Nein zur Verschärfung der Bürgergeldsanktionen!

Stellungnahme der AG Soziale Berufe der FAU Freiburg zu den aktuellen Plaenen der Bundesregierung.

Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer laufenden Spar- und Kürzungspolitik (u.a. bei den Agrarsubventionen oder im Sozialbereich) die Sanktionen für Menschen im Bürgergeld verschärfen. Bisher gilt, dass wer Bürgergeld bezieht und seiner „Mitwirkungspflicht“ nicht nachkommt – d.h. beispielsweise nicht zu einem Termin erscheint, eine „zumutbare“ Arbeit nicht annimmt oder an einer Maßnahme der Agentur nicht teilnimmt – dem werden beim ersten Verstoß die Leistungen für einen Monat um 10% gekürzt, beim zweiten Verstoß zwei Monate um 20% und beim dritten Verstoß 3 Monate um 30%. Diese Kürzungen bedeuten für Menschen im Bürgergeldbezug schon jetzt starke finanzielle Einschnitte und verschärfen ihre Armutslage. Durch die geplante Änderung soll es nun möglich werden Menschen im Bürgergeldbezug, welche die Aufnahme einer Arbeit ablehnen bis zu zwei Monate den gesamten Regelsatz zu kürzen. Übernommen werden dann nur noch Wohn- und Heizkosten. Die Betroffenen werden so willentlich in eine extreme Armutslage gestoßen.

Besonders perfide sind diese Pläne, wenn man bedenkt, dass Massenarbeitslosigkeit ein systemisches Phänomen aller kapitalistischen Gesellschaften ist. Vollbeschäftigung hingegen stellt eine absolute Ausnahmeerscheinung in diesen dar. Unternehmen haben in unserer Gesellschaft nicht den Zweck allen Menschen ein Auskommen zu sichern, sondern nur maximale Profite einzufahren. Dafür sind sie einerseits auf Arbeitskräfte angewiesen, andererseits sind diese nur ein „Kostenfaktor“ und es wird versucht so viele Arbeitsschritte wie möglich zu rationalisieren. Die Folge ist ein den Konjunkturzyklen folgendes stetiges Ab- und Anschwellen der Arbeitslosenzahlen und – in Deutschland spätestens seit den 70er Jahren – eine konstante hohe Rate an Menschen ohne Arbeitsplatz, obwohl es an Arbeit nicht mangelt. Die Alternative um Vollbeschäftigung zu erreichen – eine radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich – würde die Profitraten der Unternehmen schmälern und das ist politisch nicht gewollt.

In der politischen Debatte wird aber nicht diese Tatsache skandalisiert, sondern es wird auf die angeblich „faulen“ Arbeitslosen geschimpft. Diese seien doch für ihr Schicksal selbst verantwortlich, so als hätten sie sich ihre Existenz als Lohnarbeiter:innen selbst ausgesucht und seien nicht in sie hineingeboren worden. Beispielsweise werden sie (und Asylsuchende) von Finanzminister Christian Lindner, welcher nebenbei bemerkt 15.000 € netto im Monat verdient, den von Kürzungen protestierenden Bauern als Sündenbock präsentiert. Es ist die alte Politik die Verlierer:innen des kapitalistischen Systems gegeneinander auszuspielen.

Aus gewerkschaftlicher Perspektive sind Sanktionen strikt abzulehnen: Diese haben die Funktion Druck auf Erwerbslose zu erzeugen, jede noch so schäbige Arbeit anzunehmen. Sie tragen damit massiv zum Bestehen des Niedriglohnsektors mit seinen prekärer Arbeitsverhältnisse (Leiharbeit, Mini-Jobs, Schein-Selbstständigkeit, etc.) bei. Einem Sektor in dem viele Unternehmen nicht tarifgebunden sind und stetig versuchen geltendes Arbeitsrecht zu umgehen. Zudem wirken die Sanktion auch als Drohkulisse, bloß nicht kämpferisch für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu streiten, droht doch immer die Arbeitslosigkeit mit potentieller Totalsanktion und der damit verbundene materielle, wie soziale Abstieg.

Auch aus fachlicher Sicht einer professionellen Sozialen Arbeit sind Sanktionen abzulehnen: Überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind Frauen, Ungelernte, alte Menschen, Menschen mit sogenanntem „Migrationshintergrund“, Menschen mit Behinderung oder Menschen mit psychischen Erkrankungen. Diese teilweise besonders vulnerable Gruppen sehen sich einer allgegenwärtigen Stigmatisierung gegenüber. Laut der Mitte Studie 2023 sind sie nach Geflüchteten und Roma & Sinti die Gruppe mit der dritt höchsten Ablehnung. Meist werden sie als „faul“ und „arbeitsscheu“ etikettiert. Faktisch ist es aber so, dass Arbeitslosigkeit und das ist seit der bekannten Marienthal-Studie immer wieder belegt worden, erhebliche Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen hat. Es entfallen die strukturierenden, integrierenden und identitätsstiftenden Funktionen der Lohnarbeit. Die Diskriminierung uns Selbststigmatisierung tun ihr übriges. Die Folgen sind eine schlechtere Gesundheit, meist Rückzug aus außerfamiliären Zusammenhänge bis hin zur sozialen Isolation, sowie häufig Sucht- und Gewaltprobleme. Gefühle der Resignation, der Apathie und des Ausgeschlossenseins verfestigen sich. Dazu kommt die Armutslage der Betroffenen: Die Regelsätze sind aktuell schon zu niedrig. Eine Totalkürzung beraubt ihnen wichtige materielle Ressourcen und hat das Potential eine Verlustspirale mit weitreichenden biografischen Folgen auszulösen. Wenn zum Beispiel Raten, Schuldentilgung oder Verträge nicht weiter bedient werden können, drohen schnell zusätzliche Kosten und Gebühren.

Erfolgreiche Fallverläufe zeigen klar auf, dass es für Betroffene einerseits auf eine von ihnen als passend empfundene Arbeitsstelle, sowie auf den subjektiv passenden Zeitpunkt ankommt, zu dem sie sich (wieder) in der Lage sehen, die an sie gestellten Arbeitsanforderungen bewältigen zu können. Die formale Erwartungen einer jederzeit möglichen Arbeitsaufnahme geht an der Lebensrealität und den Problemlagen dieser Zielgruppe völlig vorbei. Der Zwang via Sanktion erreicht meist das Gegenteil: Leute nehmen eine Arbeit auf, können die an sie gestellten Anforderungen nicht bewältigen, werden wieder arbeitslos und erleben das meist als weiteres Scheitern und persönliches Versagen… Dabei braucht es keine „Zwangsarbeit“, sondern eine sinnstiftende Beschäftigung. Es braucht keine Arbeitsbeschaffung, sondern Unterstützung auf dem Weg zu guten und passenden Arbeitsstellen. Es braucht Löhne von denen ein Mensch leben kann und eine Wochenarbeitszeit die bewältigbar ist.

Als in der AG Soziale Berufe der FAU Freiburg organisierte Sozialarbeiter:innen lehnen wir die geplante Aenderung der Sanktionen im Buergergeld aufs Schaerfst ab! Hier wird eine Sparpolitik auf Kosten von Arbeitslosen und Armen gemacht. Wir sagen klar: Holt euch das Geld lieber bei den reichsten zehn Prozent der Bevoelkerung, denn sie besitzen zwei Drittel des Vermoegens!

AG Soziale Berufe der FAU Freiburg, 26.01.2023

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