Christoph Papsch

Nach dem Megadeal zwischen Flaschenpost und Dr.Oetker wird Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Flaschenpost und der Oetker-Tochter Durstexpress laut.

Beide Getränkelieferdienste würden die Fusion auf Kosten der Belegschaft durchziehen, sagen mehrere Mitarbeiter in einem SWR-Beitrag.

Es geht um prekäre Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und die Verhinderung von Betriebsräten.

Es soll eigentlich eine Traumhochzeit werden: Das Traditionsunternehmen Dr. Oetker will seine Tochterfirma Durstexpress mit dem Konkurrenten Flaschenpost zusammenführen. Eine entsprechende Kaufabsicht hat Dr. Oetker vergangene Woche bestätigt. Nach verschiedenen Medienberichten sollen dabei 800 Millionen bis eine Milliarde Euro fließend. Während die Verbindung der beiden Online-Getränkelieferdienste in der Startup-Szene schon als Deal des Jahres gefeiert wird, ist die Feierlaune bei den Mitarbeitern und Gewerkschaften eher verhalten.

Im Vorfeld des Milliardendeals sei auf die Belegschaft beider Firmen massiver Druck ausgeübt worden, berichtet der SWR-Journalist Marcel Kolvenbach am Wochenende. „Die Braut sollte hübsch gemacht werden“, zitiert er einen Mitarbeiter von Flaschenpost, der anonym bleiben will. Der SWR hat mit Mitarbeitern gesprochen sowie Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge eingesehen. Dabei werden bei Flaschenpost und Durstexpress immer wieder dieselben Vorwürfe laut. Es geht um prekäre Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und die Verhinderung von Betriebsräten.

Gewerkschaft NGG kritisiert Flaschenpost

So meldete sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss Gaststätten (NGG) bereits einen Tag nach dem Oetker-Deal zu Wort. Flaschenpost sei bisher dadurch aufgefallen, die Betriebskosten auf dem Rücken der Beschäftigten zu minimieren, heißt es in einer Pressemitteilung. Einen Tarifvertrag gibt es dort bis heute nicht. „Vor allem hat das Unternehmen alles darangesetzt, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern. Für die Beschäftigten von Flaschenpost kann es nur besser werden. Immerhin gehört es bei Oetker zum guten Ton, die Arbeitsbedingungen mit der NGG zu regeln“, sagte Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der NGG. Er bezieht sich dabei auf die Betriebsratswahl am Standort Düsseldorf, gegen die Flaschenpost Anfang des Jahres geklagt hatte.

Die Darstellung der Gewerkschaft wird nun auch von den SWR-Recherchen gestützt. Die Team- und Schichtleiter hätten unbezahlte Überstunden leisten müssen, die Fahrer hätten oft nicht pünktlich Feierabend machen können, es hätte Probleme beim Arbeitsschutz gegeben und Mitarbeitern, die unverschuldet wegen Krankheit fehlten, sei schnell gekündigt worden, heißt es in dem Bericht. Vor der Übernahme habe man offensichtlich die Mitarbeiterkosten in der Bilanz niedrig halten wollen, so der Vorwurf eines Mitarbeiters.

Flaschenpost teilte dem SWR mit, dass die Vorwürfe nicht repräsentativ für das Stimmungsbild im gesamten Unternehmen seien, sondern „sehr standort- und personenspezifisch“. Das Unternehmen verwies darauf, dass klare Standards hinsichtlich Arbeitsschutz und -sicherheit existieren würden. Darüber hinaus habe man bereits beschlossen, die Gehälter in der Logistik flächendeckend ab dem 01. Dezember 2020 zu erhöhen. Unbezahlte Überstunden gebe es nicht.

Mitarbeiter klagen über „Klima der Angst“ bei Durstexpress

Auch bei der Oetker-Tochter Durstexpress rumorte es vor dem Deal. Bereits am 25. Oktober, eine Woche vor der öffentlichen Bekanntmachung der Übernahme, beschwerten sich Mitarbeiter am Standort Leipzig über unhaltbare Arbeitsbedingungen. Die anarcho-syndikalische Gewerkschaft Freie Arbeiter*Innen Union Leipzig (FAU), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hatte darauf in einer Pressemitteilung aufmerksam gemacht.

Durstexpress habe die Schichtpläne ohne Vorwarnung zusammengekürzt, sodass die Mitarbeiter nicht mehr auf die vertraglich vereinbarten Stunden kämen. Betroffen seien vor allem die Angestellten im Lager. Für einige bedeute das den finanziellen Ruin, da sie teilweise keine weitere Einkunftsquelle hätten, sagte FAU-Sprecher Sören Winter. „Des Weiteren ist zu befürchten, dass die Durstexpress GmbH einen Teil ihrer Lohnarbeiter*Innen so zur Kündigung drängen will, wodurch Personalkosten gespart werden sollen – die sogenannte kalte Kündigung.“ In einem späteren Statement machte Winter zudem auf zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei den Lohnabrechnungen aufmerksam.

Mitarbeiter berichteten dem SWR in diesem Zusammenhang von einem „Klima der Angst“. Sie befürchten, dass die Bedingungen nach der Fusion noch schlimmer werden könnten. Möglichkeiten zur Mitsprache gibt es kaum, denn ein Betriebsrat existiert auch hier nicht. Laut Winter würde das Unternehmen die Gründung eines solchen sogar aktiv verhindern.

Durstexpress bestreitet das. Man stehe betrieblicher Mitbestimmung grundsätzlich offen gegenüber, erklärt die Oetker-Tochter gegenüber dem SWR. Auch die Vorwürfe in Bezug auf die gekürzten Arbeitsstunden wiegelt sie ab. Aufgrund der schwankenden Nachfrage gebe es keinen Anspruch auf Mehrarbeit nach Wunsch.


Arbeitet ihr im Umfeld von Flaschenpost oder Durstexpress und habt weitere Hinweise? Dann schreibt gerne an hannah.schwaer@businessinsider.de.


Transparenzhinweis: Die Stellungnahme von Flaschenpost war in der ersten Version dieses Beitrags missverständlich zitiert. Wir haben das inzwischen nachgebessert.

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