführung einer neuen Entgeltordnung wurde nie umgesetzt. Gerade die mittleren und unteren Vergütungsgruppen sind davon betroffen. Für Auszubildende soll es neben mehr Geld vor allem Übernahmegarantien von mindestens zwei Jahren geben. Verbunden wird die Forderung zugleich mit der nach einer tariflichen Altersteilzeitregelung für ältere Beschäftigte. Darüber hinaus werden branchenspezifische Verbesserungen angestrebt, etwa für den Bereich Krankenhäuser mit der Anhebung des Zeitzuschlages für Nachtarbeit und der Bereitschaftsdienstentgelte, die Höherbewertung der Zeiten bei „Holen aus dem Frei“ und Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte.

Unpopulär

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) setzt dagegen auf die Ausweitung des unter den Beschäftigten als „Nasenprämie“ verbrämten „Leistungslohns“, dessen Einführung ver.di seinerzeit mit trug. Jetzt wettert sie dagegen, dem Druck der Basis folgend, die diesen klar ablehnt. Selbst der dbb, ein ausgesprochener Befürworter der „Leistungsorientierte Bezahlung“, kurz LOB, genannten Prämien, steht der Arbeitgeberforderung skeptisch gegenüber. Auf die Fortsetzung der Verhandlungen darf man deshalb gespannt sein. Wenigstens die Rollen sind wie gehabt verteilt.

Nandor Pouget (FAU-Hannover)