Rebellion der Assistenten

Beschäftigte von »ambulante dienste e. V.« besetzen ihre Geschäftsstelle in Kreuzberg
Von Jörg Meyer

Der Lärm der Trommeln und Trillerpfeifen war ohrenbetäubend. Nach einer kurzen Demonstration vom Herrmannplatz besetzten gestern Vormittag 35 Beschäftigte des Vereins Ambulante Dienste (AD) die Geschäftsstelle ihres Arbeitgebers in Kreuzberg. Sie sind sauer, weil Neubeschäftigte 20 Prozent weniger verdienen sollen als die »Alten«. AD ist mit 550 Beschäftigen der deutschlandweit größte Anbieter von Assistenzdiensten für behinderte Menschen. Die Geschäftsführung stellte sich dem Gespräch.

Mit der symbolischen Aktion, die nach eineinhalb Stunden beendet wurde, wollten die Assistenten wieder Bewegung in den festgefahrenen Konflikt um die im Dezember von der Geschäftsführung angekündigten Lohnkürzungen bringen. Zum einen sollen sie zurückgenommen werden. Zweitens solle die Geschäftsführung endlich mit einer klaren Verhandlungsposition an den Paritätischen Wohlfahrtsverband herantreten, der 2010 beim Senat die Höhe der Pflegesätze aushandelt, sagte Betriebsrätin Johanna Harbeck gegenüber ND.

Die Forderung nach Rücknahme der Kürzungen wurde nicht erfüllt. Geschäftsführerin Uta Wehde sagte, sie stehe hinter der Entscheidung. Dafür wurde ein Kooperationsgespräch mit dem Betriebsrat über die Planungen für 2010 vereinbart. Kritisiert wird auch, dass die Geschäftsführung auf die sich abzeichnende finanzielle Krise des Vereins zu spät reagiert hatte. »Ihr kürzt die Löhne und wisst nicht einmal, wo es langgehen soll«, sagte ein erboster Beschäftigter gegenüber Wehde. »Wir sind sauer, weil das auf unserem Rücken ausgetragen wird«, eine andere.

Harbeck war zufrieden mit dem Ergebnis der Aktion. Der Druck müsse aber aufrechterhalten werden. In nächster Zeit seien mehrere kleine Aktionen geplant. Zudem wolle man sich an der Mayday-Parade am 1. Mai beteiligen.

Die Geschäftsleitung argumentiert, mit der Lohnsenkung solle Geld gespart werden, um mehr sozialversicherungspflichtige Jobs zu schaffen. Die Assistenten befürchten, dass mit den niedrigen Löhnen die Qualität der Assistenz leidet.

Die teilweise seit fast zwanzig Jahren bei AD Arbeitenden haben zuletzt 2001 einen Inflationsausgleich erhalten und üben seitdem Verzicht.

Der 1981 aus einer alternativen »Krüppelbewegung« gegründete Verein bietet Assistenz – nicht Pflege. Es geht darum, behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Quelle:
Neues Deutschland